OGH vom 21.07.2005, 8Ob61/05m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Mag. Volker Leitner, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die Beklagten 1.) Ingrid S***** , vertreten durch Dr. Dietmar Gollonitsch, Rechtsanwalt in Scheibbs, als Verfahrenshelfer, 2.) Ing. Peter S*****, wegen 436.037,01 EUR sA, über die Revision der Erstbeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 246/04i-38, womit über Berufung der Erstbeklagten das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom , GZ 3 Cg 70/01i-34, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Erstbeklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.735,82 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 455,97 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin gewährte der P***** GmbH (in der Folge immer: Kreditschuldnerin) im Dezember 1997 einen Haftungskredit über 15 Mio S und einen Kontokorrentkredit über 10 Mio S. Zur Sicherstellung dieser Kreditverbindlichkeiten übernahm die Erstbeklagte die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB bis zu einem Höchstbetrag von 3 Mio S und 5 Mio S. Auch der zweitbeklagte Sohn der Erstbeklagten, der mittels Wechselzahlungsauftrages rechtskräftig zur Zahlung verpflichtet wurde, übernahm eine Bürgschaft in dieser Höhe.
Im August 1998 kam es zu einer Aufstockung des Kontokorrentkredites um 4 Mio S. Die Erstbeklagte übernahm auch für diesen Kredit in Höhe der gesamten Kreditvaluta die Haftung als Bürge und Zahler und unterfertigte eine Blankobürgschaft.
Im Juli 1999 wurde der Kontokorrentkredit erneut um 4 Mio S aufgestockt. Zur Sicherstellung unterfertigte die Erstbeklagte am einen Wechsel. Dieser ursprünglich als Blankowechsel begebene Wechsel lautete auf einen am fälligen Betrag von 6 Mio S, wurde von der Kreditschuldnerin angenommen und von beiden Beklagten als Bürgen für die Annehmerin unterfertigt. Der Wechsel besicherte beide von der Klägerin an die Kreditschuldnerin gewährten Kredite.
Die Erstbeklagte war von 1988 bis etwa 1994/1995 Alleingesellschafterin und handelsrechtliche Geschäftsführerin der S***** GmbH. Nach deren Konkurs wurde als „Auffanggesellschaft" die Kreditschuldnerin gegründet. Die Erstbeklagte vertrat die Kreditschuldnerin als Prokuristin und war auch Angestellte der Kreditschuldnerin. Im Firmenbuch als handelsrechtliche Geschäftsführer eingetragen waren der Zweitbeklagte und Ing. Johann V*****. Tatsächlich trat nach außen hin, insbesondere gegenüber der Klägerin, jedoch die Erstbeklagte als „Geschäftsführerin" auf. Sie hatte auch bereits als Geschäftsführerin der Vorgängergesellschaft, die faktisch ihre Fortführung in der Kreditschuldnerin fand, Erfahrung in der Funktion als Geschäftsführerin sammeln können. De-facto hatte die Erstbeklagte maßgeblichen Einfluss auf die Führung der Geschäfte und war stets in die Entscheidungsfindung der Kreditschuldnerin eingebunden. Sie agierte als Geschäftsführerin. So war es auch primär die Erstbeklagte, die die Geschäftsbeziehungen zur Klägerin unterhielt. Bis etwa Mitte 1999 trat überhaupt nur die Erstbeklagte gegenüber der Klägerin für die Kreditschuldnerin auf. Ab diesem Zeitpunkt war auch der Zweitbeklagte in die Verhandlungen und Gespräche mit der Klägerin eingebunden. Den Vertretern der Klägerin war die Erstbeklagte als Seniorchefin der Kreditschuldnerin bekannt. Auch um die angeführten Kredite und Aufstockungen der gewährten Kreditrahmen hatte sich vor allem die Erstbeklagte bemüht. So war es auch sie, die die Kreditverhandlungen mit den Direktoren der Klägerin führte. Bei diesen Kreditverhandlungen in den Jahren 1997 bis 1999 stellte die Erstbeklagte der Klägerin Unterlagen, die die Erstbeklagte auch selbst kannte, nämlich Bilanzen und Salden sowie offene Postenlisten zur Dartuung der wirtschaftlichen Lage der Kreditschuldnerin zur Verfügung. Anhand dieser Unterlagen nahm die Klägerin eine Bonitätsbewertung vor. Die Unterlagen waren Grundlage für die Entscheidung der Klägerin, der Kreditschuldnerin Kredit zu gewähren.
