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VfGH vom 02.10.1992, B601/91

VfGH vom 02.10.1992, B601/91

Sammlungsnummer

13182

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht und im Eigentumsrecht durch Aufrechterhaltung der Vorschreibung einer Pfändungsgebühr für eine Amtshandlung des Abgabenvollstreckungsverfahrens nach Aufhebung des Titelbescheides

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Linz dem Beschwerdeführer eine Gebühr (samt Erhöhung) von 672.000 S vor. Am wurde seinem Abgabenkonto ein Säumniszuschlag angelastet und das Finanzamt Schärding um Hereinbringung des gesamten Rückstandes von 685.440 S ersucht. Für die am gesetzte Amtshandlung forderte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern gemäß § 26 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) mit Bescheid vom eine Pfändungsgebühr von 6.859 S und Postgebühren von 5 S.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Sein Ansuchen um Fristverlängerung zur Einbringung der Berufung gegen die Gebührenvorschreibung sei erst am Tag der Exekution abgewiesen worden. Noch am Tag der Zustellung des Bescheides über die Pfändungs- und Postgebühr habe der Beschwerdeführer Berufung gegen den dem Pfändungsversuch zugrundeliegenden Gebührenbescheid vom Juni 1990 eingelegt und einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

In seinem Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz bringt der Beschwerdeführer vor, seiner Berufung gegen den Gebührenbescheid vom Juni 1990 sei inzwischen vollinhaltlich stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben worden.

Gleichwohl wies die Finanzlandesdirektion seine Berufung gegen die Vorschreibung der Pfändungs- und Postgebühr ab. Es handle sich um eine reine Amtshandlungsgebühr. Die Amtshandlung sei nicht rechtsmißbräuchlich gewesen. Selbst eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist gegen den zugrundeliegenden Gebührenbescheid hätte den Eintritt der Fälligkeit nicht gehemmt. Die Fälligkeitsfolgen hätten nur durch einen (rechtzeitigen) Aussetzungsantrag oder einen Antrag auf Zahlungserleichterung vermieden werden können. Daß der Berufung gegen den Titelbescheid stattgegeben worden sei, habe mangels Akzessorietät des Verfahrens über Nebenansprüche im Sinne des § 4 Abs 2 BAO auf den Pfändungsgebührenbescheid keinen Einfluß.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz rügt. Die Steuergesetze seien in verfassungswidriger Weise angewendet worden oder selbst verfassungswidrig. Aus den §§221a und 295 BAO (das Zitat des § 211a ist ein offenkundiger Schreibfehler) gehe hervor, daß die Abänderung oder Aufhebung eines Abgabenbescheides zur Änderung oder Aufhebung jenes Bescheides führen müsse, der nicht hätte ergehen dürfen, wenn der andere schon bei seiner Erlassung abgeändert oder aufgehoben gewesen wäre. Pfändungsgebühren seien als Gebühren eines Vollstreckungsverfahrens Nebengebühren gemäß § 3 Abs 2 litd BAO und daher mit Aufhebung des Abgabenbescheides aufzuheben. Sie als nicht akzessorisch zu behandeln wäre sachlich nicht begründbar.

In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde insbesondere aus:

"Mit der Vorschreibung der betreffenden Pfändungsabgaben wird ein von anderen Verfahren losgelöstes, eigenes Verfahren eröffnet. Jede - von der Beschwerde immer wieder angeführte - Akzessorietät der Pfändungsgebühren wäre nicht gesetzeskonform. Der einzige Konnex zum ursprünglichen Verfahren liegt darin, daß sich die Amtshandlungsgebühr, von Ausnahmen abgesehen, prozentuell nach der Bemessungsgrundlage zu richten hat.

...

