OGH vom 27.07.2021, 11Os72/21d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Scheichel als Schriftführer in der Strafsache gegen Viorela C***** und einen anderen wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 501 Hv 47/20y des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom , GZ 501 Hv 47/20y44, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Poppenwimmer und des Verteidigers Mag. Jodlbauer zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 501 Hv 47/20y-44, verletzt im Schuldspruch 2 a und 2 b § 4 Abs 3 erster Satz und 267 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch 2 a und 2 b ersatzlos, demzufolge im Strafausspruch und in dem mit dem Schuldspruch 2 a zusammenhängenden Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der S***** GmbH aufgehoben und die genannte Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 1 StPO mit einem Anspruch in Höhe von 18.391,31 Euro auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Viorela C***** wird für die ihr nach dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 501 Hv 47/20y44, weiterhin zur Last liegenden Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB und des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach § 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 148 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
[1] Im Verfahren AZ 123 Hv 18/20y des Landesgerichts für Strafsachen Wien legte die Staatsanwaltschaft Viorela C***** mit Strafantrag vom (ON 6) zur Last, sie habe sich seit einem noch festzustellenden Zeitpunkt in W***** ein ihr anvertrautes Gut in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich den von der S***** GmbH geleasten PKW der Marke BMW, FIN *****, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, „indem sie das Fahrzeug ungeachtet der Auflösung des Leasingvertrags und der Aufforderung zur Rückstellung für sich behielt“.
[2] Dieses Verhalten subsumierte die Staatsanwaltschaft als Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und stellte das gegen die Genannte wegen der Aufnahme eines Ankaufskredits für das bezeichnete Fahrzeug wegen des Verdachts des Vergehens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2 StGB geführte Ermittlungsverfahren ein (§ 190 Z 2 StPO – ON 1 S 3).
[3] Aufgrund eines Antrags der S***** GmbH führte die Staatsanwaltschaft das Verfahren am gemäß § 195 Abs 3 StPO fort (ON 1 S 5 in ON 14) und tauschte den Strafantrag vom (den sie ausdrücklich zurückzog – ON 1 S 7) gegen den Strafantrag vom aus (ON 15).
[4] Danach hat Viorela C***** am in G***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz „Mitarbeiter der S***** GmbH durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer falschen Urkunde, nämlich darüber, eine zahlungswillige und -fähige Kreditnehmerin zu sein, wobei sie eine gefälschte Lohn- und Gehaltsabrechnung [...] vorlegte, zur Gewährung eines Ankaufskredits für den Erwerb des PKW der Marke BMW, FIN ***** und Ausbezahlung des Restkaufpreises in Höhe von 17.000 Euro an Marijan M*****, sohin zu einer Handlung verleitet, die diese in einem noch festzustellenden, jedenfalls 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte“.
[5] Dieses Verhalten subsumierte die Staatsanwaltschaft als Vergehen des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2 StGB.
[6] Mit Beschluss vom (ON 13) sprach der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien seine örtliche Unzuständigkeit zur Durchführung des Hauptverfahrens aus (§ 485 Abs 1 Z 1 StPO) und überwies die Sache dem Landesgericht Korneuburg (§ 38 StPO – ON 1 S 7) – dort AZ 501 Hv 47/20g.
[7] Im Zuge der in diesem Verfahren – in Abwesenheit der Viorela C***** durchgeführten (ON 21 S 1) und vertagten – Hauptverhandlung am dehnte der Ankläger den Strafantrag um einen als Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB subsumierten Vorwurf aus (ON 21 S 10).
[8] Danach habe Viorela C***** „an einem noch festzustellenden Zeitpunkt zwischen und in W***** und Umgebung ein ihr anvertrautes Gut, nämlich den PKW der Marke BMW, FIN ***** mit einem 5.000 Euro jedenfalls übersteigenden Wert dadurch, dass sie es beim Terminverlust ihres unter Eigentumsvorbehalt verbundenen Kreditvertrags nicht zurückstellte, den durch den Eigentumsvorbehalt berechtigten Verfügungsbefugten der S***** dauernd entzogen und sich zugeeignet, dies alles mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern“.
[9] Mit Strafantrag vom legte die Staatsanwaltschaft im Verfahren AZ 31 Hv 84/20b des Landesgerichts für Strafsachen Wien – soweit hier relevant – Viorela C***** als Vergehen des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 2 StGB ersehenes Verhalten zur Last, weil sie „mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der D***** GmbH Co KG unter Vorspiegelung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und willigkeit, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet [hat], die die genannte Gesellschaft am Vermögen schädigten, und zwar am zur Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 2.400 Euro und am zur Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 7.975 Euro“ (ON 26 in ON 23).
