VfGH vom 12.06.2012, B607/11
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Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung des Devolutionsantrags in einem Verfahren betreffend die rückwirkende Anrechnung der vor dem 18. Lebensjahr geleisteten Lehrzeit einer Beamtin der Stadt Wien; Verletzung der Entscheidungspflicht wegen unklarer Rechtslage auf Grund von unionsrechtlich bedenklichen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu rechtfertigen
Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Die Stadt Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Die am geborene Beschwerdeführerin absolvierte im Zeitraum vom bis bei der Stadt Wien eine Lehre als Bürokauffrau; unmittelbar anschließend an die Lehrzeit wurde sie in ein privatrechtliches Dienstverhältnis übernommen und steht seit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
2. Mit am eingelangter Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin bei der Magistratsabteilung 2 - Personalservice (MA 2) der Stadt Wien die rückwirkende Anrechnung der vom (Beginn des Lehrverhältnisses) bis zum (Vollendung des 18. Lebensjahres) geleisteten Lehrzeit für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages. Begründend wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf das , Fall Hütter, ausgeführt, dass die österreichische Rechtslage europarechtswidrig sei, weil sie gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verstoße. Mangels Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde brachte die Beschwerdeführerin mit am eingelangter Eingabe vom beim Dienstrechtssenat der Stadt Wien (im Folgenden: Dienstrechtssenat) einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG ein. Dieser wurde mit Bescheid des Dienstrechtssenates vom gemäß § 73 Abs 2 AVG mit der Begründung abgewiesen, dass die erstinstanzliche Behörde kein "überwiegendes Verschulden" an der Verzögerung im Sinne dieser Bestimmung treffe. Dies wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
"Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im vom österreichischen Obersten Gerichtshof eingebrachten Vorabentscheidungsersuchen im Fall David Hütter gegen Technische Universität Graz (Urteil vom , C[-]88/08) festgestellt, dass 'die Art 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die, um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufe von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaats die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs liegenden Dienstzeiten ausschließt'.
[...]
Im gegenständlichen Fall ist der Antragstellerin
darin zuzustimmen, dass die derzeit auf die Vollendung des 18. Lebensjahres abstellenden Normen über die Anrechnung von Vordienstzeiten auf Grund der Rechtsprechung des EuGH offensichtlich nicht mit der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang stehen, da gemäß § 14 Abs 4 Z 1 DO 1994 die Zeit, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegt, der Beamtin oder dem Beamten für die Vorrückung nicht angerechnet werden kann. Dennoch ist ihrem Vorbringen, dass nunmehr das ob zitierte EuGH-Urteil als Rechtsgrundlage für die Entscheidung heranzuziehen sei, entgegenzuhalten, dass sich aus diesem keine Bestimmungen über das Ausmaß der Anrechenbarkeit von Dienstzeiten ableiten lassen. Dieses ergibt sich auch nicht unmittelbar aus der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, in den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften [...] Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf ua. auch wegen des Alters hintan zu halten. Damit kommt aber eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG mangels ausreichender Bestimmtheit der altersbezogenen 'Diskriminierungsbestimmungen' der Richtlinie verfahrensgegenständlich nicht in Betracht. Jede andere Sichtweise würde die vollziehende Behörde zum Gesetzgeber machen, was dem fundamentalen Grundsatz der Gewaltentrennung zuwiderlaufen würde.
Auf Grund der Tatsache, dass eine Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage mit dem Urteilstenor des EuGH in Widerspruch gestanden hätte und es ihr weiters verwehrt war, das EuGH-Urteil als Rechtsgrundlage heranzuziehen und auch die Richtlinie 2000/78/EG für die vorliegende Angelegenheit nicht unmittelbar angewendet werden kann, kann objektiv betrachtet kein überwiegendes Verschulden der Erstinstanz darin erblickt werden, dass sie den verfahrensgegenständlichen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten einer Entscheidung zugeführt hat, sondern vielmehr in Kenntnis der gesetzgeberischen Aktivitäten zur Bereinigung der Rechtslage, welche schließlich dazu geführt haben, dass am im Wiener Landtag ein diese Rechtsfrage lösender Gesetzesbeschluss rückwirkend mit gefasst wurde, mit der Entscheidung zugewartet hat."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die
vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§§14 und 15 Wiener Dienstordnung 1994) behauptet wird.