Nach Ansicht der belangten Behörde erlaubt es die Gesetzeslage, in denkmöglicher Weise Pfändungsgebühren trotz der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einordnung unter die Begriffe Kosten des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens nicht als eine solche Abgabe im Sinne der Bundesabgabenordnung zu werten, die in jeder Beziehung das rechtliche Schicksal jener Abgabe teilt, in deren Folge sie eingehoben wird. Da eine Pfändungsgebühr als Abgabe im Sinne der Bundesabgabenordnung anzusehen ist, erscheint es nicht denkunmöglich, § 4 BAO auf diese anzuwenden, sodaß § 26 Abgabenexekutionsordnung für die Gebühren und Auslagen den die Abgabepflicht begründenden Tatbestand im Sinne des § 4 BAO bildet. Demnach besteht der rechtlich erhebliche Zusammenhang zwischen jener Abgabe, deretwegen die Amtshandlung zur Einbringung derselben und der Gebühren und Auslagenersätze aber u.a. darin gegeben, daß die Abgabe nicht (rechtzeitig) entrichtet wurde. Ist dieser Abgabenanspruch jedoch durch Verwirklichung des Tatbestandes (Durchführung einer Amtshandlung) entstanden, so wird er durch eine später eintretende Änderung jenes Betrages, der der Amtshandlung zugrunde gelegen ist, nicht mehr berührt. Es kann daher als denkmöglich angenommen werden, daß die Entstehung des abgabenrechtlichen Anspruches auf Pfändungsgebühren und Auslagenersätze ausschließlich an die vorgenommene Amtshandlung geknüpft ist.

...

Aus der Diktion des § 295 BAO ergibt sich ein Rechtsanspruch der Normadressaten auf Abänderung oder Aufhebung von Bescheiden unter bestimmten Voraussetzungen. In der angefochtenen Entscheidung wurde ausdrücklich auf die Verschiedenartigkeit der Verfahren sowie ein weiteres Verfahren gem. § 295 BAO hingewiesen. Die Bestimmung des § 26 Abgabenexekutionsordnung, für sich allein betrachtet, könnte möglicherweise den Eindruck entstehen lassen, ein umfassender Rechtsschutz im Sinne der Bundesverfassung sei nicht gegeben. Dies trifft aber nicht zu, weil bei einer derartigen Überlegung nicht eine einzelne Bestimmung sondern die Gesamtheit der betreffenden Normen und ihr Zusammenwirken zueinander von Bedeutung sein muß. Gerade § 295 BAO verhindert spätestens gegen Ende eines Verfahrens, daß jemand mit Abgaben belastet bleibt, die rückblickend nicht entstanden wären, wäre das zugrundeliegende Verfahren bereits früher positiv abgeschlossen worden. Für das gegenständliche Verfahren ist daraus aber nichts zu gewinnen, da eine Maßnahme gem. § 295 BAO einem selbständigen Verfahren zuzuordnen wäre. Der Umstand, daß ein derartiges Verfahren gem. § 295 BAO zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht eröffnet war, konnte nicht von Bedeutung sein, da es nicht in irgendeiner gesetzlichen Abhängigkeit zu diesem Verfahren stand."

II. Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Bescheid unterstellt dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt und verletzt den Beschwerdeführer daher in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums.

1. Nach § 26 AbgEO hat der Abgabenschuldner für Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens unter anderem "die Pfändungsgebühr anläßlich einer Pfändung im Ausmaß von 1 % vom einzubringenden Abgabenbetrag" zu entrichten; wird jedoch an Stelle einer Pfändung lediglich Bargeld abgenommen, dann nur 1 % vom abgenommenen Geldbetrag (Abs1 lita). Diese Gebühren sind auch dann zu entrichten, wenn die Amtshandlung erfolglos verlief oder nur deshalb unterblieb, weil der Abgabenschuldner die Schuld erst unmittelbar vor Beginn der Amtshandlung an den Vollstrecker bezahlt hat (Abs2). Außer den Gebühren hat der Abgabenschuldner auch die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen zu ersetzen (Abs3). Gebühren und Auslagenersätze werden mit Beginn der jeweiligen Amtshandlung fällig und können gleichzeitig mit dem einzubringenden Abgabenbetrag vollstreckt werden; sie sind mit Bescheid festzusetzen, wenn sie nicht unmittelbar aus einem Verkauferlös beglichen werden (Abs4).

Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar (§226 BAO). Als Grundlage für die Einbringung ist über die vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit ein Rückstandsausweis auszufertigen (§229 BAO). Er bildet den Exekutionstitel für die Vollstreckung (§4 AbgEO).