Bei Kreditaufnahme durch die Kreditschuldnerin bzw bei Übernahme der Bürgschaften durch die Erstbeklagte war die S***** Privatstiftung 100 %ige Gesellschafterin der Kreditschuldnerin. Die Gründung der Stiftung erfolgte 1997. Aus der in Konkurs gegangenen S***** GmbH wurde noch vorhandenes Vermögensubstrat, unter anderem zwei Liegenschaften, in die Stiftung eingebracht. Stifter waren die Erstbeklagte, der Zweitbeklagte, die Mutter der Erstbeklagten sowie die Kreditschuldnerin, die alle Barvermögen stifteten. Der Zweck der Stiftung bestand in der Versorgung der Stifter und anderer Mitglieder der Familie sowie der Sicherung des Fortbestandes von Unternehmen, an denen die Stifter oder die Stiftung beteiligt sind, insbesondere der Kreditschuldnerin. Tatsächlich waren die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte Begünstigte.
Über die Kreditschuldnerin wurde im September 2000 das Konkursverfahren eröffnet.
Die Klägerin beantragte unter Vorlage des Originalwechsels die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages über 436.037,01 EUR sA.
Die Erstbeklagte wendet ein, sie sei von der Klägerin trotz ihrer Stellung als Verbraucherin auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Kreditschuldnerin nicht ausreichend hingewiesen worden. Die Klägerin habe erkannt oder erkennen müssen, dass die Kreditschuldnerin ihre Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde. Aufgrund der fehlenden Informationen hafte die Erstbeklagte nicht, weil sie nach entsprechender Aufklärung über die wirtschaftliche Situation der Kreditschuldnerin die Verpflichtung nicht übernommen hätte. Überdies lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des Mäßigungsrechtes gemäß § 25d KSchG vor. Es bestehe ein unbilliges Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit der Erstbeklagten: Die Erstbeklagte sei bis April 2000 Angestellte der Kreditschuldnerin und danach Pensionistin gewesen. Ihr Einkommen habe zwischen 18.000 und 20.000 S monatlich betragen. Die Begründung der Haftung der Erstbeklagten sei im fast ausschließlichen Interesse der Klägerin gelegen. Die Erstbeklagte habe keinen Nutzen aus der Leistung der Klägerin gezogen. Sie habe die Bürgschaft aus „Leichtsinn, Zwangslage, Unerfahrenheit, Gemütsaufregung und gewisser Abhängigkeit vom Kreditnehmer" übernommen. Die Bürgschaftsverpflichtung sei überdies wegen Sittenwidrigkeit rechtsunwirksam. Das von der Erstbeklagten im maßgeblichen Zeitraum erzielte Nettoeinkommen stehe in einem krassen Missverhältnis zur übernommenen Leistungsverpflichtung. Die der Klägerin bekannten Vermögensverhältnisse der Kreditnehmerin habe die Inanspruchnahme der Erstbeklagten wahrscheinlich gemacht.