[10] Dieses Verfahren wurde am in das Verfahren AZ 501 Hv 47/20g des Landesgerichts Korneuburg einbezogen (ON 1 S 9).
[11] Im ebenso in dieses Verfahren einbezogenen Verfahren AZ 141 Hv 62/20a des Landesgerichts für Strafsachen Wien legte die Staatsanwaltschaft mit Strafantrag vom unter anderem Viorela C***** als Vergehen des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 15 StGB subsumierte Vorwürfe zur Last (ON 5 in ON 30, ON 1 S 11).
[12] In der – wegen Zeitablaufs gemäß § 276a StPO neu durchgeführten (ON 51 S 4) – Hauptverhandlung am trug der Ankläger „die Strafanträge vor wie schriftlich“ (ON 51 S 3).
[13] Die Einzelrichterin des Landesgerichts Korneuburg gab vor Schluss des Beweisverfahrens bekannt, „dass beim Faktum PKW BMW die rechtliche Qualifikation in Richtung Veruntreuung und die falsche Gehaltsbestätigung als Urkundenfälschung anzunehmen ist und daher eine Modifikation stattfinden wird“ (ON 51 S 54). Vor Schluss der Verhandlung gab sie bekannt, „dass beim Faktum Handys die rechtliche Qualifikation in Richtung Gewerbsmäßigkeit anzunehmen ist und daher eine Modifikation stattfinden wird“ (ON 51 S 54).
[14] Mit – gekürzt ausgefertigtem – Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 501 Hv 47/20y44, wurde Viorela C***** je eines Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (1), der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (2) sowie – wegen der mit Strafantrag vom angelasteten Taten – des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach § 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 erster Fall, 15 StGB (3) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
[15] Danach hat sie
1) „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem in G***** eine falsche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht wird, und zwar eine Lohn- und Gehaltsabrechnung [...] zur Vorlage bei der S***** über die Tatsache eines bestehenden Dienstverhältnisses bei der A***** GmbH zur Erlangung eines Ankaufskredits bei der S*****;
2) ein ihr anvertrautes Gut in nicht mehr feststellbarem, 5.000 Euro übersteigenden Wert den jeweils Verfügungsberechtigten entzogen, sich selbst zugeeignet und sich durch die Zueignung unrechtmäßig bereichert, und zwar
a) ab in G***** den PKW BMW FIN ***** der S***** GmbH dadurch, dass sie den PKW bei Terminverlust des unter Eigentumsvorbehalt abgeschlossenen Kreditvertrags nicht zurückstellte;
b) ab in W***** den PKW BMW FIN ***** der D***** GmbH & Co KG dadurch, dass sie den verpfändeten PKW bei Nichtzahlung der Darlehenszinsen nicht zurückstellte,
3) in W***** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern nachgenannte Verfügungsberechtigte unter Vorspiegelung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die genannten Gesellschaften in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten und zwar in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Milica Sc***** als Mittäterinnen, teilweise unter Verwendung einer falschen Urkunde
a) am Verfügungsberechtigte der B***** zur Auszahlung einer Kreditsumme von 2.838 Euro für den Ankauf von Mobiltelefonen ..., wodurch die B***** im genannten Betrag am Vermögen geschädigt wurde,
b) am Verfügungsberechtigte der B***** zur Auszahlung einer Kreditsumme von 1.149 Euro für den Ankauf von Mobiltelefonen ..., wodurch die B***** im genannten Betrag am Vermögen geschädigt wurde,
c) Verfügungsberechtigte der S***** GmbH am zur Auszahlung einer Kreditsumme von 3.298 Euro für den Ankauf von zwei Mobiltelefonen ..., wobei sie eine total gefälschte Lohnbestätigung der Stadt Wien für Milica Sc***** vorlegte, wodurch die S***** GmbH im genannten Betrag am Vermögen geschädigt wurde,
d) zu verleiten versucht, und zwar Verfügungsberechtigte der S***** GmbH am zur Auszahlung einer Kreditsumme von 1.149 Euro für den Ankauf eines Mobiltelefons ..., wodurch die S***** GmbH im genannten Betrag am Vermögen geschädigt werden sollte“.
[16] Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde sie verpflichtet, der Privatbeteiligten S***** GmbH 18.391,31 Euro und 3.447,70 Euro zu bezahlen (ON 44 und ON 51 S 55 ff).
