OGH vom 02.05.2000, 10ObS367/99i

OGH vom 02.05.2000, 10ObS367/99i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf und die fachkundigen Laienrichter Franz Ovesny (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Richard Thöndel (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margaretha P*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 171/99z-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 21 Cgs 22/99d-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren ist nur strittig, ob der Pflegeaufwand der Klägerin für ein zweimal wöchentliches Wannen- oder Duschbad zusätzlich zur täglichen Körperpflege zu berücksichtigen ist, sodass bei der Klägerin zusätzlich zum unstrittigen Pflegebedarf von insgesamt 118 Stunden monatlich noch weitere 3 1/2 Stunden bis 4 Stunden monatlich zu berücksichtigen wären, womit die Klägerin in den Bereich der Pflegegeldstufe 3 (durchschnittlich mehr als 120 Stunden monatlich) käme. Dies wurde vom Berufungsgericht mit zutreffender Begründung verneint, sodass hierauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass die Notwendigkeit der Hilfe bei einem Wannenvollbad für sich allein grundsätzlich, außer bei medizinischer Notwendigkeit, nicht unter den in § 1 Abs 4 1. Fall EinstV angeführten Begriff der "täglichen Körperpflege" fällt (SSV-NF 8/55, 8/61, 8/67, 8/74, 8/79 uva). Dafür spricht, dass § 1 Abs 2 EinstV unter Betreuungshandlungen ua solche "bei der Körperpflege" schlechthin nennt, in § 1 Abs 4 EinstV zeitliche Mindestwerte aber nur für die "tägliche Körperpflege" festgelegt werden (Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 186 f; SSV-NF 8/74, 8/80 ua). Alle diese Entscheidungen gingen aber davon aus, dass der Betroffene nur bei der Ganzkörperreinigung Hilfe benötigte, nicht aber bei der sonstigen täglichen Körperpflege. Im vorliegenden Fall umfasst aber der Bedarf nach Hilfe die tägliche Körperpflege und auch die Ganzkörperreinigung. Diese ist aber ein Teil der täglichen Körperpflege. Die tägliche Körperpflege stellt gleichsam das gesellschaftlich anerkannte Mindestmaß für den für die jeweilige Verrichtung notwendigen zeitlichen Aufwand dar (Pfeil aaO 184), für den daher zeitliche Erfahrungswerte als Mindestwerte festgesetzt werden können. Der sonstige von den zeitlichen Vorgaben des § 4 EinstV nicht erfasste Zeitaufwand ergibt sich nach allgemeiner und richterlicher Lebenserfahrung (Pfeil aaO 197). Abweichungen von den Mindestwerten nach § 1 Abs 4 EinstV sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Betreuungsaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Überschreitung um annähernd die Hälfte erfolgt (Pfeil aaO 184; SSV-NF 9/47).

Eine gründliche vollständige Ganzkörperreinigung, unter der nicht nur das Duschen oder Baden, sondern auch das normale gründliche Waschen des ganzen Körpers zu verstehen ist (10 ObS 291/92), begründet einen regelmäßigen Bedarf, der als ständiger Pflegebedarf im Sinne des § 4 Ab 1 BPGG und § 5 EinstV anzusehen ist. Auch die Ganzkörperreinigung wie sie auch immer durchgeführt werden mag, entspricht den Verrichtungen, ohne die der pflegebedürftige Mensch letztlich der Verwahrlosung ausgesetzt würde. Diesem Pflegebedarf, der wie ein Wannenvollbad nichts anderes als Körperpflege ist kommt grundsätzlich keine selbständige Bedeutung bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes zu, wenn Hilfe bei der täglichen Körperpflege erforderlich ist (SSV-NF 11/17; 10 ObS 370/98d). Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Versicherten, die in der Lage sind, die tägliche Körperpflege bis auf ein zweimal wöchentliches Wannenbad selbständig vorzunehmen, und Versicherten, die weder das eine noch das andere selbständig vornehmen können, ist damit nicht verbunden.

Dies bedeutet, dass die Fremdhilfe beim Duschen oder Baden zusätzlich zur erforderlichen Hilfe bei der täglichen Körperpflege nur dann zu einer Abweichung von den in § 1 Abs 4 EinstV angeführten Mindestwerten für tägliche Körperpflege führt, wenn der tatsächlich dabei auftretende Betreuungsaufwand den Mindestwert aus besonderen Gründen um annähernd die Hälfte überschreitet (SSV-NF 11/17; 10 ObS 370/98d). Dies ist aber hier nicht der Fall. Der Betreuungsbedarf der Klägerin beträgt daher 118 Stunden pro Monat, was aber nur einen Pflegebedarf der Stufe 2 begründet.

Aus dem Hinweis der Revisionswerberin auf § 42 Abs 3 StVG ist für den Klagsstandpunkt nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung sieht vor, dass Strafgefangene täglich so viel warmes Wasser zu bekommen haben, dass sie sich gründlich reinigen können. Darüber hinaus ist ihnen so oft, wie es nötig ist, mindestens aber zweimal wöchentlich, Gelegenheit zu einem warmen Brause- oder Vollbad zu geben. Darüber, ob dem Wannenbad selbständige Bedeutung bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes zukommt, wenn Hilfe bei der täglichen Körperpflege erforderlich ist, wird nichts ausgesagt.

Der Vollständigkeit halber ist auch noch darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die am in Kraft getretene Novelle zum BPGG BGBl I 1998/111 und das zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene gerichtliche Verfahren gemäß § 48 Abs 1 BPGG für die Zeit bis zum für die Beurteilung des Anspruches der Klägerin die Bestimmungen des § 4 BPGG vor der Novelle samt EinstV BGBl 1993/314 zugrunde zu legen sind (10 ObS 372/97x; 10 ObS 165/99h ua). Für die Zeit ab dem ist der Anspruch hingegen nach der neuen Rechtslage zu beurteilen, wobei allerdings die zitierte EinstV erst mit Wirksamkeit vom aufgehoben und durch die neue EinstV BGBl II 1999/37 ersetzt wurde. Die Anwendung der neuen Rechtslage führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis; die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 4 Abs 2 Stufe 2 und 3 BPGG und des § 1 Abs 4 1. Fall EinstV blieben nämlich unverändert.

Der unbegründeten Revision der Klägerin war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.