Die Klägerin repliziert, dass die Erstbeklagte selbst die Kreditaufstockungen durch von ihr mitausgearbeitete Finanzpläne betrieben habe. Die Finanzpläne hätten die wirtschaftliche Lage der Kreditnehmerin immer günstig dargestellt. Von erwarteten Forderungsausfällen in Höhe von 10 Mio S sei nie die Rede gewesen. Die Erstbeklagte sei nicht „kleine Angestellte" der Kreditschuldnerin, sondern vielmehr maßgeblich an deren Geschäftsführung beteiligt gewesen. Die Stiftungsgründung sei zur Erhaltung des Vermögens in der Familie erfolgt. Die Erstbeklagte habe der Klägerin schuldhaft eine gute Wirtschaftslage der Kreditschuldnerin vorgespiegelt. Nur aus diesem Grund seien weitere Kredite gewährt worden. Überdies sei die Erstbeklagte als Begünstigte aus der Stiftung nicht Verbraucherin im Sinne des KSchG.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht und verpflichtete die Erstbeklagte zur Zahlung. Rechtlich erachtete das Erstgericht ausdrücklich, dass Feststellungen zur Frage der wirtschaftlichen Lage der Kreditschuldnerin im relevanten Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme durch die Erstbeklagte deshalb nicht getroffen werden müssten, weil der Erstbeklagten aus den in 7 Ob 315/01a dargelegten Gründen die Verbrauchereigenschaft abzusprechen sei: Der Oberste Gerichtshof habe in der genannten Entscheidung den Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der für die Gesellschaftsschulden gebürgt habe, als Unternehmer und nicht als Verbraucher betrachtet. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende wirtschaftliche Betrachtungsweise sei auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, bei welchem die Erstbeklagte zwar nicht selbst Gesellschafterin der Kreditschuldnerin gewesen sei, indirekt jedoch an dieser (durch ihre Stellung als Begünstigte der Stiftung) beteiligt gewesen sei. Die Haftungsübernahme für die Kreditschuldnerin sei daher von einem starken eigenen wirtschaftlichen Interesse der Erstbeklagten geprägt gewesen. Die Erstbeklagte sei zwar nicht organschaftliche Geschäftsführerin der Kreditschuldnerin gewesen, de-facto aber als solche aufgetreten. Da die Erstbeklagte somit nicht als Verbraucherin anzusehen sei, träfen die Klägerin keine Aufklärungspflichten. Das massive wirtschaftliche Eigeninteresse der Beklagten schließe auch die Sittenwidrigkeit der Begründung ihrer Mithaftung aus.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Erstbeklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, wie weit der Interzedentenschutz des KSchG reiche, von erheblicher Bedeutung sei. Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Die Verbrauchereigenschaft der Erstbeklagten, die über die 100 %ige Beteiligung der Stiftung an der Kreditschuldnerin selbst als Beteiligte anzusehen sei, sei zu verneinen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Erstbeklagten erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; die Revision ist jedoch nicht berechtigt .
In der Revision zieht die Erstbeklagte die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung durch die Erstbeklagte nicht sittenwidrig war, zutreffend nicht mehr in Zweifel: Die für alle die Sittenwidrigkeit der Haftung begründenden Umstände behauptungs- und beweispflichtige Erstbeklagte (Gamerith in Rummel³ vor § 1360 ABGB Rz 5a; ÖBA 2000/884; 8 Ob 73/03y uva) hat nicht bewiesen, dass sie aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse am Zustandekommen des Vertrages (8 Ob 2315/96s; 8 Ob 73/03y) handelte.
Die Revision vertritt allerdings zusammengefasst die Auffassung, dass die Erstbeklagte als Verbraucherin anzusehen sei, weil die Grundsätze der Entscheidung 7 Ob 315/01a auf die Erstbeklagte nicht anwendbar seien. Es bedürfe daher der Feststellungen über die wirtschaftliche Lage der Kreditschuldnerin zum Zeitpunkt der Übernahme der Haftung durch die Erstbeklagte. Die Klägerin hätte die Erstbeklagte über diese wirtschaftliche Lage aufklären müssen.
In der Entscheidung 7 Ob 315/01a (JBl 2002, 526 [Karollus]; s. auch Bydlinski/Haas, Besonderheiten bei Haftungsübernahme eines geschäftsführenden Alleingesellschafters für Schulden „seiner" GmbH?, ÖBA 2003, 11) wurde die Verbrauchereigenschaft (und damit die Anwendbarkeit der §§ 25b bis 25d KSchG) für einen GmbH-Geschäftsführer verneint, der Alleingesellschafter der GmbH ist. Einer Auseinandersetzung damit, ob diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall (Alleingesellschafter der Kreditnehmerin, einer GmbH, ist eine Privatstiftung, deren Begünstigte die erstbeklagte Interzedentin ist, die in der GmbH Prokuristin war) kann allerdings aus folgenden Gründen unterbleiben:
Tritt ein Verbraucher einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant bei (Interzession), so hat ihn der Gläubiger gemäß § 25c KSchG auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Unterlässt der Unternehmer diese Information, so haftet der Interzedent gemäß § 25c zweiter Satz KSchG nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte.
