OGH vom 01.02.1993, 13Os16/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Feber 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer und Dr.Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert K***** und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 34 Vr 225/92 des Landesgerichtes Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Ing.Karl M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , AZ 8 Ns 1.267/92 (= ON 416/XI der Strafakten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , AZ 8 Ns 1.267/92 (= ON 416/XI der Strafakten), wurde Ing.Karl M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.
Dieser Beschluß wird, soweit er Ing.Karl M***** betrifft, aufgehoben.
Gemäß dem § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 8.000 S, zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer, auferlegt.
Text
Gründe:
In der oben bezeichneten Strafsache wird der am geborene frühere Geschäftsführer der Firma "M***** Planungsbüro für technische Akustik und Schießanlagen GmbH" und nunmehrige Pensionist Ing.Karl M***** seit dem in Untersuchungshaft angehalten, und zwar seit dem fristbedingten Wegfall des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 2 StPO) ausschließlich aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß dem § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO. Mit Beschluß vom , AZ 8 Ns 1.253/92 (= ON 281/IX), hat das Oberlandesgericht Innsbruck die zulässige Dauer der Untersuchungshaft zunächst auf acht Monate ausgedehnt (§ 193 Abs 4 StPO). Diese Frist endete demnach am . Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Beschluß vom , AZ 8 Ns 1.267/92 (= ON 416/XI), hat das Oberlandesgericht Innsbruck bestimmt, daß die über Ing.Karl M***** verhängte Untersuchungshaft weitere drei Monate, also bis zu elf Monaten dauern dürfe.
In seiner dagegen fristgerecht erhobenen Grundrechtsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechtes auf persönliche Freiheit primär mit der Begründung geltend, daß der Beschluß erst nach Ablauf der Haftfrist von acht Monaten gefaßt worden ist, daß ferner die Dauer der Untersuchungshaft im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe bereits offenbar unangemessen (§ 193 Abs 2 StPO) und der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO) bei ihm nicht mehr gegeben sei. Die Dringlichkeit des Tatverdachtes (§ 180 Abs 1 StPO) wird hingegen ausdrücklich zugestanden.
In der (seit rechtswirksamen) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom (ON 435/XII) werden Ing.Karl M***** das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch als Beitragstäter nach den §§ 12, dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB, das Verbrechen der versuchten Neutralitätsgefährdung nach den §§ 15, 320 Abs 1 Z 3 StGB sowie das Vergehen des Ansammelns von Kampfmitteln nach dem § 280 Abs 1 StGB zur Last gelegt. Darnach ist er dringend verdächtig
1. (= Punkt A/4 der Anklageschrift) zwischen Spätsommer 1991 und Jänner 1992 in Wien und anderen Orten zur Ausführung der unter Punkt A/1/a der Anklageschrift angeführten Tat (nämlich des von Hubert K*****, Manfred Sch***** und Erwin H***** in der Nacht zum in Kartitsch im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter begangenen Einbruchsdiebstahls in ein Mobilmachungslager des Österreichischen Bundesheeres, bei dem 43 Sturmgewehre der Type StG 58 samt je einem Magazin, 7 Maschinenpistolen der Type MP 41 mit je einem Stangenmagazin, 2 Scharfschützengewehre Type SSG 69 samt je einem Zielfernrohr und je einem Magazin, 30 Pistolen P 80 der Marke Glock samt je einem Magazin, 4 Maschinengewehre der Type MG 42, 4 Stück Winkelzielfernrohre samt Transportbehältern, 3 Stück Infrarotferngläser mit Transportbehältern sowie 2 Feldstecher im Gesamtwert von 1,060.000 S erbeutet wurden) dadurch beigetragen zu haben, daß er die unmittelbaren Täter bei der Vorbereitung des Einbruchsdiebstahls mit Rat und Tat unterstützte, sie auf die guten Verkaufsmöglichkeiten des Diebsgutes im Gebiet des seinerzeitigen Jugoslawien hinwies und insbesondere Hubert K***** und Erwin H***** bereits vor der Tatausführung mit potentiellen Abnehmern zusammenbrachte, sowie dadurch, daß er sie nach deren Tatentschluß psychisch bestärkte;