4. Der Dienstrechtssenat als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird, wobei im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:
"Nun ist aber darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH im Fall Hütter vom [,] C-88/08, davon ausgegangen ist, dass der im § 14 Abs 4 Z 1 DO 1994 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 10/2011 (in weiterer Folge: aF) nominierte generelle Ausschluss von Zeiten für die Vorrückung vor Vollendung des 18. Lebensjahres nicht mit der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang steht (vgl. die Ausführung auf Seite 4 des
angefochtenen Bescheides: '.... offensichtlich nicht mit der
Richtlinie ... in Einklang ...'). Steht aber für eine Behörde
fest, dass eine Norm des innerstaatlichen Rechts mit dem Recht der Europäischen Union in Widerspruch steht, wird man - schon aus verfahrensökonomischen Gründen - nicht verlangen können, dass dennoch ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den EuGH herangetragen wird. Es liegt in einem solchen Fall de facto keine unklare Situation vor, die Anlass zu einer Frage im Sinn des Art 267 AEUV gibt. Die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde basiert auch nicht auf § 14 DO 1994 aF, sondern ausschließlich auf der verfahrensrechtlichen Norm des § 73 AVG und setzt sich begründend nur mit der Frage auseinander, weshalb - unter Bedachtnahme auf das obzit. Urteil des EuGH im Fall Hütter - die Behörde erster Rechtsstufe kein überwiegendes Verschulden an der Verfahrensverzögerung trifft.
[...]
[Es] ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH in Bezug auf Richtlinien in einem Vorabentscheidungsverfahren nur Aussagen über die Auslegung von Bestimmungen einer Richtlinie, nicht aber über die Art der Sanierung einer von ihm als unionsrechtswidrig erkannten Rechtslage treffen kann. Letzteres muss der innerstaatlichen Normsetzungsautorität vorbehalten bleiben. Dies ist in Bezug auf die Dienstordnung 1994 der Wiener Landesgesetzgeber, in Bezug auf den vom obzit. Urteil des EuGH unmittelbar betroffenen Bund [...] der Nationalrat. Letzterer hat mit dem am kundgemachten Bundesgesetz BGBl. I Nr. 82/2010 die Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres gelegenen Vordienstzeiten für die Vorrückung neu geregelt, wobei mit jenen Ländern, deren Dienstrechte ebenfalls von dem genannten Urteil berührt sein konnten, Meinungsaustausche betreffend die Sanierungsmöglichkeiten stattgefunden haben und sich bereits bei der Konferenz der beamteten Personalreferenten am 26. und abgezeichnet hat bzw. klar war, dass die 'Sanierung' rückwirkend mit erfolgen wird. [...]
Allein der Umstand, dass eine ersatzlose Streichung der in Rede stehenden Ausschlussbestimmung die öffentlichen Haushalte zusammen mit Mehrkosten in Milliardenhöhe belastet hätte - Wien im Ausmaß eines sechsstelligen Millionenbetrages -, zu denen sich aus Gründen der Budgetverantwortung kein Gesetzgeber verstanden hat [...] und welche auch nicht aus Gründen einer 'Besoldungsgerechtigkeit' zwingend in Kauf zu nehmen war, erweist, dass die Behörde erster Rechtsstufe[,] ohne den gesetzgeberischen Willen vorwegzunehmen bzw. quasi selbst als 'Gesetzgeber' zu agieren, keine Entscheidung hätte treffen können. Dass die Sanierung von mit übergeordneten Rechtsnormen in Widerspruch stehendem Rechtsbestand ausschließlich die Aufgabe[...] des zuständigen Gesetzgebers ist, zeigt aus h.a. Sicht - wenn auch im gegenständlichem Fall nicht anwendbar - Art 140 Abs 5 dritter und vierter Satz B-VG. Unter diesen besonderen Umständen, vor allem auch der Tatsache über die Kenntnis der in naher Zukunft absehbaren gesetzgeberischen Aktivitäten, konnte der Behörde erster Rechtsstufe kein Verschulden an der nicht fristgerechten Entscheidungsfindung angelastet werden, ist diese Fallkonstellation doch einem unüberwindlichen Hindernis gleichzusetzen."
5. Die Beschwerdeführerin erstattete dazu eine Äußerung.
II. Rechtslage
1. § 73 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:
"Entscheidungspflicht
§73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§39 Abs 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."
