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OGH vom 24.01.2020, 8ObA74/19v

OGH vom 24.01.2020, 8ObA74/19v

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch MM Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 18.229,17 EUR brutto sA und Ausstellung eines Dienstzeugnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 18.229,17 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 63/19t-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RIS-Justiz RS0017797; vgl RS0017915). Treten nach Abschluss des Geschäfts Konfliktfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden, dann ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RS0017758). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936 ua). Dies gilt auch für die ergänzende Vertragsauslegung (RS0042936 [T41]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt der Revisionswerber hier aber nicht auf:

2.1 Der Dienstvertrag des vom bis als Exportmanager bei der Beklagten beschäftigten Klägers enthielt folgende Klausel:

„Zusätzlich zum in Punkt III./3. vereinbarten monatlichen All-in-Bruttobezug erhält der Arbeitnehmer eine jährliche Gehaltskomponente variabel von 15.000 EUR bis 20.000 EUR brutto. Diese wird in einer gesonderten Vereinbarung jährlich neu definiert. Die Endabrechnung wird nach Ende des Wirtschaftsjahres durchgeführt.“

2.2 Mit dieser Regelung haben die Parteien nach Ansicht der Vorinstanzen keinen dem Kläger ohne weitere Voraussetzung zusätzlich zum „Grundgehalt“ zustehenden Gehaltsbestandteil, sondern eine an das Erreichen noch nicht definierter Ziele geknüpfte Prämie vereinbart.

Dieses Auslegungsergebnis ist von den Feststellungen gedeckt, dass der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten anlässlich des Einstellungsgesprächs nach Einigung über den All-in-Bezug des Klägers (nur) über einen „variablen Gehaltsbestandteil“ sprachen, der Kläger den Vertragspunkt so verstand, „dass die Erreichung der jährlichen variablen Gehaltskomponente von einem gewissen Umsatz abhängig sein werde, den er machen müsse, und dass man sich nach einer gewissen Einschulungszeit zusammensetzen werde, um das näher zu definieren“, und damit auch einverstanden war. Eine entsprechende Parteienabsicht auf Seiten der Beklagten zeigt sich in der von ihr zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs im März 2018 vorgeschlagenen (vom Kläger allerdings ohne feststellbare Begründung nicht unterschriebenen) Ausführungsvereinbarung.

Demgegenüber fehlen konkrete Anhaltspunkte für die Ansicht des Klägers, dass ihm eine zusätzliche Gehaltskomponente von 15.000 EUR jedenfalls als Fixum zustehen sollte und sich die im Dienstvertrag in diesem Zusammenhang angesprochene Variabilität nur auf den Zusatzbetrag von 5.000 EUR beziehe. So vermag auch der Kläger nicht zu erklären, aus welchem Grund die Parteien ein allfälliges weiteres Fixum von 15.000 EUR jährlich nicht in den vereinbarten All-in-Bezug hätten einrechnen sollen.

2.3 § 915 ABGB findet nur subsidiär Anwendung, wenn sich die Undeutlichkeit nach den im § 914 ABGB normierten Auslegungsregeln nicht – wie hier – beheben lässt (RS0017752; RS0017951).

3.1 Mangels Nennung bestimmter Ziele in der getroffenen Rahmenvereinbarung und Zustandekommen einer Ausführungsvereinbarung hat das Berufungsgericht den Vertrag dahin ergänzend ausgelegt, dass die variable Gehaltskomponente bei einem stark wachsenden Unternehmer wie hier von einer vom Kläger bewirkten Umsatzsteigerung und/oder von der Akquirierung von Neukunden abhängig zu machen sei. Der von der Beklagten dem Kläger unterbreitete Vereinbarungsvorschlag war nach den Feststellungen auch realistisch. Ein solcher Verwendungserfolg sei aber weder behauptet noch festgestellt worden.

An dieser Beurteilung weckt der Kläger mit seinem Hinweis darauf, dass abgesehen von einem individuellen Verwendungserfolg auch bilanzabhängige Kennzahlen im Sinne von § 14 AngG als Voraussetzung für die Gewährung einer Prämie in Betracht kämen, keine Bedenken, weil nach den Feststellungen die Parteien übereinstimmend von Verwendungserfolg ausgingen.

3.2 Die auf den Zuspruch eines angemessenen Entgelts nach § 1152 ABGB (in Orientierung am in Aussicht genommenen Bonus) abzielenden Ausführungen des Klägers laufen ins Leere: Die Frage nach der Höhe der Prämie stellt sich erst, wenn ihre Voraussetzungen dem Grunde nach eingetreten sind.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger während seiner gesamten Tätigkeit bei der Beklagten keinen namhaften Zusatzumsatz bzw keine maßgebliche Erhöhung des Absatzes erreichen konnte, ohne dass die Beklagte Maßnahmen setzte, die es dem Kläger unmöglich gemacht hätten, erfolgreicher tätig zu sein.

Der Revisionswerber zeigt nicht nachvollziehbar auf, warum ihm trotz Zielverfehlung auch nur ein Teil der eingeklagten Prämie zustehen sollte. Für die Annahme, dass ein erfolgsunabhängiger Bonus für das Rumpfjahr vom bis Ende Februar 2018 bzw die sich damit überschneidende Einschulungszeit vereinbart worden wäre, gibt es keine Sachverhaltsgrundlage, zumal der Kläger selbst die Umsetzung der Rahmenvereinbarung erst „nach einer gewissen Einschulungszeit“ erwartete.

3.3 Einen Schadenersatzanspruch hat der Kläger nicht geltend gemacht. Ob die Beklagte eine Verhandlungspflicht verletzt hat und sie daher an der fehlenden Zielfestsetzung ein Verschulden trifft (vgl 9 ObA 163/16k), kann somit dahingestellt bleiben.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00074.19V.0124.000

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