2. (= Punkt C/1 der Anklageschrift) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit teils im selben Strafverfahren, teils gesondert verfolgten Mittätern Anfang Feber 1992 im Raume Klagenfurt/Ferlach/Loiblpaß wissentlich im Inland während bzw. bei unmittelbar drohender Gefahr eines bewaffneten Konfliktes im ehemaligen Jugoslawien, an dem die Republik Österreich nicht beteiligt war, für eine der Parteien in Slowenien und Kroation Kampfmittel, nämlich die zu Punkt A/1/a der Anklageschrift angeführten Schußwaffen samt Magazinen und Zieleinrichtungen entgegen den bestehenden Vorschriften aus dem Inland dadurch auszuführen versucht zu haben, daß er diese zwecks Übernahme durch die Parteien des bewaffneten Konfliktes an die österreichisch-slowenische Grenze transportierte bzw. dies veranlaßte und die entsprechenden Verkaufs- und Übernahmsgespräche führte;
3. (= Punkt D/4 der Anklageschrift) einen Vorrat an Waffen, Schießbedarf und anderen Kampfmitteln, der nach Art und Umfang geeignet ist, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, nämlich die zu Punkt A/1/a der Anklageschrift angeführten Schußwaffen samt Zubehör, angesammelt bzw. bereitgehalten zu haben, und zwar zwischen dem 4. und 6.Feber 1992 in Ferlach und anderen Orten durch die Verwahrung und den Transport der Waffen in seinem VW-Bus.
Der beim Beschwerdeführer angenommene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß dem § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO wird im beschwerdegegenständlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck mit dem Hinweis auf frühere Haftbeschlüsse dieses Gerichtshofes, insbesondere vom (ON 119/V) begründet und dazu bemerkt, daß sich nichts ergeben hätte, was gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus diesem Grunde sprechen würde. Im Beschluß vom wurde zur Tatbegehungsgefahr ausgeführt, daß Ing.Karl M***** nach eigenen Angaben seit vielen Jahren im internationalen Waffengeschäft tätig sei, über sehr gute Kontakte zu Waffenhändlern in vielen Ländern Europas, insbesondere aus dem früheren Ostblock, verfüge, in Kroation überdies auch zu Personen, die für die Ausrüstung der Kampfparteien mit Kriegsgerät verantwortlich sind, aber auch zum dortigen Geheimdienst und dem Verteidigungsministerium. Es sei nicht von der Hand zu weisen, daß er auf Druck von dieser Seite sich neuerlich zu illegalen Waffengeschäften hinreißen ließe, zumal er nach den bisherigen Erhebungsergebnissen seine Tätigkeiten im Laufe der Zeit immer weiter ausgedehnt und zuletzt, nachdem er sie früher ohne Verletzung österreichischer Interessen abgewickelt hatte, nach der Verdachtslage nunmehr unter Mißachtung jener Interessen und mit Beständen des Österreichischen Bundesheeres ins südlich benachbarte Ausland erstreckt haben soll. Mit Rücksicht auf die sehr guten Verbindungen, die Ing.M***** im Waffenhandel schon angeknüpft hat, wäre er nicht auf inländische Waffen angewiesen, sondern könnte solche auch aus dem Ausland, etwa aus den Staaten des ehemaligen Ostblocks, verschieben lassen und sich dazu gerade durch seine triste wirtschaftliche Lage gedrängt sehen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat zu den Beschwerdeeinwänden folgendes erwogen
Zur Überschreitung der Haftfrist:
Gemäß dem Art. 5 Abs 1 MRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden (in lit a bis f dieses Artikels aufgezählten) Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Dieser Konventionsbestimmung nachgebildet und weitgehend mit denselben Worten bestimmt das Bundesverfassungsgesetz vom über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 1988/684 (in Kraft seit dem ), in seinem Artikel 1, daß jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) hat (Abs 1), und daß niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden darf (Abs 2).