2. § 14 Abs 4 Z 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994), LGBl. 56, lautete in der Fassung vor der Novelle LBGl. 10/2011 wie folgt:
"Von der Anrechnung nach Abs 1 bis 3 sind
ausgeschlossen:
1. die Zeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres;"
3. Gemäß der Novellierung der Bestimmung mit
LGBl. 10/2011, kundgemacht am , lautet § 14 Abs 4 Z 1 Wr. DienstO 1994 rückwirkend seit (vgl. ArtVII Z 1 LGBl. 10/2011) wie folgt:
"Von der Anrechnung nach Abs 1 bis 3 sind
ausgeschlossen:
1. die vor dem 1. Juli des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe zwölf Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, gelegene Zeit, sofern es sich nicht um Zeiten eines Dienstverhältnisses oder eines Lehrverhältnisses nach Vollendung der Schulpflicht oder um Zeiten eines Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes gemäß Abs 1 Z 2 handelt;"
4. § 15 Wr. DienstO 1994 lautet:
"Besondere Bestimmungen über die Anrechnung von
Zeiten für die Vorrückung
§15. (1) Die Anrechnung gemäß § 14 hat in der Verwendungsgruppe zu erfolgen, in die der Beamte aufgenommen wird. Dabei ist von der Gehaltsstufe 1, im Schema II von der Gehaltsstufe 1 der Dienstklasse III auszugehen. Sodann ist die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten um die angerechnete Zeit zu verbessern.
(1a) Abweichend von Abs 1 ist bei einem Beamten des Schemas II KAV die Anrechnung so vorzunehmen, als würde der Beamte in die Verwendungsgruppe A des Schemas II aufgenommen werden. Die besoldungsrechtliche Stellung ist nach Verbesserung um die angerechnete Zeit nach den Bestimmungen des § 40e der Besoldungsordnung 1994 zu ermitteln.
(2) Wird ein Beamter in eine andere Verwendungsgruppe überstellt, so können ihm zusätzlich Zeiten für die Vorrückung angerechnet und seine besoldungsrechtliche Stellung nach der Überstellung verbessert werden, um Härten zu beseitigen, die dadurch entstehen, daß der Beamte in seine neue Verwendungsgruppe überstellt und nicht aufgenommen wird. Dasselbe gilt bei einem Beamten, der in eine andere Beamtengruppe überreiht wird.
(3) Die Anrechnung gemäß § 14 und die Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung gemäß Abs 1 und 1a werden mit dem Tag der Anstellung, die Anrechnung und die Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung gemäß Abs 2 jedoch mit dem Tag der Überstellung oder Überreihung wirksam.
(4) Bei dem Beamten, der unmittelbar vor der Anstellung Vertragsbediensteter im Schema III, IV, IV KA, IV K, IV KAV oder IV L der Vertragsbedienstetenordnung 1995 - VBO 1995, LGBl. für Wien Nr. 50, war, ändert sich die besoldungsrechtliche Stellung durch die Anstellung nicht."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit der §§14 und 15 Wiener Dienstordnung 1994 (in der Folge: Wr. DienstO 1994), welche die Anrechnung von Zeiten für die Vorrückung regeln, behauptet wird, wendet sie sich gegen Bestimmungen, die vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Präjudizialität genereller Rechtsvorschriften (vgl. VfSlg. 14.078/1995 und die dort zitierte Vorjudikatur) von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen verfahrensrechtlichen Bescheides nicht angewendet wurden bzw. anzuwenden waren und die auch vom Verfassungsgerichtshof nicht anzuwenden sind, weil der angefochtene, lediglich den Devolutionsantrag abweisende Bescheid ausschließlich auf § 73 Abs 2 AVG gestützt wird.
Beim Verfassungsgerichthof sind bei der Behandlung der Beschwerde auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften entstanden.
Die Beschwerdeführerin wurde daher nicht in ihren
Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen verletzt.
2. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin jedoch im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz:
2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).
Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 10.057/1984) die Auffassung, dass eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des Bescheides dann vorliegt, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde die Entscheidung begründungslos trifft (zB VfSlg. 14.661/1996) oder den Bescheid zwar unter Darstellung der Beweisergebnisse, aber ohne jede rechtliche Würdigung erlässt (VfSlg. 18.061/2007); dem gleichzuhalten ist, wenn die Behörde den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf nicht anzuwendende Normen stützt und dieser dadurch - in Hinblick auf die anzuwendende Rechtslage - völlig unbegründet bleibt. Ein solcher Fehler wiegt nicht weniger schwer als das als gravierend gewertete Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt (vgl. VfSlg. 10.758/1986, 17.122/2004).
2.2. Im vorliegenden Fall stützt die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wird, auf § 73 Abs 2 AVG.
Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach § 73 Abs 2 letzter Satz leg.cit. ist ein Devolutionsantrag abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, wobei der Begriff des behördlichen Verschuldens objektiv zu verstehen und daher ein solches anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde (zB mwN).
