OGH vom 27.09.2013, 9ObA59/13m

OGH vom 27.09.2013, 9ObA59/13m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. H***** H*****, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 10 Ra 120/12h 18, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 6 Cga 143/11h 14, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob eine als Disziplinarmaßnahme bekämpfte Abmahnung auch dann gerichtlich überprüft werden könne, wenn eine betriebliche Disziplinarordnung und ein Betriebsrat iSd § 102 ArbVG fehle. Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Trotz der Erklärung der Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber nämlich die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (9 Ob 29/13z; 8 Ob 19/12w).

2. Die Unwirksamkeit einer Verwarnung ist nur dann feststellungsfähig iSd § 228 ZPO, wenn es sich bei der im Anlassfall ausgesprochenen schriftlichen Verwarnung der Beklagten nicht um eine bloße „schlichte“ Abmahnung, sondern um eine Disziplinarmaßnahme iSd § 102 ArbVG handelt. Dies entspricht auch der ständigen Judikatur (9 ObA 51/95 = ZAS 1995/23 [ Andexlinger ] = DRdA 1996/8 [ Marhold ] 9 ObA 2107/96k mwN; ua).

3. Während die „schlichte“ Abmahnung schwergewichtig zukunftsbezogen gestaltet ist und der Arbeitgeber damit seine vertraglichen Rügerechte ausübt, den Arbeitnehmer zu vertragsgerechtem zukünftigen Verhalten anzuhalten und vor Konsequenzen für den Bestand oder Inhalt des Arbeitsverhältnisses bei weiteren Verletzungen zu warnen, ist die Disziplinarmaßnahme auf die Sanktionierung des beanstandeten Verhaltens selbst gerichtet (RIS-Justiz RS0044168; Reissner in ZellKomm² § 102 ArbVG Rz 21; Cerny in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller , ArbVG Bd 3 4 § 102 Erl 1; Schrank in Tomandl , ArbVG § 102 Rz 12 ua).

4. Der Ausgang des Verfahrens hängt hier von Fragen der Auslegung einer Erklärung des Arbeitgebers ab, die typischerweise vom Einzelfall abhängen und in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS Justiz RS0042936; RS0042776). Das Erstgericht und implizit auch das Berufungsgericht gelangten zu dem Ergebnis, dass es sich bei der im Anlassfall von der Beklagten schriftlich ausgesprochenen Abmahnung der Klägerin um eine „schlichte“ Verwarnung handelte. Damit sollte die Klägerin nur unter Androhung „ernster disziplinärer Maßnahmen“ in der Zukunft davon abgehalten werden, das aus Sicht der Beklagten unrichtige Verhalten zu wiederholen. Eine Sanktionsmaßnahme sei damit aber nicht gesetzt worden. Diese Rechtsansicht ist nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls nicht unvertretbar. Aus der Androhung verschärfter disziplinärer Maßnahmen ergibt sich noch nicht zwingend, dass die Intention der Verwarnung jedenfalls so die Revisionswerberin eine Bestrafung sei. Der Ausspruch einer schriftlichen Verwarnung anstatt einer mündlichen dient im Wesentlichen Beweiszwecken. Selbst wenn die schriftliche Verwarnung mit der mündlichen Aussage verbunden gewesen sein sollte, dass die Verwarnung die Klägerin die nächsten 35 Jahre begleiten würde, würde dies noch keine abschließende Sanktionierung des beanstandeten Verhaltens bedeuten. Vielmehr ließe auch diese Aussage erkennen, dass die Abmahnung zukunftsbezogen gestaltet ist. Die im Übrigen unkonkretisiert gebliebenen Behauptungen der Klägerin, durch die Verwarnung sei ihr berufliches Fortkommen gefährdet und insbesondere im Bereich der Gehaltsvorrückung erleide sie Nachteile, mögen Grund für die Klageführung gewesen sein, ändern aber nichts an den einleitend wiedergegebenen Voraussetzungen der Feststellungsfähigkeit der Unwirksamkeit einer Verwarnung, auf die es hier ankommt.

5. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch die bloße Bestreitung des von ihr „präzisierten“ und auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der schriftlichen Verwarnung als Disziplinarmaßnahme gerichteten Klagebegehrens durch die Beklagte nicht zur Bejahung des Klagsanspruchs führen. Die Klägerin vernachlässigt das übrige, vorhergehende Beteiligtenvorbringen.

6. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS Justiz RS0035979).