Gemäß dem § 2 Abs 1 GRBG ist das Grundrecht auf persönliche Freiheit insbesondere dann verletzt, wenn die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft zum Zwecke der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer der Haft unverhältnismäßig geworden ist, die Voraussetzungen einer Haft, wie Tatverdacht oder Haftgründe, unrichtig beurteilt wurden oder sonst bei einer Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet wurde.
Aus der Bezugnahme auf die "gesetzlich vorgeschriebene Weise" folgt, daß bei der Entscheidung über eine Grundrechtsbeschwerde nicht nur zu prüfen ist, ob die angefochtene gerichtliche Entscheidung oder Verfügung mit den einschlägigen Verfassungsbestimmungen (Art. 5 MRK und BVGpersFrh) im Einklang steht, sondern auch, ob die einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften, insbesondere die Strafprozeßordnung, richtig angewendet wurden. Jede Verletzung einer einfachgesetzlichen Vorschrift, die das Grundrecht auf persönliche Freiheit berührt, bewirkt eine Grundrechtsverletzung (JAB zum GRBG 852 BlgNR XVIII. GP 4 re Sp; Graff "Die Grundrechtsbeschwerde an den OGH" in ÖJZ 1992, 780).
Jene gesetzlichen Vorschriften, deren unrichtige Anwendung als grundrechtsverletzend hier zur Debatte steht, sind die Bestimmungen des § 193 Abs 3 und Abs 4 StPO, wonach die Dauer der bloß aus dem Grund der Verdunkelungsgefahr verhängten Untersuchungshaft (§ 180 Abs 2 Z 2 StPO) zwei Monate, die Dauer der auch oder ausschließlich aus einem anderen Grund verhängten Untersuchungshaft (§ 180 Abs 2 Z 1 und 3 oder Abs 7) sechs Monate nicht übersteigen darf (Abs 3), jedoch auf Antrag des Untersuchungsrichters, Vorsitzenden oder Staatsanwaltes der Gerichtshof zweiter Instanz wegen besonderer Schwierigkeit oder besonderen Umfanges der Untersuchung bestimmen kann, daß die bloß aus dem Grund der Verdunkelungsgefahr verhängte Haft bis zu drei Monaten, die auch oder ausschließlich aus einem anderen Grund verhängte Haft bis zu einem Jahr, wenn es sich aber um ein Verbrechen handelt, das mit einer fünf Jahre übersteigenden Strafe bedroht ist, bis zu zwei Jahren dauern dürfe, wobei allerdings die Entscheidung darüber, daß die Haft länger als ein Jahr dauern dürfe, erst innerhalb der letzten sechs Wochen des ersten Haftjahres getroffen werden darf (Abs 4).
Im besonderen stellt sich also die Frage, ob die Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz noch innerhalb der jeweils aktuellen Haftfrist getroffen werden muß oder auch noch danach ergehen kann, und gegebenenfalls unter welchen Kriterien letzteres geschehen darf, ohne daß deshalb das Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt ist.
In der insoweit bisher maßgeblichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 11 Os 124/72 (SSt 43/38), wurde darauf hingewiesen, daß es sich bei den Zwei- und Sechsmonatefristen des § 193 Abs 3 StPO um "imperative" Fristen handelt, deren Verletzung "unter der Sanktion des § 6 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit" stehen kann, und nicht um bloß "instruktionelle" Fristen, deren Nichteinhaltung höchstens im Aufsichtswege dienstrechtliche Folgen nach sich zu ziehen vermag.
