OGH vom 28.03.2012, 8Ob61/11w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen I***** H*****, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in Wels, wegen Beendigung der Sachwalterschaft, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 394/10f 56, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom , GZ 4 P 93/07w 51, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sachwalterschaftssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurde dem Betroffenen ein Rechtsanwalt als Sachwalter zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt. Die Grundlage dafür bildete ein ärztliches Gutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie, das dem Betroffenen ein starres und auf subjektive Vorstellungen unkorrigierbar fixiertes Denksystem in Bezug auf eine konkrete Auseinandersetzung mit einer ehemaligen Bestandgeberin bescheinigte, im Übrigen jedoch keine relevanten psychischen Auffälligkeiten konstatierte. Allerdings bestehe die Gefahr, der Betroffene werde sich mangels Einsichtsfähigkeit in der bewussten Sache in eine aussichtslose Rechtssituation begeben und finanzielle Nachteile durch das Auflaufen von Prozesskosten erleiden.
Anlass des Verfahrens war das Begehren des Betroffenen gegen seine Bestandgeberin auf Zahlung einer Investitionsablöse. Sein Versuch, die Ablösesumme einzuklagen, scheiterte bereits im Jahre 2007 an der rechtskräftigen Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit (6 Nc 1/05g). Seither hat der Betroffene soweit aus dem Akt ersichtlich keinerlei weiteren zivilrechtlichen Schritte gegen die ehemalige Bestandgeberin zur Durchsetzung seines behaupteten Anspruchs unternommen.
Im Zuge der beabsichtigten Klagsführung hatte der Betroffene allerdings auch die Behauptung aufgestellt, der schriftliche Bestandvertrag sei von seinem Vertragspartner ge bzw verfälscht worden, wofür er im Strafverfahren 16 U 385/06m des Erstgerichts rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt wurde. Im August 2010 stellte der Betroffene einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Wiederaufnahmeantrags im Strafverfahren, der jedoch einerseits mangels Genehmigung durch den Sachwalter, andererseits wegen Aussichtslosigkeit in Ermangelung neuer Beweismittel abgewiesen wurde.
Am beantragte der Betroffene aus Anlass seines Ehescheidungsverfahrens die Aufhebung der Sachwalterschaft.
Der Sachwalter berichtete, es habe sich an der uneinsichtigen Haltung des Betroffenen in der Angelegenheit des ehemaligen Bestandverhältnisses nichts geändert, allerdings seien keine offenen Angelegenheiten zu besorgen, weshalb er die Beendigung der Sachwalterschaft befürworte (ON 40).
Das Erstgericht wies den Antrag auf Aufhebung der Sachwalterschaft ohne Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung ab. Die psychische Problematik des Betroffenen sei offenkundig unverändert, was sich zuletzt auch an dem Verfahrenshilfeantrag zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens manifestiert habe, daher seien die materiellen Voraussetzungen für die Bestellung des Sachwalters weiterhin gegeben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die Verfahrensführung des Erstgerichts und führte aus, es stehe aufgrund des neuerlichen Verfahrenshilfeantrags und der Berichte des Sachwalters zweifellos fest, dass der Betroffene bei Beendigung der Sachwalterschaft sofort versuchen würde, wieder Verfahren zur Durchsetzung der ihm nach seinen Vorstellungen zustehenden Investitionsablöse einzuleiten. Er sei offenbar nicht in der Lage, diese Angelegenheit vernünftigt zu bedenken und von einer aussichtslosen Rechtsverfolgung abzusehen, sodass die Gefahr bestehe, dass er sich Nachteile durch das Auflaufen von Pauschalgebühren oder Verpflichtungen zum Kostenersatz an den Prozessgegner zuziehen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der auf Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens gestützte außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen ist zulässig und im Sinn des darin gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Revisionsrekurs zeigt im Ergebnis zutreffend auf, dass die tragende Begründung des Rekursgerichts, der Betroffene werde im Fall der Aufhebung der Sachwalterschaft sofort seinen vermeintlichen Anspruch auf dem Zivilrechtsweg einklagen und sich dadurch Schaden zufügen, im Akteninhalt keinerlei nachvollziehbare Deckung findet. Der bisher einzige Versuch des Betroffenen, eine Klage auf Zahlung der begehrten Investitionsablöse einzubringen, scheiterte vielmehr schon lange vor Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens an der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Gewährung der Verfahrenshilfe. Irgendwelche konkreten Anstalten des Betroffenen, die in Aussicht genommene Klagsführung selbst zu finanzieren, sind im Akt nicht dokumentiert. Angesichts der Höhe des behaupteten Anspruchs von 175.000 EUR bestünde für ein solches Verfahren absolute Anwaltspflicht, sodass eine Klagseinbringung ohne vorangegangene rechtskundige Beurteilung und Beratung des Betroffenen nicht zu befürchten wäre.
Der Versuch des Betroffenen, eine Wiederaufnahme seines Strafverfahrens zu erreichen, kann die Aufrechterhaltung der Sachwalterschaft von vornherein nicht begründen. Würde einem weiteren Wiederaufnahmeantrag stattgegeben, wäre dies nur zum Wohl des Betroffenen, im Fall einer neuerlichen Abweisung droht ihm daraus kein ins Gewicht fallender finanzieller Nachteil.
Die vom bestellten Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten beschränkten sich nach der Aktenlage von vornherein auf die Prüfung der vermeintlichen Ablöseansprüche des Klägers und der Erfolgsaussichten einer von ihm gewünschten Rechtsverfolgung. Ob schon ursprünglich ein Anlass für die Erstreckung des Wirkungskreises des Sachwalters auf sämtliche Verfahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden und auch auf die Vertretung vor Sozialversicherungsträgern bestand, muss dahingestellt bleiben, weil die Bestellung unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist.
Die Ergebnisse des bisher über den Aufhebungsantrag durchgeführten Verfahrens bieten aber keinesfalls eine Grundlage für die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger werde weiterhin die Hilfe eines Sachwalters benötigen. Allein dass er sich in der Angelegenheit der Investitionsablöse nach wie vor im Recht wähnt und ungerecht behandelt fühlt, reicht für die Annahme eines ohne Besachwalterung drohenden Nachteils nicht aus.
Das Erstgericht wird das Verfahren daher vor neuerlicher Entscheidung durch geeignete Erhebungen, allenfalls Einvernahme des Klägers über seine für den Fall der Aufhebung der Sachwalterschaft geplanten rechtlichen Schritte, zu ergänzen haben.