OGH vom 13.12.2018, 26Ds1/18y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Hausmann und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom , AZ D 41/13 und D 92/13, gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom , AZ D 41/13, D 92/13 wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt.
Demnach hat er am von G***** Co***** einen Treuhanderlag über 700.000 GBP entgegengenommen und
a) entgegen den Vereinbarungen im Treuhandauftrag ohne schriftliche Anweisung des Treugebers im Zeitraum März bis Juli 2012 über 762.416,76 Euro zulasten des Treuhanderlags verfügt und den Treuhanderlag trotz ausdrücklicher schriftlicher Anweisung des Treugebers vom nicht an diesen zurückerstattet sowie
b) die übernommene Treuhandschaft nicht über das Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer abgewickelt, insbesondere weder dem Treuhandbuch der Rechtsanwaltskammer Wien gemeldet noch eine Untersagungserklärung für eine solche Abwicklung eingeholt.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen Berufung des Kammeranwalts wegen Strafe sowie der Berufung des Beschuldigten wegen Nichtigkeit und Schuld wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom , GZ 26 Os 3/16h-25, nicht Folge gegeben, in Stattgebung der Strafberufung des Beschuldigten eine Geldbuße von 4.000 Euro verhängt.
Am stellte der Verurteilte einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und berief sich darauf, dass er (erst) am von der Staatsanwaltschaft Koblenz drei Urkunden erhalten hätte, die ihm bisher nicht bekannt waren und daher auch im bisherigen Verfahren nicht verwertet werden konnten. Bei den drei Urkunden handelt es sich um einen Beschluss des Amtsgerichts Andernach, AZ 2030 Js 57302/10, mit welchem der Haftbefehl des Amtsgerichts Andernach vom gegen C***** aufgehoben wurde; um ein Urteil des Amtsgerichts Andernach vom , AZ 2030 Js 57302/10, mit welchem derselbe wegen Betruges sowie falscher Versicherung an Eides statt zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde; und um ein Urteil des Landgerichts Koblenz vom AZ 4 Kls 2030 Js 67520/13, mit welchem C***** wegen Betruges in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb und tateinheitlich eine Fälschung beweiserheblicher Daten vorliegt, und wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
***** legte die drei Urkunden vor mit der Behauptung, sie würden beweisen, dass C***** ihn über seine eigenen Vorverurteilungen sowie seine wahren Absichten und die wahren Hintergründe der „Transaktion Co*****“ getäuscht hätte. Das Landgericht Koblenz sei in seiner Begründung davon ausgegangen, dass die „P***** AG“ aus dem Vertrag mit Co***** berechtigt gewesen sei, über das Geld auf dem Konto (gemeint das Treuhandkonto des Beschuldigten) zu verfügen, was beweise, dass die Rechtsansicht des Beschuldigten, über das Geld gemäß den Anweisungen des C***** verfügen zu dürfen, vertretbar gewesen wäre. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien sei an die schlüssigen Feststellungen des deutschen Gerichts gebunden und hätte bei Kenntnis der nova producta den Beschuldigten freisprechen oder milder verurteilen müssen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens keine Folge und begründete dies im Wesentlichen damit, dass es für die Beurteilung des Verhaltens des Treuhänders (*****) nicht von Relevanz wäre, ob die „P***** AG“ vom Treugeber C***** intern verfügungsberechtigt gemacht wurde, und ob C***** ein Betrüger wäre oder nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Verurteilten.
Der Kammeranwalt der Rechtsanwaltskammer Wien beantragte in seiner Äußerung, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Auch die Generalprokuratur regte an, der Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers keine Folge zu geben, wozu der Verurteilte eine Äußerung abgab.
Gemäß § 353 Z 2 StPO iVm § 77 Abs 1 DSt kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung zu begründen.
Rechtsakte wie etwa Bescheide und Urteile bilden – abgesehen von sogenannten (hier nicht aktuellen) zivilrechtlichen „Statusurteilen“ (vgl hiezu Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 40 f) – keine neuen Tatsachen oder Beweismittel im Sinn des § 353 Z 2 StPO. Damit sie als Wiederaufnahmegrund in Betracht kommen, müssen in ihnen bislang unbekannt gewesene Beweismittel benannt werden (Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 43). Auch eine unterschiedliche Würdigung inhaltlich gleichartiger Beweismittel wie etwa von Zeugenaussagen durch verschiedene Gerichte stellt kein neues Beweismittel dar (Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 54).
Ausgehend von diesen Prämissen bilden die vom Wiederaufnahmewerber in seinem auf einen Freispruch abzielenden Wiederaufnahmeantrag relevierten deutschen, aber auch inländischen – in Ansehung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens mangels Entscheidung über Statusfragen auch keine Bindungswirkungen entfaltenden und in strafrechtlicher Sicht nicht gegen den Wiederaufnahmewerber ergangenen – Entscheidungen schon an sich (Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 40 f, 43) keine neuen Tatsachen oder Beweismittel im Sinn des § 353 Z 2 StPO. Die deutschen Entscheidungen betreffen – wie der Disziplinarrat zutreffend ausführt – jeweils nicht die fallbezogen jedoch allein entscheidende Ausgestaltung und Handhabung des Treuhandverhältnisses zwischen dem Disziplinarverurteilten und Gr***** Co*****. Auch werden darin keine darauf bezogenen, im Erstverfahren unbekannten Beweismittel benannt.
Die Ausführungen des Wiederaufnahmewerbers, insbesondere wonach sich aus Vertragsverhältnissen der P***** AG gegenüber Gr***** Co***** einerseits und C***** andererseits eine „Autorisierungs- und Bevollmächtigungskette“ auch in Ansehung des Treuhandverhältnisses zwischen dem Wiederaufnahmewerber und Gr***** Co***** ergebe und überdies keine (fallbezogen ohnehin nicht angenommene) Bindung des Disziplinarrats an die den Wiederaufnahmewerber verurteilende Entscheidung des Handelsgerichts Wien zu AZ 29 Cg 112/12h bestehe, sprechen keine nova an und bilden überdies bloß eigenständige Erwägungen zur damit kritisierten Beweiswürdigung des Disziplinarrats (Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 39).
Aus dem gesamten – nach Art einer Berufung erstatteten – Wiederaufnahmevorbringen erhellt die Intention des Verurteilten, Wertungen und Interpretationen in Entscheidungen anderer Gerichte als Maßstab der Beurteilung seines disziplinär geahndeten Verhaltens heranzuziehen. Neue Tatsachen oder Beweismittel benennt er damit keine. Nur das könnte aber zu einer Wiederaufnahme des rechtskräftig erledigten Disziplinarverfahrens führen.
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0260DS00001.18Y.1213.000 |
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