Damit ist aber keineswegs zum Ausdruck gebracht worden, daß schlechthin jede Überschreitung dieser Fristen eine dem Gesetz vom 27. Oktober 1862 zum Schutz der persönlichen Freiheit, RGBl 87 (das bis in Geltung stand), widersprechende Beschränkung der persönlichen Freiheit (im Sinne einer Grundrechtsverletzung nach der Terminologie des GRBG) darstellt. Denn in weiterer Folge sprach die Entscheidung mit Bezug auf jene Fälle, in welchen die materiellen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer längeren Haftdauer vorlagen (§ 193 Abs 4 StPO), gerade das Gegenteil aus. Der Hinweis auf die im § 6 des Gesetzes RGBl 87/1862 noch ausdrücklich normierte (im BVGpersFrh - weil nach der nunmehrigen Rechtslage selbstverständlich - nicht mehr erwähnte) allfällige strafrechtliche Haftung von Organwaltern nach den §§ 302 oder 303 StGB sollte demnach nur den "imperativen" Charakter der zeitlichen Haftbeschränkung in Ansehung jener Haftfälle unterstreichen, bei welchen die eine Haftverlängerung ermöglichenden besonderen Umstände nicht vorlagen.
Zwar wurde auch ausgesprochen, daß nach Ablauf der Fristen des § 193 Abs 3 StPO jede Untersuchungshaft eine rechtswidrige sei. Diesen nach seinem Wortlaut scheinbar als allgemeingültig postulierten Rechtssatz mit seinen - aus heutiger Sicht - daraus erfließenden grundrechtlichen Konsequenzen konnte die Entscheidung jedoch selbst nicht durchhalten, weil sie ihn unter einem durch den weiteren Ausspruch relativierte, daß der Ablauf der Fristen des § 193 Abs 3 StPO die Haft nicht schon ipso iure ohne richterliche Verfügung vernichte oder auch nur zwingend zur Aufhebung der Untersuchungshaft führen müsse. Vielmehr sei der Gerichtshof zweiter Instanz trotz Überschreitung der Haftfristen verpflichtet, die Entscheidung über die Zulässigkeit einer längeren Haftdauer unverzüglich nachzuholen und damit gegebenenfalls (nachträglich) die prozeßrechtlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Haft zu schaffen.
Ist es aber darnach zulässig, einen solcherart gleichsam in Schwebe befindlichen Zustand temporärer (und bloß formaler) Rechtswidrigkeit nachträglich zu sanieren, so kann eine Fortsetzung der Untersuchungshaft über deren Befristung hinaus eben ex tunc nicht gesetzwidrig (und damit auch nicht grundrechtswidrig) gewesen sein. Im Ergebnis wurde somit auch mit dieser Aussage der Entscheidung SSt 43/38 keineswegs die Rechtsauffassung vertreten, daß eine Untersuchungshaft nach Ablauf der Fristen des § 193 Abs 3 StPO ohne zuvor für zulässig erklärte längere Dauer der Haft unter allen Umständen eine (grund-)rechtswidrige wäre.
Zu einem ähnlichen Ergebnis ist übrigens der Oberste Gerichtshof auch in seiner Entscheidung vom , 11 Os 65/90, gelangt, indem er unter ausdrücklicher Bezugnahme auf SSt 43/38 aussprach, daß die bloße Verletzung des Gebotes der formalen Rechtzeitigkeit durch den über einen Haftverlängerungsantrag beschließenden Gerichtshof zweiter Instanz die materiell gerechtfertigte Haft nicht zu einer gesetzwidrigen im Sinne des § 2 Abs 1 lit a StEG macht.