[17] Vom (verkürzt wiedergegebenen) Vorwurf, Viorela C***** habe mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte der D***** GmbH & Co KG unter Vorspiegelung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit am zur Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 7.975 Euro verleitet, wurde sie gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
[18] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Ergebnis zutreffend ausführt, steht das Urteil in seinem Schuldspruch 2 a und 2 b mit § 4 Abs 3 erster Satz, § 267 StPO (hier) iVm § 488 Abs 1 StPO nicht im Einklang.
[19] Prozessgegenstand der ursprünglichen oder in der Hauptverhandlung (zulässig – allenfalls auch alternativ [vgl RISJustiz RS0097711]) erweiterten Anklage, an den das erkennende Gericht gebunden ist (§ 4 Abs 3, § 267 StPO hier iVm § 488 Abs 1 StPO – Birklbauer, WKStPO Vor § 210–215 Rz 22; Lewisch, WKStPO § 267 Rz 1 f), ist die konkret bestimmte Tat, also das Verhalten des Angeklagten, wie es sich aus der Anklage ergibt, nicht aber die vom Ankläger vorgenommene rechtliche Beurteilung (§ 4 Abs 3 StPO).
[20] Maßgeblich ist, welchen Sachverhalt der Ankläger dem erkennenden Gericht zur tatsächlichen Klärung und rechtlichen Beurteilung anheim gestellt hat (Ratz, WKStPO § 281 Rz 504 f, 509). Dabei kommt es auf den sich aus Tenor (§ 211 Abs 1 Z 2 StPO) und (auch im Strafantrag möglicher – Birklbauer, WK-StPO Vor § 210–215 Rz 30) Begründung der Anklage an (RISJustiz RS0097672; Ratz, WKStPO § 281 Rz 503), wobei Zweifel an der Erkennbarkeit des Prozessgegenstands zu Lasten des Anklägers ausschlagen (15 Os 13/17a; RISJustiz RS0131447; Birklbauer, WKStPO § 211 Rz 10; Ratz, WKStPO § 281 Rz 510).
[21] Bei der an Hand des prozessualen Tatbegriffs vorzunehmenden Beurteilung (RIS-Justiz RS0113142), ob ein Urteil die Anklage überschreitet, kommt es darauf an, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt meinen (vgl umfassend Wiederin, WKStPO § 4 Rz 82 ff; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14§ 262 Rz 1 ff; Lewisch, WKStPO § 262 Rz 20 ff; Ratz, WKStPO § 281 Rz 502, 505, 523).
[22] Im Rahmen der diesbezüglichen wertungsmäßigen Gesamtschau (im Sinn eines „beweglichen Systems“) kommen als (typologische, nicht aber begriffslogische – Ratz, WKStPO § 281 Rz 512) Einzelkriterien Zeit, Ort und Objekt der Tat, Modalität der Ausführung, die Bezeichnung des Tatopfers (soweit es nicht bereits Tatobjekt ist), die angestrebte Rechtsgutsbeeinträchtigung und der vom Täter ins Auge gefasste strafgesetzwidrige Erfolg in Betracht (Lewisch, WK-StPO § 262 Rz 32 ff, 44; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14§ 262 Rz 1 ff; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 512 f).
[23] Bei einer solchen Gesamtschau bezieht sich der Sachverhalt laut Schuldspruch 2 a nicht auf dieselbe Tat im prozessualen Sinn wie der diesbezügliche (unbegründete) Strafantrag vom (ON 15), der weder eine Darstellung eines einheitlichen Tatplans noch eine Konkretisierung der näheren Tatumstände enthält. Jedenfalls ließ dessen – auf Verleitung zur Auszahlung eines Darlehensbetrags von 17.000 Euro zum Ankauf eines Fahrzeugs am gerichteter – Tenor nicht erkennen, dass der Wille des Anklägers (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 504) auf die Verfolgung eines nach Terminverlust ab (somit mehrere Monate nach dem ursprünglich zur Last gelegten Tatgeschehen) gefassten Entschlusses der Angeklagten, sich durch Zueignung des im Strafantrag erwähnten – laut Urteil unter Eigentumsvorbehalt der Geschädigten stehenden und der Angeklagten daher lediglich anvertrauten – Fahrzeugs zu bereichern, gerichtet gewesen wäre. Vielmehr spricht die Zurückziehung des ursprünglich auf Veruntreuung des Fahrzeugs gerichteten Strafantrags vom gegen einen solchen Anklagewillen.
