VfGH vom 09.03.1987, B605/85
Sammlungsnummer
11284
Leitsatz
Nach strafgerichtlicher Verurteilung gem. §§146, 147 Abs 3 StGB Verhängung einer Disziplinarstrafe (Streichung von der Liste der Rechtsanwälte); zwei- oder mehrmalige Verurteilung wegen ein und desselben Fehlverhaltens bei unveränderter Sach- und Rechtslage ist mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar; keine Gleichheitsbedenken gegen § 19 bei verfasysungskonformer Interpretation; Verletzung im Gleichheitsrecht dadurch, daß der Bf. wegen ein und derselben Tat (wenn sie auch unter verschiedenen Gesichtspunkten zu Recht zweimal geprüft wurde) insofern zweimal verurteilt wurde, als die Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für 3 Monate nicht in die dreijährige Frist des § 14 eingerechnet wurde, und durch zweimalige Verurteilung zum Kostenersatz
Spruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Steiermärkische Rechtsanwaltskammer ist schuldig, dem Bf. die mit S 11.000,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , Z D 32/78, wurde der Bf. für schuldig erkannt, daß er
"am 25. Feber 1976 als Anwalt der Liegenschaftsverkäufer
E und K P gegenüber den Käufern A M und M K und deren RA. Dr. A M
trotz ausdrücklichem Befragen die ihm bekannt gewesene Tatsache
verschwiegen (habe), daß damals bereits gegen die nur
außerbücherlichen Eigentümer der nun von diesen zum Verkaufe
angebotenen Liegenschaft (EZ. ... KG. St. Thomas, Gerichtsbezirk
Klagenfurt), nämlich E und K P von der Voreigentümerin ein Prozeß
auf Rückgabe dieser Liegenschaft anhängig war, wobei er, der
Beschuldigte, sogar die genannten Beklagten anwaltlich vertrat,
und er ... durch diese Verschweigung eines so wesentlichen
Umstandes die Käufer A M und M K zur Leistung einer geforderten sofortigen baren Kaufpreisanzahlung von S 400.000.-- ohne Vorliegens irgendwelcher Sicherheiten veranlaßt" habe. Der Beschuldigte wurde hiefür unter Bedachtnahme auf zwei frühere Strafen zur Disziplinarstrafe der Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von 3 Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
1.2. Gegen dieses Erkenntnis wurde vom Bf. Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (künftig: OBDK) erhoben. Der Kammeranwalt erhob keine Berufung.
1.3. In der Folge erhob die Staatsanwaltschaft Klagenfurt wegen desselben Sachverhaltes, der bereits Gegenstand seines Disziplinarverfahrens war, gegen den Bf. Anklage wegen Verdachts des schweren Betruges. Hierauf beschloß die OBDK am die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens. Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom wurde der Bf. sodann des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§146, 147 Abs 3 StGB für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten verurteilt. Über Berufung des Bf. änderte der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom , Z 10 Os 145/81-14, das angefochtene Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt im Strafausspruch dahingehend ab, daß die unbedingte Freihheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt wurde.
1.4. Mit Erkenntnis der OBDK vom , Z Bkd 55/82, wurde sodann der Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom keine Folge gegeben und der Bf. zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt.
2.1. Am stellte der Kammeranwalt der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unter Hinweis darauf, daß der Bf. die Ausübung der Rechtsanwaltschaft, die ihm während des anhängigen Strafverfahrens als Maßregel der Vorsicht gemäß § 17 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, RGBl. 40/1872 (DSt), eingestellt worden sei, wieder ausüben werde können, sobald die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zugestellt worden sei, und daß die OBDK über die bekämpfte Suspension auf die Dauer von 3 Monaten rechtskräftig entschieden habe, den Antrag auf Einleitung eines weiteren Disziplinarverfahrens gegen den Bf., da die nunmehr rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ein neues Faktum bilde, sodaß gemäß § 19 DSt idF BGBl. 497/1974 nach § 29 DSt vorzugehen sei.
Mit Beschluß des Disziplinarrates vom wurde dem Bf. bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Disziplinarverfahrens gemäß § 17 DSt die Ausübung der Rechtsanwaltschaft als einstweilige Maßnahme vorläufig untersagt.
Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , Z D 26/82, wurde der Bf. der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, begangen dadurch,
"daß er wegen bewußt gemeinsamen Zusammenwirkens mit anderen Personen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nämlich: Durch die wahrheitswidrige Angabe, der außerbücherliche Erwerb einer bestimmten Liegenschaft sei in Ordnung, und er dabei durch bewußtes Verschweigen einer zum damaligen Zeitpunkte bereits eingebrachten Klage auf Unwirksamkeit eben dieses Kaufvertrages zur Leistung von Barzahlungen im Gesamtbetrage von S 395.000.--, sohin zu Handlungen verleitete, durch die andere Personen an ihrem Vermögen Schaden erlitten, daß also RA. Dr. R L wegen dieses Verhaltens durch Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom , 8 Vr 238/81, des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§146, 147 Abs 3 StGB. für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaße von 18 Monaten verurteilt wurde, die aufgrund der Strafberufung des hier Disziplinarbeschuldigten durch den Obersten Gerichtshof in einer der Höhe nach gleichbleibende, jedoch bedingte Freiheitsstrafe, umgewandelt worden ist."
Der Bf. wurde hiefür zur Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
2.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der OBDK vom , Z Bkd 35/85, nicht Folge gegeben und der Bf. zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt.
3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art 7 B-VG und Art 2 StGG geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten mit der Bekanntgabe vorgelegt, daß eine Gegenschrift nicht erstattet wird.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Der Bf. behauptet, in dem aus Art 6 MRK erfließenden Recht auf ein faires Verfahren sowie im Gleichheitsrecht verletzt zu sein, weil er wegen desselben Sachverhaltes zweimal verurteilt worden sei. Wenn die bel. Beh. dem angefochtenen Bescheid seine strafgerichtliche Verurteilung zu Grunde lege, übersehe sie, daß disziplinär lediglich ein standeswidriges Verhalten beurteilt werden könne; das ihm angelastete Fehlverhalten sei jedoch bereits Gegenstand der ersten Disziplinarentscheidung gewesen. Auch die Bestimmung des § 19 DSt idF BGBl. 497/1974, wonach gemäß § 29 leg. cit. vorzugehen ist, wenn ein Rechtsanwalt oder ein Rechtsanwaltsanwärter wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung durch ein inländisches Gericht zu einer Strafe verurteilt worden ist, rechtfertige die neuerliche Einleitung eines Disziplinarstrafverfahrens nicht, wenn wegen desselben Sachverhaltes bereits eine rechtskräftige Disziplinarverurteilung vorliege, wie dies auf den Bf. zutreffe. Die Auffassung der bel. Beh. führe im Ergebnis dazu, daß eine durch das StGB aufgehobene Nebenstrafe wieder eingeführt werde.
4.2. Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:
"Was zunächst die entscheidende Frage anlangt, ob im Disziplinarverfahren der Grundsatz 'ne bis in idem' gilt und ob durch das angefochtene Erkenntnis dieser Grundsatz verletzt wurde, so kann es keine Frage sein, daß der allgemein anerkannte Grundsatz, daß ein Beschuldigter nicht zweimal wegen derselben Tat verurteilt werden darf, auch für das Disziplinarverfahren gilt. Im Gegensatz zur Berufung ist jedoch der Grundsatz 'ne bis in idem' durch das angefochtene Erkenntnis nicht verletzt worden.