Entgegen der vom Obersten Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Feber 1993, 15 Os 14/93, vertretenen Auffassung sind demnach die Aussagen in SSt 43/38 über den "imperativen" Charakter der Haftfristen und die möglichen strafrechtlichen Sanktionen gegen deren Verletzung sowie über die Rechtswidrigkeit einer Fortsetzung der Untersuchungshaft nach Ablauf der Haftfristen nicht dazu angetan, das jener Entscheidung gegenteilige Ergebnis überzeugend zu begründen. Sie haben nämlich der Sache nach gar nicht das zum Ausdruck gebracht, was "im Lichte der nunmehr geltenden Verfassungsrechtslage" betrachtet - die sich zumindest im Wortlaut in dem hier maßgeblichen Punkt (wie eingangs dargestellt) gar nicht geändert hat - den in Beschwerde gezogenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck infolge unrichtiger Anwendung des Gesetzes als grundrechtswidrig erscheinen lassen könnte. Ob die Aufrechterhaltung einer Anhaltung über die zeitliche Beschränkung des § 193 Abs 3 StPO hinaus, ohne daß zuvor vom Gerichtshof zweiter Instanz gemäß dem § 193 Abs 4 StPO eine längere Dauer der Anhaltung für zulässig erklärt worden ist, in jedem Falle und ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles gesetz- und daher auch grundrechtswidrig ist, muß demnach am Gesetz selbst geprüft werden.
Darnach sprechen aber für eine differenzierte Betrachtungsweise folgende Überlegungen:
Der Gesetzgeber hat durch die die Vorschrift des § 193 Abs 3 StPO ergänzende Bestimmung des § 193 Abs 4 StPO deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er die zeitlichen Haftbeschränkungen (mit Ausnahme der absoluten Fristen des § 193 Abs 4 StPO) nicht als starre, unübersteigbare Grenzen normieren wollte (vgl. die Erläuterungen zum StRÄG 1971 39 BlgNR XII. 29 li Sp 1. Abs). Er hat ihnen vielmehr durch die unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumte Verlängerungsmöglichkeit das Wesen erstreckbarer Fristen verliehen, allerdings vorgesehen, daß das Vorliegen dieser besonderen Voraussetzungen vom Gerichtshof zweiter Instanz zu prüfen und festzustellen ist. Demnach enthält das Gesetz auch keine Vorschrift dahin, daß bei Erreichung der jeweils aktuellen Haftgrenze - von den absoluten Höchstgrenzen des § 193 Abs 4 StPO abgesehen - die Untersuchungshaft zwingend und ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Verlängerungsvoraussetzungen des § 193 Abs 4 StPO als beendet anzusehen oder aufzuheben wäre. Dies ergibt sich schon aus der unterschiedlichen Formulierung im Vergleich mit dem § 193 Abs 2 StPO, wonach die Untersuchungshaft eben "aufzuheben ist", sobald ihre Dauer im Verhältnis zu den zu erwartenden Strafen offenbar unangemessen ist. Hätte der Gesetzgeber auch in den hier in Rede stehenden Fällen der zeitlichen Beschränkung der Untersuchungshaft deren Aufhebung im Zeitpunkt des Ablaufs der (noch) nicht erstreckten Frist "imperativ" statuieren wollen, dann wäre dies von ihm wohl gleichermaßen deutlich zum Ausdruck gebracht worden.
Damit im Einklang findet sich im Gesetz auch keine Anordnung, daß eine die zulässige Dauer der Untersuchungshaft verlängernde Entscheidung des Oberlandesgerichtes, um wirksam werden zu können, jedenfalls vor Ablauf der Haftfrist ergehen muß. In Hinsicht auf den Zeitpunkt einer solchen Beschlußfassung wird lediglich bestimmt, daß eine Haftverlängerungsentscheidung über ein Jahr hinaus erst innerhalb der letzten sechs Wochen des ersten Haftjahres getroffen werden dürfe, worin aber kein Verbot einer nachträglichen Entscheidung erblickt werden kann (11 Os 65/90; JAB zum StrafverfahrensänderungsG 1983 1422 BlgNR XV GP 2). Vielmehr kommt darin - auch in bezug auf die anderen Fälle einer Haftfristverlängerung - lediglich zum Ausdruck, daß die Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz möglichst nahe dem Haftfristende erfolgen soll, zumal nur dann die Voraussetzungen einer längeren Dauer der Haft (insbesondere der Fortbestand der Haftgründe und der für die Dauer der noch zulässigen Haft maßgebliche Verfahrensstand) aktuell geprüft werden können, was vor allem auch im Interesse des Verhafteten selbst im Hinblick auf ein für ihn günstigeres Entscheidungsergebnis gelegen sein kann.