[24] Eine Ausdehnung der Anklage in Abwesenheit des Angeklagten (§ 263 StPO) ist unzulässig (Ratz, WKStPO § 281 Rz 545 dritter Absatz). Vielmehr hat der Ankläger, wenn bei der in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Hauptverhandlung eine neue Tat hervorkommt und er diese verfolgen will, nach § 210 Abs 1 StPO bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht schriftlich Anklage einzubringen (11 Os 78/19h; RISJustiz RS0111828; Lewisch, WK-StPO § 263 Rz 19).
[25] Die unzulässige Ausdehnung der Anklage in Abwesenheit der Angeklagten in der Hauptverhandlung am hat den Prozessgegenstand für die gemäß § 276a StPO neu durchgeführte Hauptverhandlung am insofern nicht rechtens erweitert.
[26] Wenngleich eine geringfügige Erweiterung der dargestellten Kriterien des angeklagten Sachverhalts (noch) nicht zu einer unzulässigen Abweichung vom Prozessgegenstand führt (Lewisch, WK-StPO § 262 Rz 49), überschreitet fallbezogen die „Modifikation“ der Darstellung des Tatgeschehens durch das erkennende Gericht die Grenzen des angeklagten Lebenssachverhalts und damit die eines Schuldspruchs (RIS-Justiz RS0098530; Lewisch, WK-StPO § 267 Rz 1).
[27] Gleiches gilt für den vom Schuldspruch 2 b umfassten Sachverhalt, nämlich einer Veruntreuung zum Nachteil der D***** GmbH & Co KG dadurch, dass Viorela C***** „den verpfändeten PKW bei Nichtzahlung der Darlehenszinsen nicht zurückstellte“. Ausgehend vom – „die Strafanträge […] wie schriftlich“ und somit die (unbegründeten) Strafanträge vom , und vom umfassenden – Anklagevortrag in der Hauptverhandlung am kann dieses Verhalten keinem der angeklagten Sachverhalte zugeordnet werden, weil sich das betrügerische Herauslocken von 2.400 Euro am laut Strafantrag vom gerade nicht mit der verurteilten Veruntreuung des in Rede stehenden Fahrzeugs ab deckt.
[28] Dass das Gericht zufolge solcherart unzulässiger Anklageüberschreitung über die entsprechenden (angeklagten) Lebenssachverhalte laut Strafanträgen vom und vom im Umfang des betrügerischen Herauslockens von 2.400 Euro – von der Staatsanwaltschaft unbeanstandet – nicht abgesprochen hat, kommt seiner Wirkung nach als Nichterledigung der Anklage (§ 281 Abs 1 Z 7 StPO) einem Freispruch gleich (RIS-Justiz RS0099646; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 526).
[29] Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil der Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof in Ausübung des ihm zukommenden Ermessens veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und den Schuldspruch 2 a und 2 b ersatzlos (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 532) sowie den Strafausspruch und den korrespondierenden Privatbeteiligtenzuspruch aufzuheben und die S***** GmbH mit ihrem Anspruch in Höhe von 18.391,31 Euro gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verwiesen (RIS-Justiz RS0101311).
[30] Diversionelles Vorgehen (§§ 198 ff StPO) wäre schon aufgrund unzureichender Verantwortungsübernahme (RISJustiz RS0126734, RS0116299; Schroll/Kert, WKStPO § 198 Rz 36/1) nicht in Betracht gekommen.
[31] Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung (zu der die Angeklagte auf ihre Beteiligung durch Anwesenheit im Gerichtstag und somit auf ihr rechtliches Gehör ausdrücklich verzichtete) war nach § 148 erster Fall StGB von einer Strafdrohung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
[32] Mildernd waren der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), das teilweise Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und der Umstand zu werten, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB). Erschwerend war das Zusammentreffen von zwei Vergehen und die mehrfache Wiederholung der Betrügereien (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).
[33] Davon ausgehend (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf der Grundlage der Schuld der Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die im Spruch genannte Sanktion als angemessen.
[34] Einer teilbedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) steht § 295 Abs 2 erster Satz StPO entgegen.
[35] Der durch den Eintritt der Rechtskraft bereits in Gang gesetzte Lauf der Probezeit wird durch eine Maßnahme nach § 292 letzter Fall StPO nicht berührt (RIS-Justiz RS0118011).
[36] Im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes besteht keine Kostenersatzpflicht (RIS-Justiz RS0110754).
[37] Von den aufgehobenen Urteilsteilen rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00072.21D.0727.000 |
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