VfGH vom 30.11.1993, b609/93

VfGH vom 30.11.1993, b609/93

Sammlungsnummer

13603

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Realteilungsvertrages; keine Bedenken gegen die Regelung über die grundsätzliche Zustimmungsbedürftigkeit eines Eigentumserwerbs im Grundverkehrsrecht auch nicht im Hinblick auf Teilungsbeschränkungen; verfassungskonforme Prognoseentscheidung bei Beurteilung der Selbstbewirtschaftung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beiden Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer eines geschlossenen Hofes iS des Tiroler Höfegesetzes, LGBl. 47/1900 (zuletzt geändert durch BGBl. 657/1989) im Ausmaß von knapp 7 ha. Ihr Antrag auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu den Rechtserwerben auf Grund des zwischen ihnen abgeschlossenen Realteilungsvertrages wurde mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§4 Abs 1 und 6 Abs 1 litc und e des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), abgewiesen.

2. Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung der beiden Beschwerdeführer wurde nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens und einer mündlichen Berufungsverhandlung mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung - der belangten Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens - vom als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidung wird im wesentlichen damit begründet, daß zwar das gesamte Areal des geschlossenen Hofes seit dem Jahre 1920 nutzungsgeteilt und durch einen künstlich geschaffenen Schutzdamm getrennt sei. Doch werde nur der eine Teil (seit Generationen) (als Nebenerwerbsbetrieb mit durchschnittlich vier Kühen und zwei Stück Jungvieh) von der Familie der Zweitbeschwerdeführerin selbst bewirtschaftet. Demgegenüber werde das landwirtschaftliche Areal des Teiles des Erstbeschwerdeführers, eines Hoteliers, seit Jahren von einem Dritten pachtweise genutzt; nur sein Wald werde von ihm selbst bewirtschaftet. Daher widerspreche dessen Eigentumserwerb dem § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Unbestritten ist in diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, daß es sich um land- und forstwirtschaftliche Grundstücke iS des § 1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 handelt und ein Rechtserwerb daran der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß § 3 Abs 1 GVG 1983 bedarf, soferne er nicht unter die Ausnahmebestimmungen des Abs 2 des § 3 leg.cit. fällt.

2.1.1. Gegen die präjudizielle Regelung des § 3 Abs 1 lita GVG 1983 bringt die Beschwerde das Bedenken vor, daß die Bestimmung bei formaler Auslegung des Begriffes "Eigentumserwerb" - wie es die belangte Behörde getan habe - zu weit gefaßt und mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht vereinbar erscheine, "da durch dieses Grundrecht zweifellos nicht nur das bücherliche, sondern auch das außerbücherliche Eigentum geschützt wird."

2.1.2. Der belangten Behörde werfen die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, sie habe dem Begriff des "Eigentumserwerbes" iS der bekämpften Bestimmung einen denkunmöglichen Inhalt unterstellt, indem sie die vorliegende Realteilung, bei der die Miteigentümer "seit mehr als 70 Jahren bereits materiellrechtlich die von ihnen bewirtschafteten jeweiligen Flächen mit allen Rechten wie ein Alleineigentümer bewirtschaften", als "Eigentumserwerb" wertete. Denn hiebei dürfe gerade eben nicht von einem "Veräußerungsgeschäft" ausgegangen werden; auch § 3 Abs 2 Grunderwerbsteuergesetz erblicke in einer wertgleichen Realteilung keinen Grunderwerb.

§ 6 Abs 1 litc GVG 1983 sei ebenfalls denkunmöglich angewendet worden, da dem Erstbeschwerdeführer "faktisch" keine Grundstücke zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen würden, "zumal er bzw. seine Rechtsvorgänger all diese Nutzungsrechte in Übereinstimmung mit allen Rechtsvorschriften unbeschränkt ausüben."

