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OGH vom 06.12.2000, 9ObA214/00m

OGH vom 06.12.2000, 9ObA214/00m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Norbert Riedl und Univ. Prof. Dr. Walter Schramel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Beschäftigten der Burgenländischen Landwirtschaftskammer, Esterhazystraße 15, 7000 Eisenstadt, vertreten durch Dr. Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Burgenländische Landwirtschaftskammer, Esterhazystraße 15, 7000 Eisenstadt, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wiener Neustadt, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (S 500.000 sA), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 75/00h-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 17 Cga 58/99s-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

29.679 (darin S 4.946,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 34.625 (darin S 3.562,50 Umsatzsteuer und S 13.250 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am die Dienstpragmatik 1960, bestehend aus Dienst-, Bezugs-, Titel- und Pensionsordnung. Der Wirksamkeitsbeginn wurde mit festgelegt, ausgenommen jener der Bezugsordnung, der schon mit eintreten sollte. Gemäß § 43 Abs 2 Dienstordnung 1960 tritt die vorhergehende Dienstpragmatik in allen Punkten außer Kraft. Die Burgenländische Landesregierung als Aufsichtsbehörde genehmigte die Dienstpragmatik 1960 erst mit Beschluss vom .

Der klagende Betriebsrat begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass alle vor dem (allenfalls provisorisch) angestellten Dienstnehmer der Beklagten auf Grund der Dienstpragmatik und der Bezugsordnung 1933/34 pragmatisierte (definitive) Angestellte der Beklagten seien und ihre Pensionsansprüche daraus ableiten. Der Kläger beruft sich dabei auf 18 namentlich genannte "pragmatisierte" Dienstnehmer, deren Dienstverhältnisse im Zeitraum bis begründet worden seien. Bei Beginn dieser Dienstverhältnisse habe noch die Dienstpragmatik 1934 und die Bezugsordnung 1933 gegolten. Die Dienstpragmatik 1960 sei zwar bereits von der Vollversammlung beschlossen gewesen, mangels Genehmigung durch die Burgenländische Landesregierung aber noch nicht wirksam geworden. Die Genehmigung sei erst am erfolgt. Es sei "daher" davon auszugehen, dass Bedienstete der Beklagten, die ihre Dienstverhältnisse vor der Genehmigung begründet haben, noch der bis geltenden Dienstpragmatik 1934 und Bezugsordnung 1933 zu unterstellen seien. Auf Grund der Dienstpragmatik 1934 habe ein Dienstnehmer die Definitivstellung durch Verleihung oder nach Ablauf einer provisorischen Dienstzeit erlangt und damit Pensionsansprüche nach dem Pensionsstatut erworben. Diese Rechte könnten den Dienstnehmern nicht durch einseitige Erklärung des Dienstgebers genommen werden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die vom Kläger genannten Bediensteten nicht "pragmatisiert", sondern vertragsmäßig Beschäftigte im Sinne der Dienstpragmatik 1960 seien. Ab der Vollversammlung vom seien Beschäftigungsverhältnisse von der Beklagten nur mehr auf Grund der Dienstpragmatik 1960 eingegangen worden. Jeder Dienstnehmer habe zumindest seit 1968 durch seine Unterschrift die Dienstpragmatik 1960 anerkannt, die damit Inhalt der Einzeldienstverträge geworden sei. Dies ergebe sich auch aus der Verwendung verschiedener Begriffe in den Dienstverträgen, die nur in der Dienstpragmatik 1960 vorkommen. Es mangle der Klage auch an einem rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen vetrat es die Rechtsauffassung, dass die Dienstordnung der Beklagten über die Rechte und Pflichten der "Beamten" und sonstigen Angestellten sowie die besonderen Vorschriften der Beklagten über die Ansprüche auf Besoldung und Ruhegenüsse der Genehmigung der Burgenländischen Landesregierung bedürfen (§ 26 Abs 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Landwirtschaftskammer [Bauernkammer] für das Burgenland). Schon seinem Wortlaut nach bedeute "Genehmigung", dass ein bereits gesetzter Rechtsakt zu seiner Wirksamkeit der nachträglichen Zustimmung des genehmigungsberechtigten Organs bedürfe. Solange diese Genehmigung nicht erteilt werde, sei der gesetzte Rechtsakt schwebend unwirksam. Erst durch die nachträgliche Genehmigung entfalte er seine vollen Rechtswirkungen. Der Zeitpunkt der Genehmigung sage nichts darüber aus, in welchem Zeitpunkt die Rechtswirkungen eintreten; sie treten gemäß dem Inhalt des Rechtsaktes ein. Dementsprechend seien die Rechtswirkungen der Dienstpragmatik 1960 auf Grund der aufsichtsbehördlichen Genehmigung vom bereits mit eingetreten bzw im Fall der Bezugsordnung 1957 betreits mit . Die vom Feststellungsbegehren umfassten Dienstverhältnisse der in der Klage genannten Dienstnehmer unterlägen daher der Dienstpragmatik 1960 und nicht der Dienstpragmatik 1934 sowie der Bezugsordnung 1933. Im Übrigen mangle es dem Feststellungsbegehren am notwendigen rechtlichen Interesse. Es könne nämlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht festgestellt werden, ob nicht einer der sowohl im Pensionsstatut 1933/34 als auch in der Pensionsordnung 1960 normierten Ruhegehaltsversagungsgründe eintreten werde. Es handle sich daher bei der begehrten Feststellung um eine abstrakte Rechtsfrage, deren Lösung wegen der Unbestimmtheit des weiteren Verhaltens der vom Feststellungsbegehren betroffenen Dienstnehmer und der Beklagten nicht von vornherein geeignet sei, weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es bejahte zunächst das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung, meinte jedoch, die Frage, ob alle nach dem bzw eingestellten Dienstnehmer der Dienstpragmatik 1960 bzw der Bezugsordnung 1957 unterliegen, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Die ausdrückliche Genehmigung durch die Burgenländische Landesregierung sei zwar erst am erfolgt, eine frühere schlüssige Genehmigung sei jedoch nicht auszuschließen. Um die Voraussetzungen hierfür gemäß § 863 ABGB beurteilen zu können, sei das Ersturteil aufzuheben; das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren auf die Erstattung der erforderlichen Angaben und Beweisanträge hinzuwirken haben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig; der "Rechtskraftvorbehalt" beruhe auf § 45 Abs 3 ASGG.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Ersturteil zu bestätigen.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Landwirtschaftskammer für das Burgenland ist eine Körperschaft öffentlichen Rechtes (§ 2 Bgld LWKG), die der Aufsicht der Landesregierung untersteht (§ 4 Abs 1 Bgld LWKG). Sie hat ein Kammeramt, dem die Besorgung der Geschäfte der Landwirtschaftskammer unter der Leitung des Präsidenten obliegt (§ 25 Bgld LWKG). Die erforderlichen Dienstvorschriften für das Kammeramt und dessen Angestellte werden von der Landwirtschaftskammer unter Zustimmung der Landesregierung erlassen (§ 26 Abs 1 Bgld LWKG). Die dauernd Angestellten des Kammeramtes sind, soweit es sich nicht um die Tätigkeit der Kammer als Wirtschaftskörper (§ 2) handelt, als Organe der öffentlichen Verwaltung anzusehen und haben ein von der Landesregierung im Einvernehmen mit der Kammer vorzuschreibendes Dienstgelöbnis zu leisten. Die Rechte und Pflichten der Beamten und sonstigen Angestellten werden in einer Dienstordnung, die Ansprüche auf Besoldung und Ruhegenüsse in besonderen Vorschriften festgelegt, die von der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer zu beschließen sind und der Genehmigung der Landesregierung bedürfen. Die Kammer hat einen Pensionsfonds zu bilden und für die versicherungstechnische Deckung der Ruhegenüsse durch die Einstellung eines entsprechenden Betrages in ihrem jährlichen Voranschlag Sorge zu tragen (§ 26 Abs 2 Bgld LWKG).