Durch Einbringung einer Berufung wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten (§254 BAO). Auf Ansuchen des Abgabepflichtigen kann die Abgabenbehörde jedoch für Abgaben, hinsichtlich der ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises Einbringungsmaßnahmen in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung), wenn die sofortige Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird (§212 BAO). Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht oder dem kein Anbringen zugrundeliegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld (§212a Abs 1 BAO). Die Aussetzung der Einhebung ist jedoch unter anderem nicht zu bewilligen, insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint (§212a Abs 1 lita BAO). Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub (§212a Abs 5 BAO).

Aus diesen Vorschriften folgt, daß der Abgabepflichtige die Vollstreckung einer zuunrecht geforderten Abgabenschuld nicht in allen Fällen verhindern kann.

Für den Fall, daß eine Abgabenschuld nach einer Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben oder herabgesetzt wird, ist ein Wegfall der zu entrichtenden Pfändungsgebühren und Auslagenersätze, eine Aufhebung des sie vorschreibenden Bescheides oder die Rückzahlung schon entrichteter Gebühren und Ersätze nicht ausdrücklich vorgesehen. Eine derartige Bestimmung enthält nur der durch die BAO-Novelle 1980 eingeführte § 221a BAO für den Säumniszuschlag, der zu entrichten ist, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird (§217 BAO). Demnach ist bei Abänderung oder Aufhebung eines Abgabenbescheides über Antrag des Abgabepflichtigen der Säumniszuschlag insoweit herabzusetzen, als er bei Erlassung des den Abgabenbescheid abändernden oder aufhebenden Bescheides vor Eintritt der Säumnis nicht angefallen wäre; hätte demgemäß der Säumniszuschlag zur Gänze wegzufallen, so ist der Bescheid, mit dem er festgesetzt wurde, aufzuheben (Abs2).

Allgemein sieht der gleichfalls mit der BAO-Novelle 1980 eingeführte Abs 3 des § 295 vor, daß Abgabenbescheide ohne Rücksicht darauf, ob Rechtskraft eingetreten ist, auch sonst zu ändern oder aufzuheben sind, wenn der Spruch dieser Bescheide anders hätte lauten müssen oder diese Bescheide nicht hätten ergehen dürfen, wäre bei Erlassung eines der vorgenannten Bescheide ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen.

Die von der vorliegenden Beschwerde aufgeworfene Frage nach dem Schicksal der Pfändungsgebühren und Auslagenersätze nach Aufhebung des Titelbescheides ist allerdings eine andere. Es geht weder um die Sanktion einer Säumnis, die sich nachträglich als gegenstandslos herausstellt, noch um die Erlassung eines Bescheides, der auf einem anderen aufbaut, sondern - wie die belangte Behörde richtig ausführt - um die Tragung pauschalierter Kosten einer tatsächlich geschehenen (und im Zeitpunkt ihrer Durchführung rechtmäßigen) Amtshandlung. Entgegen der Meinung der Beschwerde ist daher die Lösung weder aus § 221a BAO noch aus § 295 (Abs3) BAO zu entnehmen.

2. Es kann aber auch der belangten Behörde nicht beigepflichtet werden, wenn sie den "einzigen Konnex zum ursprünglichen Verfahren", das den Exekutionstitel erzeugt hat, darin sieht, "daß sich die Amtshandlungsgebühr ... prozentuell nach der Bemessungsgrundlage zu richten hat." Der Exekutionstitel ist vielmehr - wie die Gegenschrift es selbst an anderer Stelle ausdrückt - "die Basis für Folgemaßnahmen". Die Exekution dient ausschließlich der Hereinbringung bestehender Abgabenschuldigkeiten und verliert mit Wegfall der Titelforderung ihre Grundlage. Erweist sich aber die Exekution (nachträglich) als unzulässig, fallen auch sämtliche gesetzten Maßnahmen fort: Nach § 16 Z 1 AbgEO "ist die Vollstreckung unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Vollstreckungsakte auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen, wenn der ihr zugrunde liegende Exekutionstitel durch rechtskräftige Entscheidung aufgehoben wurde" (Z1).