2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag im
vorliegenden Fall keine Umstände zu erkennen, die gegen ein überwiegendes Verschulden iSd § 73 Abs 2 AVG der Behörde erster Instanz am Zuwarten mit der Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin sprechen. Nach den vorgelegten Verwaltungsakten hat die Behörde erster Instanz vom Zeitpunkt der Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrages bis zur Einbringung des Devolutionsantrages durch die Beschwerdeführerin keine Ermittlungstätigkeiten oder andere verfahrensleitenden Schritte vorgenommen. Die belangte Behörde begründet die Zulässigkeit des Zuwartens der erstinstanzlichen Behörde vielmehr damit, dass "eine Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage mit dem Urteilstenor [des , Fall Hütter] in Widerspruch gestanden hätte und es ihr weiters verwehrt war, das EuGH-Urteil als Rechtsgrundlage heranzuziehen und auch die Richtlinie 2000/78/EG für die vorliegende Angelegenheit nicht unmittelbar angewendet werden kann."
Die belangte Behörde macht sohin ausschließlich Schwierigkeiten bei der rechtlichen Beurteilung des Antrages der Beschwerdeführerin - nämlich eine behauptetermaßen unklare Rechtslage auf Grund von unionsrechtlich bedenklichen innerstaatlichen Bestimmungen - geltend. Dies führt jedoch nicht zu einer Entbindung von der Entscheidungspflicht: Die erstinstanzliche Behörde wäre - bei Annahme entgegenstehenden Unionsrechts - vielmehr verpflichtet gewesen, zu klären, ob § 14 Abs 4 Z 1 Wr. DienstO 1994 (idF vor der Novelle LGBl. 10/2011) im vorliegenden Fall in Hinblick auf einen möglichen Widerspruch zum Unionsrecht anzuwenden war oder nicht; die ausschließliche Klärung dieser Frage kann im gegebenen Zusammenhang jedenfalls kein über die sechsmonatige Entscheidungsfrist hinausgehendes Zuwarten rechtfertigen. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch der Ansicht der belangten Behörde nicht zu folgen, dass die Nichtanwendung gesetzlicher Bestimmungen wegen Unionsrechtswidrigkeit einer den Grundsatz der Gewaltentrennung verletzenden gesetzgeberischen Tätigkeit gleichkommen würde, ergibt sich diese Verpflichtung doch aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts.
Auch das in der Gegenschrift der belangten Behörde vorgebrachte Argument, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs 4 Z 1 Wr. DienstO 1994 erhebliche Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte zur Folge gehabt hätte, rechtfertigt ein Untätigbleiben der Behörde nach Maßgabe des § 73 AVG nicht.
Im vorliegenden Fall vermag auch das Abwarten einer gesetzlichen Neuregelung, mag eine Änderung der geltenden Rechtslage auch bereits absehbar gewesen sein, die Nichteinhaltung der Entscheidungsfrist nicht zu rechtfertigen (vgl. ): Wenngleich dem Gesetzgeber ein gewisser Zeitraum zur Neugestaltung der Rechtslage nach der Entscheidung des EuGH nicht in jedem Fall abgesprochen werden kann (vgl. G41,42/10 ua.), ist es für die Beurteilung der Entscheidungspflicht einer Verwaltungsbehörde vorderhand unbeachtlich, ob, wann und wie der Gesetzgeber reagiert (vgl. VfSlg. 7507/1975). Im Übrigen besteht für den Gesetzgeber die Möglichkeit, inzwischen eingetretene Rechtsfolgen bei der Schaffung einer neuen Rechtslage zu berücksichtigen (VfSlg. 15.231/1998).
3. Sohin lagen die in der Begründung des
angefochtenen Bescheides angegebenen Voraussetzungen des § 73 Abs 2 AVG für eine Abweisung des Devolutionsantrages nicht vor, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen den angefochtenen Bescheid nicht zu begründen vermögen. Die Beschwerdeführerin wurde daher durch die Abweisung ihres Devolutionsantrages im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
4. Der angefochtene Bescheid ist daher schon aus
diesem Grund aufzuheben, ohne dass zu prüfen ist, ob eine Abweisung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin allenfalls aus anderen Gründen in Betracht gekommen wäre.
5. Bei diesem Ergebnis kann eine Prüfung, ob die
belangte Behörde § 73 Abs 2 AVG in Hinblick auf den rückwirkend mit in Kraft getretenen § 115l Wr. DienstO 1994, LGBl. 56 idF LGBl. 10/2011, kundgemacht am , ex post betrachtet überhaupt anzuwenden hatte, unterbleiben.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-
sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,- enthalten. Über den Pauschalsatz hinausgehende Kosten waren nicht zuzusprechen, da es sich bei der von der Beschwerdeführerin erstatteten Äußerung um keinen abverlangten Schriftsatz handelt (vgl. zB VfSlg. 14.717/1996).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.