Der Kläger und die Vorinstanzen orientieren sich in ihrer Argumentation ausschließlich an der Frage des Zeitpunkts der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der von der Vollversammlung der Beklagten beschlossenen Dienstordnung und sonstigen besonderen Vorschriften gemäß § 26 Abs 2 Bgld LWKG und den Auswirkungen einer erst 14 Jahre nach Beschlussfassung erfolgten Genehmigung auf die im Zeitraum zwischen Beschlussfassung und Genehmigung begründeten Dienstverhältnisse. Die Lösung des Problems lässt sich jedoch nur aus der Rechtsnatur der Dienstpragmatik bzw Dienst- und Bezugsordnung und der zu ihrer Wirksamkeit erforderlichen Genehmigung gewinnen. Diese Genehmigung ist, wie der Oberste Gerichtshof schon zu SZ 44/146 ausgesprochen hat, ein Akt der Aufsicht. Sie ergeht ausschließlich im Verhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Selbstverwaltungskörper. Diese Beziehung ist öffentlich-rechtlicher Natur, die darin ergehenden Rechtsakte der Aufsichtsbehörde sind Hoheitsakte (Reischauer/Rummel in ZAS 1973/17, 139).

Träger der beruflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung wie beispielsweise die Landwirtschaftskammern haben keine Kompetenz, die Dienstverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern durch einseitigen hoheitlichen Akt, d.h. durch Satzungen (Verordnungen) oder Bescheide zu regeln. Das Verhältnis zwischen Selbstverwaltungskörpern und ihrem Personal ist nicht Gegenstand der Selbstverwaltung. Eine verfassungskonforme Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen, die die Aufstellung von Dienst- und Bezugsordnungen etc anordnen, muss deshalb notwendigerweise zum Ergebnis kommen, dass diese "Ordnungen" als solche gegenüber den Dienstnehmern keinen normativen Charakter haben. Für die Beziehungen zwischen beiden Parteien steht ausschließlich die privatrechtliche Ebene, also der Dienstvertrag, zur Verfügung (so ausdrücklich § 460 Abs 1 Satz 1 ASVG), und zwar gleichermaßen für die Vertragsbediensteten wie für die (irreführend als solche bezeichneten) "Beamten". Eine rechtliche Bindung besteht nur auf Grund und nach dem Inhalt des Vertrags. Dienstordnungen, Bezugsordnungen etc sind mangels einer materiellen Gesetzgebungskompetenz nur Vertragsschablonen, die erst durch vertragliche Unterwerfung Geltung zwischen den Parteien des Dienstverhältnisses erlangen (Lora, JBl 1957, 527 [528, 531]; Reischauer/Rummel aaO; vgl Walter, ZAS 1967/6, 26; vgl auch Vertragsbedienstetenordnungen einzelner Städte in RIS-Justiz RS0059222 und RS0109458; vgl RdW 1999, 605). In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem, der zu SZ 44/146 zu beurteilen war. In diesem Vorprozess hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der Genehmigung gemäß § 26 Abs 2 Bgld LWKG auseinander zu setzen; dort war jedoch nicht strittig, ob sich ein Dienstnehmer einer bestimmten Dienstordnung unterworfen hatte, sondern ob die Beklagte überhaupt in Einzeldienstverträgen eine bestimmte Dienstpragmatik noch vor deren aufsichtsbehördlicher Genehmigung wirksam vereinbaren konnte.

Aus dem Vorgesagten folgt aber die Unschlüssigkeit des vorliegenden Feststellungsbegehrens. Der Kläger leitet nämlich die begehrte Feststellung, dass alle vor dem angestellten Dienstnehmer der Beklagten auf Grund der Dienstpragmatik und der Bezugsordnung 1933/34 "pragmatisierte" Angestellte der Beklagten seien und ihre Pensionsansprüche daraus ableiten, ausschließlich daraus ab (arg daher), dass die in der Zeit zwischen und geschlossenen Dienstverhältnisse eine Situation vorfanden, in der die neue Dienstpragmatik 1960 zwar bereits beschlossen, jedoch noch nicht aufsichtsbehördlich genehmigt war. Der Kläger meint deshalb, dass die vorherige Dienstpragmatik 1934 und Bezugsordnung 1933 weiter gelten müssen. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Frage der aufsichtsbehördlichen Genehmigung primär für das Verhältnis zwischen Selbstverwaltungskörper und Aufsichtsbehörde relevant ist. Für das hier festzustellende Verhältnis zwischen Beklagter und bestimmten Dienstnehmern ist jedoch nicht entscheidend, welche Dienstpragmatik gerade beschlossen und genehmigt war, sondern ob und welche dieser "Ordnungen" in den jeweiligen Dienstverträgen Gegenstand privatrechtlicher Einzelvereinbarungen wurden. Hierauf wird das Feststellungsbegehren aber gar nicht gestützt und auch nicht behauptet, dass die Beklagte etwa ungeachtet der allfälligen, auch in der Zeit nach dem erfolgten privatrechtlichen Vereinbarung der Dienstpragmatik 1934 bzw der Bezugsordnung 1933 bestreite, dass diese zur Anwendung zu kommen haben.

Das Feststellungsbegehren ist daher unschlüssig, weil das begehrte Recht nicht aus den hiezu aufgestellten Behauptungen folgen kann (Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 Rz 13 vor § 226; DRdA 1999/8 [Burgstaller]); es ist daher abzuweisen (RIS-Justiz RS0039201, RS0085698). Beruht die (allfällige) Unvollständigkeit der Sachverhaltsbehauptungen auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, kommt ein Verbesserungsauftrag nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0085698). Zufolge Spruchreife kann in Stattgebung des Rekurses gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils, welches das Feststellungsbegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat, erkannt werden. Ausführungen zur Frage des rechtlichen Interesses im Sinne des § 54 Abs 1 ASGG und der Geltung und Wirksamkeit der Dienstpragmatik 1960 sind entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Für die Berufungsbeantwortung gebührt der Beklagten gemäß § 23 Abs 9 RATG nur der dreifache Einheitssatz, weil keine Berufungsverhandlung stattfand.