Ferner wird eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz darin erblickt, daß den Beschwerdeführern die grundverkehrsbehördliche Zustimmung nur deshalb versagt worden sei, weil der Erstbeschwerdeführer derzeit nicht dem Stand der Landwirte angehöre und seinem "Angebot", die grundverkehrsbehördliche Bewilligung unter der Auflage zu erteilen, daß er innerhalb angemessener Frist eine neue (eigene) Hofstelle errichte und die eigene Bewirtschaftung aufnehme, nicht gefolgt worden sei.

3. Die als verfassungsrechtlich bedenklich erachtete Bestimmung lautet:

"Überwachung des Grundverkehrs

§3. (1) Der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, soweit im Abs 2 nicht anderes bestimmt ist,

a) jeder originäre oder derivative Eigentumserwerb;

..."

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen § 3 Abs 1 lita GVG 1983 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (vgl. zB. VfSlg. 12916/1991, , B382/91, , B631/92). Auch durch die vorliegende Beschwerde sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt, von dieser Auffassung abzugehen:

In seinem Erkenntnis VfSlg. 11141/1986, in dem er die Teilungsbeschränkungen gemäß § 3 Abs 1 litj (nunmehr litk;

s. ArtI Z 5 des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991) GVG 1983 behandelte, wird folgendes ausgeführt:

"Das eigentliche Ziel der höferechtlichen Teilungsbeschränkungen besteht wie im Grundverkehrsrecht in der (vorbeugenden) 'Überwachung des Grundverkehrs' (so die Rubrik des zweiten Abschnittes des GVG 1983) im Interesse der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes.

Daß auch die Erhaltung einzelner ('walzender') land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke bestimmter Größe der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlichen gesunden mittleren und kleineren landwirtschaftlichen Grundbesitzes dient, ist nicht zweifelhaft."

In jenem Verfahren, das der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen eingeleitet hatte, hatte er keinerlei Bedenken dahingehend, daß derartige Teilungsbeschränkungen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzen; andere Bedenken sind auch aus Anlaß dieses Beschwerdefalles nicht entstanden (vgl. auch VfSlg. 10893/1986).

3.2. Da auch gegen die übrigen Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. zu § 6 Abs 1 litc GVG 1983 etwa VfSlg. 12823/1991, , B382/91, , B530/92), sind die Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

4. Angesichts der zu Punkt II.3.1. angestellten Überlegungen ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften einen denkunmöglichen oder gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, zumal sich die belangte Behörde bei Fällung der nach § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 erforderlichen Prognoseentscheidung auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stützen konnte, wonach sie bei ihrer Entscheidung nicht auf allfällige, in fernerer Zukunft mögliche Entwicklungen, sondern auf die Rechts- und Tatsachenlage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen hat (vgl. VfSlg. 12916/1991, ).

Die Beschwerdeführer sind deshalb durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden. Eine Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte unter den gegebenen Umständen nur vorliegen, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

Daß solches der belangten Behörde vorgeworfen werden könnte, wird aber in der Beschwerde gar nicht vorgebracht; das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß dies der Fall wäre.

Die Beschwerdeführer sind sohin durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

5.1. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid aber auch in dem durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, nicht verletzt worden. Dem in diese Richtung zielenden, überhaupt nicht näher ausgeführten Beschwerdevorwurf ist entgegenzuhalten, daß sich dieses Grundrecht, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. VfSlg. 10745/1986, 10896/1986 und ), nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art 6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art 6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986).

5.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Entscheidung, daß der Rechtserwerb des Erstbeschwerdeführers § 4 Abs 1 iVm.

§6 Abs 1 litc GVG 1983 widerspreche, nicht getroffen, um den Erwerb der in Rede stehenden Liegenschaften zugunsten eines Landwirtes, der diese zu erwerben beabsichtige, zu verhindern. Vielmehr erfolgte die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsrechtlicher Interessen deshalb, weil nach Ansicht der belangten Behörde die in § 4 Abs 1 GVG 1983 umschriebenen Voraussetzungen nicht vorlagen.

6. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.

7. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem nicht von ihnen geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, etwa dem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, verletzt worden wären.

8. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.