Dies aus zweierlei Gründen nicht: ... Durch die RAO und DSt-Nov. 1974 wurden alle Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung und des Disziplinarstatutes, die hinsichtlich der Fähigkeit zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft auf die im StG vorgesehenen Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung hinweisen, gegenstandslos. Die übrigen Bestimmungen (§5 RAO sowie die §§11, 14 und 19 Disziplinarstatut) wurden an das StGB angepaßt. ... Die derzeitige Fassung des § 19 DSt lautet wie folgt: 'Ist ein Rechtsanwalt oder ein Rechtsanwaltsanwärter wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung durch ein inländisches Gericht zu einer Strafe verurteilt worden, so ist nach § 29 vorzugehen'. Es ergibt sich daher, daß im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung eines Rechtsanwaltes der Disziplinarrat verpflichtet ist, nach § 29 DSt vorzugehen ohne Rücksicht darauf, ob bereits wegen dieses Verhaltens des Rechtsanwaltes ein Disziplinarverfahren anhängig ist oder war, bzw. ob sogar schon eine disziplinäre Verurteilung erfolgt ist. Der § 19 DSt in seiner neuen Fassung spricht nicht davon, daß etwa auf eine bereits erfolgte disziplinäre Verurteilung Bedacht zu nehmen ist oder etwa die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen eines bereits anhängigen Disziplinarverfahrens unterbleiben kann, sondern er schreibt ausdrücklich und zwingend vor, daß bei einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 29 DSt vorzugehen ist. ... Aus dem Gesagten ergibt sich daher, daß der Grundsatz 'ne bis in idem' durch das angefochtene Erkenntnis des Disziplinarrates nicht verletzt worden ist. Dieser Grundsatz ist auch aus einem weiteren
Grund nicht verletzt worden: Wenn man die beiden Schuldsprüche des Disziplinarrates im Erkenntnis vom , D 26/82, und im Erkenntnis vom , D 32/78, vergleicht, so kommt man zu dem Ergebnis, daß es sich hier nicht um dasselbe Disziplinardelikt, sondern um andere Tatbilder handelt, die dem Beschuldigten als disziplinäre Verfehlungen zur Last gelegt wurden. ... Geht man ... davon aus, daß das Disziplinarstatut nur zwei Disziplinarvergehenstatbestände unterscheidet, so ist zu sagen, daß im anwaltlichen Disziplinarrecht nicht bestimmte Tatbestände mit bestimmten Strafarten und bestimmten Höchststrafen bedroht werden, sondern es kann, von wenigen Ausnahmen (§13 DSt) abgesehen, jedes Disziplinarvergehen mit jeder Disziplinarstrafart belegt werden. Welche dieser Strafen im Einzelfall zu verhängen ist, richtet sich nach der Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile (§12 Abs 2 DSt). Das Disziplinarrecht ist daher kein tatbestandsmäßiges Recht wie das allgemeine Strafrecht, sondern es sind bei seiner Vollziehung alle disziplinären Verfehlungen auf Grund der Tatbildmerkmale diesen beiden disziplinären Tatbeständen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu unterstellen, wobei die nähere Umschreibung des Tatbildes und die Konkretisierung durch den Spruch des Disziplinarerkenntnisses zu erfolgen hat. ... Schon daraus ergibt sich, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um das gleiche Disziplinardelikt, daher nicht um die gleiche Sache handelt. Das vorliegende Erkenntnis des Disziplinarrates stellt auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschuldigten wegen schweren Betruges und die dadurch eingetretene erhebliche Schädigung des Ansehens der Rechtsanwaltschaft in der Öffentlichkeit ab. Es ist dies ein anderes, wesentlich schwereres Tatbild als jenes, welches auf Grund des Verhaltens des Beschuldigten im Spruche des Erkenntnisses D 32/78 näher umschrieben ist. Der Disziplinarrat mußte daher auf Grund der Tatsache der eingetretenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung dieses neue Disziplinardelikt zum Gegenstand seiner Verurteilung machen. ..."
4.3. Die Beschwerde ist im Recht.
Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht verletzt zu sein.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9726/1983) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Der VfGH geht davon aus, daß eine zwei- oder mehrmalige Verurteilung wegen ein und desselben Fehlverhaltens bei unveränderter Sach- und Rechtslage mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar ist. Der VfGH hält daher auch eine gesetzliche Regelung, die ohne Hinzutreten zusätzlicher Umstände eine Doppelbestrafung erlauben würde, für gleichheitswidrig, wenn sich eine sachliche Rechtfertigung für eine solche gesetzliche Anordnung nicht findet. Die bel. Beh. unterstellt § 19 DSt idF BGBl. 497/1974, wonach gegen Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter, die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung durch ein inländisches Gericht zu einer Strafe verurteilt worden sind, nach § 29 vorzugehen ist, den Inhalt, daß der Disziplinarrat verpflichtet sei, ohne Rücksicht darauf, ob bereits wegen des Verhaltens, das zur strafgerichtlichen Verurteilung führte, "ein Disziplinarverfahren anhängig ist oder war, bzw. ob sogar schon eine disziplinäre Verurteilung erfolgt ist" - gegebenenfalls - ein zweites Disziplinarverfahren durchzuführen. Diese Anordnung hält die bel. Beh. für zwingend, zumal § 19 DSt in seiner neuen Fassung nicht einmal davon spreche, daß etwa auf eine bereits erfolgte disziplinäre Verurteilung Bedacht zu nehmen ist. Wäre auf die bisherige Verurteilung tatsächlich nicht Bedacht zu nehmen, dann würde dies gegen das Gleichheitsgebot verstoßen. Der alleinige Umstand, daß zu einem an sich disziplinär zu ahndenden Fehlverhalten eine strafgerichtliche Verurteilung wegen dieses Fehlverhaltens hinzutritt, kann sachlich nicht rechtfertigen, für ein und dasselbe Fehlverhalten eine zweimalige disziplinäre Bestrafung einmal vor einer strafgerichtlichen Verurteilung und ein zweites Mal nach derselben - vorzusehen ohne auf die bisherige Verurteilung Bedacht zu nehmen.