Ob die in § 25c KSchG angesprochene Aufklärungspflicht des Kreditgebers (besser: Aufklärungsobliegenheit - siehe Haas, Zur Aufklärung des Interzedenten über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners nach § 25c KSchG, JBl 2002, 538) unabhängig davon besteht, ob dem interzedierenden Verbraucher die wirtschaftliche Lage des Schuldners zum Zeitpunkt der Haftungsübernahme bekannt war, war bereits Gegenstand mehrerer höchstgerichtlicher Entscheidungen: In 1 Ob 107/00t (ÖBA 2001/935 [Graf] = SZ 73/121 ) wurde ausgesprochen, dass der Gläubiger den interzedierenden Verbraucher auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners auch dann hinweisen muss, wenn dieser über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid weiß, was gerade bei Angehörigen häufig der Fall ist. Dies soll das Risiko des Einstehenmüssens für eine (materiell) fremde Schuld verringern und den Interzedenten nachdrücklich warnen: Die Auskunft soll dem Interzedenten die wirtschaftlichen Gründe des Gläubigers vor Augen führen, aus denen dieser neben der Haftung des Hauptschuldners auf der Haftung einer weiteren Person besteht.
Diese Begründung steht mit den Materialien zu § 25c KSchG im Einklang (Erläut RV 311 BlgNR 20. GP 25), die wörtlich festhalten: „Die zu erteilende Auskunft nach § 25c KSchG soll das Risiko des Einstehenmüssens für eine (materiell) fremde Schuld verringern und zudem eine „Warnfunktion" ausüben. Auch soll die Auskunft dem Bürgen, Mitschuldner oder Garanten die wirtschaftlichen Gründe des Kreditgebers, aus denen er neben der Haftung des Hauptschuldners auf der Haftung einer weiteren Person besteht, vor Augen führen".
Auch in den Entscheidungen 1 Ob 132/01w = ÖBA 2002/1037 [Graf], 1 Ob 29/01y, 7 Ob 228/02h = ÖBA 2003/1130 [P. Bydlinski] und weiteren Nachfolgeentscheidungen (siehe RIS-Justiz RS0113880; zuletzt 3 Ob 284/03s) wurde diese Aussage wiederholt. Hingegen wurde in 6 Ob 156/03i eine Verletzung der Aufklärungspflicht verneint, weil der beklagte Bürge über alle Verbindlichkeiten seines Sohnes und dessen schlechte wirtschaftliche Lage genau informiert war.
Der Aussage, den Kreditgeber treffe auch dann eine Aufklärungsobliegenheit, wenn der Interzedent über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners Bescheid wisse, ist zunächst insoweit uneingeschränkt beizutreten , als den Kreditgeber bei Vorliegen der vom Interzedenten zu behauptenden und zu beweisenden Informationspflichten im Sinne des § 25c KSchG erster Satz die volle Behauptungs- und Beweislast dafür trifft, dass er seiner sich aus § 25c KSchG ergebenden Aufklärungsobliegenheit gänzlich nachgekommen ist. Um nämlich dem Zweck der Aufklärungsobliegenheit - den Interzedenten durch ausreichende Informationen über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners über das Risiko der Haftungsübernahme zu warnen - gerecht zu werden, reicht eine vage Kenntnis des Interzedenten über mögliche Schwierigkeiten des Hauptschuldners nicht aus. Die Regelung soll auch dann anwendbar sein, wenn die Interzedenten über die finanzielle Situation des Verbrauchers Bescheid wissen (Erläut RV 311 BlgNR 20. GP 25); eine genaue Kenntnis ihrerseits kann nämlich in den seltensten Fällen als sicher unterstellt werden und der Gläubiger weiß auch oft über den Informationsstand des Interzedenten nicht genau Bescheid (in diesem Sinn P. Bydlinski zu ÖBA 2003/130).
Ist dem Gläubiger der von ihm zu führende Nachweis gelungen, dass der Interzedent bei Abgabe seiner Haftungserklärung über die heikle Lage des Schuldners ausreichende Kenntnis hatte, besteht also keinerlei Informationsgefälle zu Lasten des Interzedenten, erscheint die Aufklärungspflicht des Kreditgebers auch gegenüber dem vollinformierten Interzedenten überspannt. Für jemanden, der die Haftungserklärung im Wissen um die schlechte finanzielle Situation des Kreditnehmers unterfertigt, liegt im zusätzlichen Hinweis auf diesen Umstand durch den Kreditgeber kein Mehr an Warnung, weil der Gläubiger bloß über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners zu informieren hat, nicht aber über die für den Bürgen damit möglicherweise verbundenen Konsequenzen (P. Bydlinski aaO).