Von den Exekutionsgebühren ist in § 16 AbgEO zwar nicht ausdrücklich die Rede. Reeger-Stoll, Abgabenexekutionsordnung (1963) 80, leiten daraus aber ab, es kämen

"... auch bereits aufgelaufene Pfändungsgebühren und

Barauslagen in Abfall ... . Im Bescheid über die Einstellung

(Einschränkung) ist auszusprechen, inwieweit aufgelaufene Pfändungsgebühren oder Barauslagenersätze nicht anzufordern oder abzuschreiben sind".

Dafür könnte ins Treffen geführt werden, daß die Vorschreibung von Pfändungsgebühren und Barauslagen als (ausnahmsweise) Kostentragungspflicht Teil des Exekutionsverfahrens - und daher in § 26 AbgEO geregelt - ist und dessen Schicksal teilt. Ein unter Aufhebung aller bisher vollzogener Vollstreckungsakte eingestelltes Vollstreckungsverfahren könnte dann keine Wirkung mehr entfalten und auch als Grundlage einer Vorschreibung von Gebühren und Auslageersätzen nicht mehr in Betracht kommen. Das entspräche im Ergebnis der Regelung des § 376 EO, wonach der betreibende Gläubiger die Kosten der Exekution zur Sicherstellung (vor Eintritt der Rechtskraft) zu tragen hat, wenn ihm die Titelforderung rechtskräftig aberkannt wurde.

Es ist der belangten Behörde einzuräumen, daß der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 6915/1972 den Standpunkt der damals belangten Behörde für denkmöglich erachtet hat, die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages bestehe ohne Rücksicht auf die sachliche Richtigkeit der Steuervorschreibung und setze mithin nicht den Bestand einer sachlichen Abgabenschuldigkeit, sondern bloß den einer formellen Abgabenschuld voraus, so zwar, daß auch die nachträgliche Herabsetzung der vorgeschriebenen Steuer die Höhe des bereits verwirkten Säumniszuschlages nicht zu beeinflussen vermöge. Die Überlegungen dieses Erkenntnisses überträgt die belangte Behörde offenkundig auf den vorliegenden Fall, wenn sie sich in der Gegenschrift der Formulierung bedient, die "Gesetzeslage erlaube es, in denkmöglicher Weise" Pfändungsgebühren (damals: den Säumniszuschlag) "trotz der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einordnung unter die Begriffe" Kosten des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens (damals Nebenansprüche und Nebengebühren) "nicht als solche Abgabe (im Sinne der BAO) zu werten, die in jeder Beziehung das rechtliche Schicksal jener Abgabe teilt", in deren Folge sie eingehoben wird (damals: zu der sie als Nebengebühr erhoben wird). Aber abgesehen davon, daß es sich damals eben um Säumniszuschläge gehandelt hat (bei denen die Rechtslage seit der BAO-Novelle 1980 ohnedies eine andere geworden ist), übersieht die belangte Behörde, daß der Verfassungsgerichtshof selbst in diesem Zusammenhang schon mit Erkenntnis VfSlg. 8678/1979 eine Auslegung als Verstoß gegen den Gleichheitssatz angesehen hat, die bedeuten würde,

"... daß Fehlentscheidungen der Behörde nicht nur vorläufig hingenommen werden müssen",

sondern die gesetzlich vorgesehenen Folgen (damals: die aufschiebende Wirkung eines Ansuchens um Zahlungserleichterung) endgültig beseitigen könnten. Demgemäß hat auch Stoll in seiner Kommentierung des neu geschaffenen § 221a BAO unter Hinweis auf dieses Erkenntnis dargelegt, daß eine Verwirkung des Säumniszuschlages dann, wenn "die Abweisung der rechtzeitig beantragten Zahlungserleichterung bekämpft und die Aufhebung der Abweisung unter neuerlicher Zufristung im Rechtsmittelweg erreicht wird", mit einem "gravierenden rechtspolitischen und möglicherweise in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet" wäre (BAO-Handbuch, 1980, 551).

