OGH vom 26.05.2004, 9ObA6/04d

OGH vom 26.05.2004, 9ObA6/04d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Anton Gabmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1) Milan V*****, Arbeiter, *****, 2) Veselin R*****, Arbeiter, *****, beide vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1a, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei A***** GmbH, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 117/03g-36, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 12 Cga 233/01y-27, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Rekursgegner haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Beschluss :

Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie in den in ihren Klagebegehren angegebenen Zeiträumen bei der Nebenintervenientin im Rahmen eines dem BUAG unterliegenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt gewesen seien.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Den Klägern fehle ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Allfällige Ansprüche auf Urlaubsentgelt, für die die Feststellung von Interesse sein könnte, seien mit Leistungsklage geltend zu machen. Abfertigungsansprüche aus den behaupteten Arbeitsverhältnissen seien schon nach dem Vorbringen der Kläger selbst zu verneinen. Für das Ausmaß des Urlaubsanspruchs der Kläger könne die begehrte Feststellung nur relevant sein, wenn die Kläger auch weiterhin bestimmte Mindestzeiten an Beschäftigungsdauer als Bauarbeiter erreichen würden; dazu müsste der Erstkläger allerdings bis zu seinem 70. Lebensjahr durchgehend arbeiten, der Zweitkläger sogar bis zu seinem 72. Lebensjahr. Dies widerspreche jeder Lebenserfahrung. Das Klagebegehren sei überdies unberechtigt, weil die Klägerin einen Mischbetrieb iSd § 3 BUAG geführt habe und daher nur jene Arbeitnehmer dem BUAG zu unterstellen seien, die tatsächlich Tätigkeiten iSd § 2 BUAG verrichtet hätten. Dies sei bei den Klägern nicht der Fall gewesen.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Es bejahte das Feststellungsinteresse der Kläger, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die begehrte Feststellung für das Ausmaß des Urlaubsanspruchs der Kläger Relevanz erlangen könne. Inhaltlich sei das Klagebegehren berechtigt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Rekursgericht dieses Urteil auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Ferner sprach das Berufungsgericht aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht bejahte ebenfalls das Feststellungsinteresse der Kläger, erachtete aber die Feststellungen des Erstgerichtes als zur Beurteilung der Berechtigung des Klagebegehrens nicht ausreichend.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage des rechtlichen Interesses an der Feststellung von Beschäftigungszeiten nach dem BUAG für den Fall, dass die Arbeitnehmer die notwendige Zahl von Anwartschaftswochen für das höhere Urlaubsausmaß gemäß § 4 Abs 1 BUAG mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichen werden, fehle. Auch zu den Voraussetzungen des § 13b Abs 1 Z 2 BUAG und zu § 3 Abs 4 BUAG sei Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorhanden.

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Beklagten ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass Bedenken gegen die Wirksamkeit der Zustellung des Berufungsurteils an den Vertreter der Nebenintervenientin bestehen. Schon die an ihn verfügte Zustellung der Gleichschrift der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung konnte nicht bewirkt werden, weil die Sendung von der Post mit dem Vermerk "unbekannt" an das Gericht rückübermittelt wurde. Dessen ungeachtet wurde auch der angefochtene Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes an der bisherigen Adresse des Vertreters der Nebenintervenientin zugestellt. Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung; die Sendung wurde jedoch in der Folge nicht behoben. Da in weiterer Folge auch die Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses scheiterte - die Sendung wurde von der Post mit dem Vermerk "laut Auskunft verzogen" zurückgestellt - bestehen erhebliche Bedenken dagegen, dass der Vertreter der Nebenintervenientin zum Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsurteil durch Hinterlegung am Zustellort wohnhaft war.

Nähere Überlegungen über die Folgen dieses Umstands sind im Rahmen dieser Entscheidung jedoch entbehrlich, weil sie nur aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels wahrzunehmen wären. Das hier zu beurteilende Rechtsmittel ist aber - wie zu zeigen sein wird - unzulässig. Die Frage der Beteiligung der Nebenintervenientin am Verfahren wird jedoch zu klären sein, wobei auch zu beachten sein wird, dass die Nebenintervenientin - als Folge der Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens - bereits vor Erhebung der Klage im Firmenbuch gelöscht wurde und Behauptungen, sie verfüge noch über Vermögen, von niemandem aufgestellt wurden.

In der Sache selbst ist wie folgt auszuführen:

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO iVm § 1 ASGG an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit des Rekurses nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nach dem Feststellungsinteresse der Kläger die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt und der Rekurs zu den weiteren im Zulassungsausspruch genannten Rechtsfragen keine Ausführungen enthält.

Richtig ist, dass nur die konkrete Möglichkeit eines Schadenseintritts oder einer Leistungsverpflichtung aus anderen Rechtsgründen eine ausreichende Interessengrundlage für ein Feststellungsbegehren darstellt; die bloß theoretische Möglichkeit eines abstrakt-hypothetischen Schadenseintritts oder der Entstehung allfälliger sonstiger Ansprüche reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses gemäß § 228 ZPO hingegen nicht aus (RIS-Justiz 7 Ob 75/01g und die dort angeführten Nachweise aus der Rechtsprechung). Sache des Feststellungsklägers ist es daher, aufzuzeigen, welcher Art die möglichen Ansprüche sein könnten, wobei der anspruchsbegründende Sachverhalt zumindest in groben Umrissen behauptet werden muss (9 ObA 155/98d). Hier ist die Art der möglichen Ansprüche der Kläger schlüssig und nachvollziehbar dargestellt worden; fraglich ist nur, ob die für die Entstehung der Ansprüche weiter erforderlichen Voraussetzungen eintreten werden. Dass dies nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, bestreitet auch die Rekurswerberin nicht. Ob der Eintritt anspruchsbegründender Tatsachen so unwahrscheinlich ist, dass letztlich keine realistische Möglichkeit der Relevanz der begehrten Feststellung mehr bleibt, ist aber eine nur im konkreten Einzelfall zu beantwortende Frage, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit eines außerordentlichen Rechtsmittels nicht rechtfertigen kann. Da die Rechtsauffassung der zweiten Instanz jedenfalls nicht unvertretbar ist, fehlt es daher an einer die Zulässigkeit des Rekurses rechtfertigenden Rechtsfrage.

Bei den nunmehr aufgestellten Tatsachenbehauptungen, die die Unmöglichkeit bzw extreme Unwahrscheinlichkeit der Entstehung von Ansprüchen untermauern sollen, handelt es sich - wie die Rekurswerberin selbst erkennt - um unzulässige Neuerungen, auf die der Oberste Gerichtshof nicht Bedacht nehmen kann.

Auf den Umstand, dass das Berufungsgericht das rechtliche Interesse des Zweitklägers auch damit begründete, dass bei ihm mangels ausreichender Feststellungen die Möglichkeit der (abfertigungsrechtlich relevanten) Erfüllung der Voraussetzungen des § 13b Abs 1 Z 2 BUAG nicht ausgeschlossen werden könne, braucht daher gar nicht mehr eingegangen zu werden.

Zu den weiteren vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen. Es war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Kosten der Rekursbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Rekursgegnerin auf die Unzulässigkeit des vom Berufungsgericht zugelassenen Rekurs nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962; zuletzt etwa 9 ObA 268/00b; 9 ObA 108/02a).