Der VfGH sieht sich jedoch zur amtswegigen Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht veranlaßt, da der Wortlaut des § 19 DSt offenkundig eine verfassungskonforme Auslegung erlaubt.
Bereits vor der Novellierung des § 19 DSt entsprach es der herrschenden Auffassung (Lohsing 1925, S. 386, Lohsing-Braun 1950, S. 369), daß der dem Disziplinarrat nach einer strafgerichtlichen Verurteilung vorliegende Tatbestand das Strafurteil und nicht die diesem zugrundeliegende Tat ist; ob diese vor oder nach dem Zeitpunkt begangen wurde, von dem an der Verurteilte unter die Disziplinarstrafgewalt getreten ist, ist im Falle des § 19 DSt unerheblich. Dieser Rechtsauffassung tritt der VfGH bei, sie gilt auch für die nunmehrige Fassung des § 19 DSt. A n l a ß für ein Vorgehen nach § 19 DSt ist also die strafgerichtliche Verurteilung. In diesem Fall "ist nach § 29 DSt vorzugehen", also ein Mitglied des Disziplinarrates als Untersuchungskommissär zu bestellen, hievon der Kammeranwalt und der Beschuldigte in Kenntnis zu setzen und nach Abschluß der Untersuchung vom Untersuchungskommissär dem Disziplinarrat über das Ergebnis der Erhebung zu berichten. Sodann hat der Disziplinarrat nach Anhörung des Kammeranwaltes durch Beschluß zu erkennen, ob Grund zu einer Disziplinarverhandlung gegen den Beschuldigten vorhanden ist, und im bejahenden Fall durch den Einleitungsbeschluß den Beschuldigten und den Kammeranwalt zu verständigen. Bei Vorliegen eines Einleitungsbeschlusses ist das Disziplinarverfahren nach den auch sonst geltenden Regeln (§§30 ff DSt) durchzuführen.
Wird in einem solchen Fall im Wege des § 19 DSt nach § 29 DSt vorgegangen und im Rahmen des Einleitungsbeschlusses durch Erkenntnis der Beschuldigte für schuldig erkannt, hat das Erkenntnis jedoch auf eine bereits erfolgte disziplinäre Verurteilung Bedacht zu nehmen und auszusprechen, welche Auswirkungen eine frühere Verurteilung, einschließlich des Kostenersatzes, auf die nunmehrige Verurteilung hat. In diesem Zusammenhang wird das Erkenntnis daher auch zu prüfen haben, ob das seinerzeitige Verfahren und Erkenntnis von dem gesamten Tatbild ausgegangen ist, welches sich auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung ergibt oder nicht. Hat das seinerzeitige Verfahren (Einleitungsbeschluß und nachfolgendes Erkenntnis) das Gesamtbild (in objektiver und subjektiver Hinsicht), wie es später im strafgerichtlichen Urteil zum Ausdruck kommt, bereits umfaßt, wäre eine weitere Verurteilung als neuerliche Verurteilung in der Tat unzulässig. Ist dies jedoch nicht der Fall, dann ist der Disziplinarrat bzw. in der Folge die OBDK berechtigt und verpflichtet, auf Grund des gesamten Tatbildes, wie es sich nach dem strafgerichtlichen Urteil nunmehr ergibt - ein entsprechender Einleitungsbeschluß vorausgesetzt -, das Verhalten des Rechtsanwaltes zu prüfen und zu würdigen. Kommt es dabei zu einem Schuldspruch, dann ist ausgehend von der bindenden Wirkung des Strafurteiles - immer vorausgesetzt, daß es sich um dieselbe Tat, aber nur unter dem Gesichtspunkt eines anderen Tatbildes (sei es in objektiver, sei es in subjektiver Hinsicht), handelt - das Ergebnis der früheren Verurteilung (allenfalls unter gleichzeitiger Aufhebung oder Ergänzung der früheren Erkenntnisse) zu berücksichtigen.
