OGH vom 03.08.2017, 24Os7/16h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Hofstätter und Dr. Sturm-Wedenig sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 6/14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, des Kammeranwalts Dr. Lindner und des Verteidigers Mag. Schaffer zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2./ und im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang zu Recht erkannt:
***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe als persönlich haftender Gesellschafter der I***** Rechtsanwälte OG eine mit Kaufvertrag vom übernommene Treuhandschaft entgegen § 10a Abs 2 RAO und Punkt IV./B./ 1./ des Statuts der Treuhandrevision nicht der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gemeldet, gemäß § 38 Abs 1 erster Fall DSt freigesprochen.
Hinsichtlich der ihm zu 1./ des angefochtenen Erkenntnisses unverändert zur Last liegenden Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt wird unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 12/12 ua, von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.
Im Übrigen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld nicht Folge gegeben.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruch über die Strafe wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 12/12 ua, zu einer Zusatzdisziplinarstrafe in Form einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.
Danach hat er unter Verstoß (zu 1./) gegen § 9 Abs 1 RAO und Punkt IV./A./2./ des Statuts der Treuhandrevision der Steiermärkischen Rechtsanwälte idF BRÄG 2010 und (zu 2./) gegen § 10a Abs 2 RAO und Punkt IV./B./1./ des genannten Statuts
1./ obwohl er persönlich Partei des Kaufvertrags vom hinsichtlich zweier Liegenschaften der Katastralgemeinde P***** war, die Urkundenverfasserin I***** OG, deren persönlich haftender Gesellschafter er war, als von den Vertragsparteien einvernehmlich und unwiderruflich bestellte Treuhänderin mit diversen Treuhandverpflichtungen beauftragt, und
2./ als persönlich haftender Gesellschafter der I***** Rechtsanwälte OG diese übernommene Treuhandschaft nicht der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer gemeldet.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe (§ 49 letzter Satz DSt).
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./ eine Gesetzwidrigkeit von Punkt IV./A./2./ des Statuts der Treuhandrevision der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer idF BRÄG 2010 – wonach eine Treuhandschaft in eigener Sache nicht übernommen werden kann – mit der Begründung reklamiert, dass dieser über die Verordnungsermächtigung nach § 27 Abs 1 lit g RAO hinausgehe und einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Freiheit der Erwerbstätigkeit bedeute, vernachlässigt sie den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RISJustiz RS0099654, RS0053859). Zur intendierten Antragstellung, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der genannten Norm wegen Gesetzwidrigkeit (Art 139 B-VG) begehren, ist der Berufungswerber nicht legitimiert (vgl RISJustiz RS0058452).
Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof gegen deren Anwendung keine Bedenken iSd Art 89 Abs 2 B-VG, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlassen würden, weil die Treuhandschaft als solche eine (ausnahmsweise zulässige) Form der Doppelvertretung (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 10 RAO Rz 12 mwN) darstellt, hinsichtlich welcher schon deren allgemeines Verbot (§ 10 Abs 1 RAO, § 12a RLBA) weder unverhältnismäßig ist, noch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum oder jenes auf Freiheit der Erwerbstätigkeit verletzt, zumal es nicht grundsätzlich die Tätigkeit als Rechtsanwalt ausschließt, sondern nur Fallkonstellationen festlegt, in denen ein Tätigwerden unzulässig ist (). Da eine Doppelvertretung nach bürgerlichem Recht aber jedenfalls dann unstatthaft ist, wenn zumindest der Anschein (vgl RISJustiz RS0055403 [T2]) einer Interessenkollision besteht (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht8§ 10 RAO Rz 4), ist in der kritisierten Bestimmung weder eine inhaltlich über die RAO hinausgehende noch den maßgeblichen verfassungsrechtlichen Normen zuwiderlaufende – und damit gesetzwidrige (Mayer/Muzak, BVG5 Art 139 II.1.) – Verpflichtung des Rechtsanwalts zu sehen.
Zutreffend zeigt die Rechtsrüge zu 2./ jedoch auf, dass – ausgehend von den getroffenen Feststellungen, wonach vorliegend weder ein Treuhandkonto eröffnet noch Treuhandaufträge erteilt wurden (ES 3) – ein Verstoß gegen § 10a Abs 2 RAO und Punkt IV./B./1./ des Statuts der Treuhandrevision der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer idF BRÄG 2010 nicht vorlag, weil gemäß § 10a Abs 4 RAO die Verpflichtung zur Meldung einer Treuhandschaft an die Treuhandeinrichtung der Rechtsanwaltskammer erst vor der ersten Verfügung über den Treuhanderlag bestand, sodass der bloße Abschluss einer Treuhandvereinbarung die Meldeverpflichtung (noch) nicht auslöste.
In teilweiser Stattgebung der Berufung war daher das angefochtene Erkenntnis im Schuldspruch zu 2./ sowie im Strafausspruch aufzuheben und der Beschuldigte vom betreffenden Vorwurf freizusprechen.
Insbesondere mit Blick auf die nicht vom Beschuldigten zu verantwortende lange Verfahrensdauer (vgl § 34 Abs 2 StGB) konnte unter Bedachtnahme auf das im Spruch genannte Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer von der Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarstrafe (RISJustiz RS0054840) abgesehen werden, weil bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die bereits im früheren Erkenntnis ausgesprochene (2.000 Euro Geldbuße) zu verhängen gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0240OS00007.16H.0803.000 |
Schlagworte: | 3 Alle Os-Entscheidungen,26 Standes- und Disziplinarrecht |
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