Schließlich ist es mit dem wiederholt erklärten und in den zahlreichen Reformen des Haftrechtes der vergangenen Jahre - nicht zuletzt auch in der Institutionalisierung einer Grundrechtsbeschwerde selbst - zum Ausdruck gebrachten entschiedenen Willen des Gesetzgebers zu einer in der Rechtsanwendungspraxis wirksamen, dem europäischen Standard entsprechenden, auch aus der Sicht des Obersten Gerichtshofes durchaus erstrebenswerten Zurückdrängung der Untersuchungshaft, aber auch einer tunlichsten Beschleunigung jener Strafverfahren, in welchen eine solche Haft nicht zu vermeiden ist, keineswegs unvereinbar, die in Rede stehenden Bestimmungen nicht stringent im Sinn einer starren und unbedingt Einhalt gebietenden zeitlichen Haftschranke auszulegen. Wird doch durch die hier ins Auge gefaßte flexiblere Handhabung dieser Vorschriften und die damit allenfalls verbundenen zeitlichen Verschiebungen innerhalb enger Grenzen weder dem einen noch dem anderen berechtigten Anliegen wirklich Abbruch getan. Es kann andererseits nicht Sinn einer solchen Regelung sein, unter Vernachlässigung aller sonstigen Zielsetzungen der Strafrechtspflege die zu beurteilende Frage der Haftdauer in einem bestimmten Fall von rein formalen Umständen und mitunter bloßen Zufälligkeiten abhängig zu machen und solcherart die Möglichkeit zu eröffnen, durch - allenfalls sogar manipuliertes - bloß kurzfristiges Hinausschieben des Entscheidungstermines eine begründete Untersuchungshaft zu Fall zu bringen. In dem relativ kurzen Zeitraum, der sich aus den widerstreitenden sachlichen Geboten ergibt, weder zu früh noch zu spät über die Zulässigkeit einer längeren Dauer der Untersuchungshaft zu entscheiden, werden immer wieder, selbst bei gewissenhafter und expeditiver Sachbearbeitung, unvorhergesehene und unvermeidbare Zwischenfälle auftreten, die es unmöglich machen, noch vor Ablauf der Haftfrist eine Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz herbeizuführen. Dabei soll nicht übersehen werden, daß sich solche Friktionen insbesondere auch aus dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Konzept eines fairen und daher kontradiktorischen Verfahrens auch in Haftfragen (vgl. ÖJZ 1992, 3, 9a, 14 MRK; EuGRZ 1988, 523 und ÖJZ 1989, 8 MRK) und der daraus resultierenden Notwendigkeit ergeben können, jede Äußerung einer Verfahrenspartei - auch in einem Verfahren nach dem § 193 Abs 4 StPO - der Gegenpartei unter Einräumung einer realen Gelegenheit zu einer Stellungnahme zuzustellen (vgl den Erlaß des BMfJ vom , Zl. 64.000/10-II 3/92). Gerade dieses Erfordernis war übrigens im vorliegenden Fall für die Überschreitung der Haftfrist zumindest mitursächlich.