Zum Unterschied zu den zitierten Vorentscheidungen ist der hier zu beurteilende Fall dadurch gekennzeichnet, dass die Erstbeklagte nicht nur über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners - bei deren Alleingesellschafterin, einer Stiftung, sie Begünstigte war - nach den Feststellungen voll informiert war, sondern dass sie selbst diejenige war, die ihrerseits als „de-facto" Geschäftsführerin und Prokuristin der Kreditschuldnerin die Kreditverhandlungen führte und der Klägerin die Unterlagen zur Bonitätsprüfung der Kreditschuldnerin, nämlich Bilanzen, Salden und offene Postenlisten, zur Verfügung stellte. Die Annahme einer Aufklärungsobliegenheit der Klägerin gegenüber der geschäftlich erfahrenen Erstbeklagten, die maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kreditschuldnerin hatte, wäre nach den zu beurteilenden Umständen des Einzelfalls als überspannt zu betrachten. Bejahte man auch bei einer solchen Sachlage die Aufklärungsobliegenheit, gelangte man zu dem mit dem Zweck des § 25c KSchG nicht zu vereinbarenden Ergebnis, dass die Hinweispflicht auch jenen Kreditgeber, der die schlechte wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers nur erkennen musste, gegenüber einem Interzedenten trifft, der über die wirtschaftliche Lage des Kreditschuldners detailliert im Bilde ist, also die positiven Kenntnisse bereits hat (P. Bydlinski aaO).
Daraus folgt, dass jedenfalls dann, wenn der Interzedent selbst die Kreditverhandlungen für den Hauptschuldner eigenverantwortlich führt und über dessen Finanzlage zur Gänze unterrichtet ist , eine Aufklärungsobliegenheit des Kreditgebers zu verneinen ist.
Aber auch auf das Mäßigungsrecht nach § 25d KSchG (zum Verhältnis zwischen § 25c KSchG und § 25d KSchG siehe Graf zu ÖBA 2001/935) kann sich die Erstbeklagte nicht berufen: § 25d KSchG ermöglicht die richterliche Mäßigung der von einem Verbraucher eingegangenen Verbindlichkeit in Fällen, in denen die Sittenwidrigkeit der Interzessionsvereinbarung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu verneinen ist, in denen jedoch ein unbilliges Missverhältnis zwischen Leistungsfähigkeit und eingegangener Verbindlichkeit besteht, welches unter Berücksichtigung der Umstände des jeweils zu beurteilenden Falles eine Herabsetzung der Forderung angemessen erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0115165; RS0113935). Zur gerichtlichen Mäßigung der Verbindlichkeit kann es nur dann kommen, wenn diese in einem unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Verbrauchers steht und dieses dem Gläubiger bei Begründung der Verbindlichkeit zumindest erkennbar war (Kathrein in KBB, § 25d KSchG Rz 4 mwN). Dabei müssen die zur Mäßigung im Sinne des § 25d KSchG führenden Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses der Interzessionsvereinbarung so weit vorhanden sein, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits erkennbar wurden oder werden mussten (6 Ob 117/00z; 6 Ob 184/00b). Die Erstbeklagte hat nun zwar in erster Instanz vorgebracht, zum Zeitpunkt der Übernahme der Haftung habe ein Missverhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit bestanden. Sie legte allerdings nicht einmal ansatzweise dar, aus welchen Gründen der Klägerin dieses Missverhältnis zum Zeitpunkt der Übernahme der Haftung zumindest bekannt sein musste. Dies in Verbindung mit dem Umstand, dass keines der im § 25d Abs 2 KSchG bei der Entscheidung über das Mäßigungsrecht zu berücksichtigenden Kriterien für eine Mäßigung der Verpflichtung der Erstbeklagten spricht, hat daher zur Beurteilung zu führen, dass sich die Erstbeklagte auf das Mäßigungsrecht im § 25d KSchG nicht berufen kann.
Der Revision ist somit auch unter Zugrundelegung der Verbrauchereigenschaft der Erstbeklagten ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.