Die Richtigkeit dieser Auslegung ergibt sich auch aus dem folgenden:
Nach § 14 DSt kann ein Rechtsanwalt, der von der Liste gestrichen wurde, vor Ablauf von drei Jahren ab dem Tage der Streichung nicht erneut in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werden. Wurde der Rechtsanwalt wegen der gleichen Tat - wenn auch das Gesamttatbild verschieden war - bereits vorher zur Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für eine beschränkte bzw. bestimmte Zeit verurteilt, dann ist diese Frist in die dreijährige Frist des § 14 DSt einzurechnen. Die Einrechnungspflicht gilt ferner für den Ausspruch über den Kostenersatz, sei es durch einen ergänzenden Ausspruch darüber, sei es durch die Aufhebung des Kostenersatzanspruches im seinerzeitigen Verfahren.
4.4. Geht man von dieser Rechtslage aus, dann ergibt sich für das vorliegende Verfahren folgendes:
Sowohl der ursprüngliche Einleitungsbeschluß, als auch das seinerzeitige Erkenntnis erster Instanz sind nicht davon ausgegangen, daß der Bf. wegen bewußt gemeinsamen Zusammenwirkens mit anderen Personen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, vorgegangen ist, sondern lediglich, daß er ihm bekannte Umstände verschwiegen hat, die zur Schädigung dritter Personen führten, wobei offen blieb, ob dies vorsätzlich oder fahrlässig geschah.
Die OBDK hat im Erkenntnis vom über die zeitliche Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten zwar von einer Bindung an das rechtskräftige Strafurteil gesprochen, aber nicht jenes Verhalten des Bf. ihrer Beurteilung zugrundegelegt, das ihm das Strafurteil zur Last gelegt hat, sondern ausgeführt, daß der Bf. "mindestens das ihm mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrates zur Last gelegte disziplinäre Verhalten begangen" hat. Die OBDK ist also (richtigerweise) bewußt nicht über den Einleitungsbeschluß bzw. das Erkenntnis erster Instanz hinausgegangen. Sie konnte dies allein schon deshalb nicht, da der Kammeranwalt seinerseits keine Berufung erhoben hat. Auch ihm war zu diesem Zeitpunkt weder die Einleitung des Strafverfahrens noch der volle strafrechtliche Sachverhalt bekannt.
In dem auf Grund des § 19 DSt in Gang gesetzten neuerlichen Disziplinarverfahren ist der Disziplinarrat und ihm folgend die bel. Beh. nunmehr - dem Strafurteil folgend zu Recht - von der bewußten Schädigung dritter Personen durch den Bf. ausgegangen. Die bel. Beh. hat jedoch in Verkennung der Rechtslage nicht die Frage der Auswirkung des Erkenntnisses des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , Z D 32/78, bzw. der OBDK vom , Z Bkd 55/82, und zwar sowohl hinsichtlich der Anrechnung der Strafe auf die Frist des § 14 DSt, als auch hinsichtlich der Kosten geprüft. Zur Anrechnung war sie jedoch verpflichtet, weil letztlich nur eine Tat zu beurteilen war. Dadurch hat sie den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dadurch verletzt, daß sie den Bf. wegen ein und derselben Tat - wenn sie auch unter verschiedenen Gesichtspunkten zu Recht zweimal geprüft wurde - insoferne mehrmals verurteilt hat, als die erfolgte Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten nicht in die dreijährige Frist des § 14 eingerechnet wurde und der Bf. zweimal zum Kostenersatz verurteilt wurde.
4.5. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG; in den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer im Betrage von S 1.000,-enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.