Aus all diesen Gründen interpretiert der Oberste Gerichtshof die Bestimmungen des § 193 Abs 3 und Abs 4 StPO dahin, daß eine Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz über die Zulässigkeit einer längeren Dauer der Untersuchungshaft nicht nach Art einer Fallfrist mit dem Ablauf der jeweils aktuellen zeitlichen Haftbegrenzung terminisiert ist. Er hält im Ergebnis daran fest, daß eine Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz an sich auch dann noch nach dem Gesetz zulässig ist, wenn die Akten entweder vom Erstgericht erst verspätet vorgelegt werden oder trotz zeitgerechter Abfertigung durch das Erstgericht aus irgendwelchen Gründen - insbesondere Verzögerung auf dem Postlauf - verspätet beim Oberlandesgericht einlangen, oder aber die Entscheidung beim Oberlandesgericht selbst eine Verzögerung über das Fristende hinaus erfährt (vgl. SSt 43/38). Doch ist diese Möglichkeit einer Entscheidung nach Ablauf der Haftfrist - unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Falles - zeitlich eng begrenzt. Bei einer Verzögerung, die nicht als vom Gesetz - nach den bereits dargelegten Grundsätzen - noch toleriert angesehen werden könnte, entspräche die weitere Anhaltung (über den Zeitpunkt des Ablaufes der Haftfrist hinaus) nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Weise (Art 5 Abs 1 MRK, Art 1 Abs 2 BVGpersFrh), das Gesetz wäre unrichtig angewendet (§ 2 Abs 1 GRBG) und eine positive Beschlußfassung im Sinne des § 193 Abs 4 StPO demnach grundrechtswidrig.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch beigefügt, daß dem Betroffenen auch gegen Verzögerungen in solcher Beschlußfassung alle sonst nach den Verfahrensgesetzen zulässigen Mittel der Abhilfe offenstehen und er insbesondere durch die Stellung eines Enthaftungsantrages eine für das Grundrechtsbeschwerdeverfahren erforderliche Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz letztlich (im Rechtsmittelweg) selbst herbeiführen kann.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist die Überschreitung der Haftfrist um nur fünf Tage auf keine Säumnis der Gerichte im aufgezeigten Sinn zurückzuführen. Zudem handelt es sich hier um eine Weiterverlängerung der schon zuvor auf acht Monate ausgedehnten Haftzulässigkeit, wobei es insoweit aber gemäß dem § 193 Abs 4 StPO von vornherein im Ermessen des Gerichtshofes zweiter Instanz stand, innerhalb der dort normierten Grenzen die zulässige Dauer der Untersuchungshaft zunächst kürzer, sodann aber nötigenfalls auch länger zu bestimmen (15 Os 19/93). Da von diesem Ermessen zumindest mit Rücksicht auf den besonderen Umfang der Untersuchung innerhalb der Grenzen des § 193 Abs 4 StPO gesetzmäßig Gebrauch gemacht worden ist, ist in diesem Punkte das Grundrecht des Ing. Karl M***** auf persönliche Freiheit nicht verletzt worden.
Zum Haftgrund:
Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO setzt - neben anderen Erfordernissen, insbesondere dem hier nicht bestrittenen Tatverdacht wegen eines Verbrechens oder Vergehens - voraus, daß auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen.
Eine solche Gefahr bestand zum Zeitpunkt des in Beschwerde gezogenen Beschlusses des Oberlandesgerichtes Innsbruck () in Ansehung des Ing.Karl M***** nicht mehr.
