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OGH vom 18.10.2016, 24Os8/15d

OGH vom 18.10.2016, 24Os8/15d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Hofstätter und Dr. Sturm Wedenig sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin, in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 32/13, 36/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Vertreters des Kammeranwalts Dr. Orgler, des Beschuldigten und seines Verteidigers Dr. Forcher zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Danach hat er in Vertretung von namentlich nicht genannten Klienten gegen zehn Gemeinderäte der Gemeinde S***** durch gleichlautende Schreiben vom , in welchen er zum Ausdruck brachte, dass ihnen im Falle eines aus seiner Sicht unrichtigen Abstimmungsverhaltens „ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und erhebliche Schadenersatzverpflichtungen drohen würden“ (ES 16 zweiter Absatz), unzulässig Druck ausgeübt und Einfluss auf ihr die Änderung des Flächenwidmungsplans betreffendes Abstimmungsverhalten in der Gemeinderatssitzung vom genommen.

Über den Beschuldigten wurde hiefür die Disziplinarstrafe einer Geldbuße in der Höhe von 1.500 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO relevierende (RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung wegen Schuld und Strafe (§ 49 letzter Satz DSt) des Beschuldigten.

Die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO) verkennt, dass Aktenwidrigkeit nur bei einer (erheblich) unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage vorliegt (RIS-Justiz RS0099547). Ein derartiges Fehlzitat der Angaben der Zeugin Mag. T***** (ON 21 S 5 f) macht der Berufungswerber mit seiner Kritik an den vom Disziplinarrat daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen (ES 13 zweiter bis vierter Absatz iVm ES 14 Mitte) nicht geltend (RIS-Justiz RS0099431).

Keine entscheidenden Tatsachen betrifft die (nominell aus § 281 Abs 1 Z 5 erster, vierter und fünfter Fall StPO bekämpfte) Annahme, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschuldigte Erkundigungen angestellt habe, ob seine Einwendungen gegen den von bis öffentlich aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde S***** berücksichtigt wurden.

Da das durch § 9 Abs 1 RAO iVm § 2 RL BA 1977 verpönte Verhalten bereits durch die bloße Androhung einer Strafanzeige (oder von Schadenersatzansprüchen [RIS Justiz RS0117500]) bewirkt ist, betrifft die Frage, ob sich einzelne Gemeinderäte dadurch in ihrer Existenz bedroht fühlten oder unter Angst und dadurch bedingten Störungen litten, ebenfalls keine entscheidenden Tatsachen (dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 399; vgl auch RIS-Justiz RS0127353).

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Feststellungen des Disziplinarrats (ES 14 f und ES 16 zweiter Absatz) und übersieht, dass der Bedeutungsinhalt einer Äußerung keine Rechts-, sondern eine im Rahmen der Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage ist (RIS-Justiz RS0092588; Ratz , WK StPO § 281 Rz 404). Weshalb die aus dem festgestellten Wortlaut der inkriminierten Schreiben (ES 3 ff) gezogenen Schlussfolgerungen des Disziplinarrats den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413, RS0116732) widersprechen sollten, macht die Rüge wiederum nicht deutlich.

Die Kritik an der (hypothetischen) Sachverhaltsannahme des Disziplinarrats, die den Gemeinderatsmitgliedern vom Beschuldigten als für sie möglich dargestellten nachteiligen Folgen seien – zufolge Einschreitens der Aufsichtsbehörde – (in praktischer Sicht) „nachgerade“ auszuschließen (ES 16 vierter Absatz), ist unter dem Aspekt der Rechtsrüge einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Dies gilt auch für die Kritik an der Konstatierung, der Berufungswerber habe wissentlich versucht, den Gemeinderatsmitgliedern „den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich im Falle einer Zustimmung zur Umwidmung des Amtsmissbrauchs schuldig machen würden“ (ES 16). Im Übrigen ist die Frage der wissentlichen Tatbegehung ohne rechtliche Relevanz (RIS-Justiz RS0120395, vgl auch RS0056913; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt, 855).

Die weitere Kritik an der vom Disziplinarrat vertretenen Rechtsauffassung orientiert sich nicht an der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen, der Beschuldigte habe – unmittelbar vor der zur Abstimmung in einer komplexen rechtlichen Causa anberaumten Sitzung des Gemeinderats (ES 17) – den Gemeinderatsmitgliedern ohne eingehende Prüfung der Rechtslage (ES 13 oben) für den Fall eines aus seiner Sicht unrichtigen Abstimmungsverhaltens „ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauches und erhebliche Schadenersatzverpflichtungen“ (ES 16 oben) in Aussicht gestellt, und leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb darin nicht eine – § 9 Abs 1 RAO iVm § 2 RL-BA 1977 widerstreitende – Androhung inadäquater Maßnahmen zur Durchsetzung der Ansprüche seiner Mandanten liegen sollte (vgl dazu RIS Justiz RS0106277, RS0055886, RS0056214, RS0056913, RS0056346).

Die Berufung wegen Schuld vermag mit den Hinweisen auf das Fehlen der Parteistellung der Mandanten des Beschuldigten und deren Möglichkeit zur Akteneinsicht, das (vom Disziplinarrat ohnedies angenommene [ES 14 f]) Zutreffen seiner Einwendungen und die Behauptung der – aus Aussagen eines von der Gemeinde eingesetzten Raumplaners in einer Gemeindezeitung vom März 2013 (vgl aber ES 14 f zum Einlangen zahlreicher Einwendungen ab dem ) abgeleiteten – Notwendigkeit des Vorgehens zur Wahrung der Interessen seiner Mandanten keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu wecken, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb die Äußerungen eines von der Gemeinde beauftragten Raumplaners indizieren sollten, dass die Gemeinderäte trotz erhobener Einwendungen wider besseres Wissen (vgl RIS-Justiz RS0106277) gesetzwidrig entscheiden werden. Indem der Berufungswerber den Annahmen des Disziplinarrats zum Bedeutungsinhalt seiner Äußerungen weiters – unter isolierter Hervorhebung einer Passage seiner Schreiben – eigenständige Erwägungen gegenüberstellt und daraus für sich günstigere Schlussfolgerungen ableitet, erzeugt er ebenfalls keine – gegebenenfalls im Rahmen der Behandlung der Schuldberufung durch den Obersten Gerichtshof wahrzunehmenden (§ 473 Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt) – Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung.

Der Berufung wegen Schuld war daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Beschuldigten – nicht Folge zu geben.

Auch die implizite (§ 49 letzter Satz DSt) Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe schlägt fehl. Während die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten mildernd wirkt, fallen ihm das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen und die Mehrzahl der durch sein Handeln betroffenen Personen als erschwerend zur Last. Die vom Disziplinarrat im untersten Bereich des bis zu 45.000 Euro reichenden Rahmens ausgemessene Geldbuße ist im Hinblick auf Tatunrecht und Täterschuld nicht überhöht und demnach einer Reduktion nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0240OS00008.15D.1018.000