Für die Annahme, der Beschwerdeführer könnte sich trotz des laufenden Strafverfahrens in Freiheit abermals in irgendeiner Weise an einem schweren Vermögensdelikt zur Beschaffung von Kriegsmaterial (wie dem gegenständlichen Einbruchsdiebstahl in ein Waffendepot des Bundesheeres) beteiligen, finden sich in den Akten keine konkreten Anhaltspunkte. Selbst nach der Darstellung in der Anklageschrift ist nicht davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer in der Vergangenheit in kriminellen Kreisen verkehrt hätte, die von vornherein darauf aus gewesen wären, durch schwere Straftaten der hier aktuellen Art Waffen zu beschaffen, und daß er diesen Personen regelmäßig beim Absatz des Kriegsmaterials behilflich gewesen wäre. Vielmehr muß angenommen werden, daß einerseits die Hauptbeteiligten lediglich die durch die Bekanntschaft mit einem über das Waffendepot informierten Unteroffizier (S 23 ff der Anklageschrift) sich bietende günstige Gelegenheit ausgenützt haben, während andererseits der Kontakt dieser Tätergruppe zu Ing. Karl M***** nur zufällig (S 30 der Anklageschrift) zustandegekommen ist, demnach der in der Anklageschrift geschilderte Tatkomplex auf eine singuläre Konstellation zurückzuführen ist. Die Gefahr einer strafgesetzwidrigen Beschaffung von Waffen im Inland durch den Beschwerdeführer im Falle seiner Freilassung ist somit nach der Aktenlage durch keine bestimmten Tatsachen indiziert.
Ebensowenig vermögen allein die internationalen Kontakte, auf welche die Haftinstanz hingewiesen hat, die Annahme zu rechtfertigen, daß Ing.Karl M***** im Inland legal erworbenes Kriegsmaterial entgegen den bestehenden Vorschriften in ein Kriegsgebiet (§ 320 Abs 1 Z 3 StGB) oder sonst ohne Bewilligung (§ 7 KMG) aus dem Inland ausführen würde. Daß von irgendeiner Seite auf ihn Druck ausgeübt werden könnte, ist reine Spekulation ohne realen Hintergrund aus den Ergebnissen des Vorverfahrens. Vielmehr hat sich gerade im vorliegenden Fall erwiesen, daß die in Betracht kommenden Geschäftspartner des Beschuldigten gar nicht bereit waren, das ihnen angebotene Kriegsmaterial abzunehmen (S 48, 49 der Anklageschrift).
Schließlich ist noch zu bemerken, daß das "Verschieben" von Waffen aus den Ländern des ehemaligen "Ostblocks" ohne Inlandsberührung - selbst in Kriegsgebiete und von Österreich aus gelenkt - straflos wäre, weil die hier in Betracht kommenden Straftatbestände (§§ 320 Abs 1 Z 3 StGB; 7 KMG) eine Ausfuhr von Kriegsmaterial aus dem (bzw dessen Durchfuhr durch das) Inland zur Voraussetzung haben.
Alle diese Erwägungen gegen das Bestehen von Tatbegehungsgefahr im Sinne des § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO bei Ing. Karl M***** werden noch durch die personsbezogenen Umstände unterstützt, daß die Strafregisterauskunft des Beschwerdeführers nur eine einzige, nicht einschlägige und offenbar bereits getilgte Vorstrafe (4 Monate Freiheitsstrafe bedingt wegen Vergehens nach dem § 114 ASVG aus dem Jahre 1987) ausweist, er zum Zeitpunkt der Beschlußfassung bereits im 72. Lebensjahr stand und in diesem Alter das bis dahin verspürte Haftübel besonders nachhaltig und demnach abhaltend empfunden haben dürfte.
Da somit in Ansehung des Ing.Karl M***** am kein Haftgrund mehr vorlag, hätte das Oberlandesgericht Innsbruck seine Enthaftung verfügen müssen. Der in Beschwerde gezogene Beschluß auf Verlängerung der zulässigen Dauer der Untersuchungshaft auf elf Monate hat demnach Ing.Karl M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt (§ 2 Abs 1 GRBG).
Auf den letzten Beschwerdeeinwand einer unverhältnismäßigen Dauer der Haft war darnach nicht mehr einzugehen.
Da der Beschwerde stattgegeben wurde, sind die Gerichte verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 7 Abs 2 GRBG). Allfällige noch formal aufrechte entgegenstehende Beschlüsse wären unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung gründet sich dem Grunde nach auf den § 8 GRBG, der Höhe nach auf die Verordnung des Bundesministers für Justiz, BGBl 35/93.