In der Tat sprechen verfassungsrechtliche Überlegungen gegen die Auslegung der belangten Behörde. Was gemäß § 221a BAO für die nachträgliche Zahlungserleichterung gilt, muß umso mehr für den Fall gelten, daß die Abgabenschuldigkeit, die den Exekutionstitel gebildet hat, durch Aufhebung des Abgabenbescheides nachträglich überhaupt ersatzlos weggefallen ist. Das Exekutionsverfahren kann nur Mittel zur Einbringung einer Abgabenschuld sein. Daran könnte selbst die (erfolgreiche) Beendigung der Exekution nichts ändern. Es darf für den Wegfall der Pflicht zur Entrichtung der Exekutionsgebühren und Auslagenersätze nicht entscheidend sein, ob der Exekutionstitel, aufgrund dessen die Amtshandlung vorgenommen wurde, vor Beendigung der Exekution oder nach diesem Zeitpunkt weggefallen ist. Es wäre nicht einzusehen und eine höchst unsachliche Regelung, wenn die aufgelaufene Pfändungsgebühr zwar im Falle der Einstellung der Exekution wegen Aufhebung des Titelbescheides, nicht aber im Falle der Aufhebung des Titelbescheides nach Beendigung der Exekution hinfällig würde.

Eine vor Rechtskraft des Titelbescheides unternommene Abgabenexekution läuft eben auch bezüglich der Kosten auf Risiko der Behörde.

3. Im Erkenntnis VfSlg. 10280/1984, das noch zur Rechtslage vor der BAO-Novelle 1980 erging, hat der Gerichtshof es abgelehnt, sich mit den Bestimmungen zu befassen, "welche Säumniszuschläge und Exekutionsgebühren für zu Unrecht vorgeschriebene Steuern vorsehen", weil diese in einem auf Nachsicht fälliger Abgaben gerichteten Verfahren nicht präjudiziell seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Abtretung der Beschwerdesache den Bescheid zwar aufgehoben, die Möglichkeit der Nachsichterteilung jedoch nur bei Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe nach Lage des Falles bejaht und in der späteren Herabsetzung der Abgabenschulden allein keine solche (ausnahmsweise) Unbilligkeit gesehen; wie für den Säumniszuschlag war er bezüglich der Pfändungsgebühr nämlich

"... - ebenfalls im Einklang mit Schrifttum und Rechtsprechung - der Meinung, daß diese Gebühr bereits aufgrund der Tatsache, daß die Amtshandlung (Pfändung) durchgeführt wird, entsprechend dem einzubringenden Betrag (abgenommenem Geldbetrag) anfällt ('Amtshandlungsgebühr') und auf sie daher eine spätere Herabsetzung der Abgabenschuld gleichfalls ohne Einfluß ist (Reeger-Stoll, Abgabenexekutionsordnung, S. 79, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 81/14/0038, und vom , Zl. 81/13/0161)."

Daß diese Rechtsansicht der von Reeger-Stoll vertretenen indessen nicht entspricht, ergibt sich schon aus der oben wiedergegebenen Stelle (S. 80). Das vom Verwaltungsgerichtshof bezogene Zitat betrifft ein anderes Problem; es heißt dort nämlich (beginnend auf S. 78):

"Die Pfändungsgebühr ist eine reine Amtshandlungsgebühr, sie wird daher insbesondere wegen der der Behörde bei Durchführung der Pfändung auflaufenden Kosten erhoben und ist sohin auch dann zu entrichten, wenn die durchgeführte Amtshandlung zu keiner Pfändung führte, sei es, weil kein pfändbarer Gegenstand vorgefunden oder der Schuldner nicht angetroffen wurde oder der Schuldner die Abgabenforderung unmittelbar vor Pfändung zur Gänze oder zum Teil an den Vollstrecker berichtigt hat."

Der Vergleich der beiden Kommentarstellen macht deutlich, daß der angenommene Einklang mit dem Schrifttum nicht besteht. Die mit dem Wegfall des Exekutionstitels zutage getretene Grundlosigkeit der Exekution etwas anderes als ihre bloße Erfolglosigkeit.

Auch die vom Verwaltungsgerichtshof angegebene Vorjudikatur betrifft in erster Linie die Bedeutung des Erfolges der Exekution. Soweit das Erkenntnis vom , Zl. 81/14/0038, eine gesetzliche Vorschrift für eine Änderung der Pfändungsgebühren nach der Amtshandlung vermißt (- vor der Amtshandlung ist eine solche ohnedies schlecht denkbar -), übersieht sie die §§16 und 17 AbgEO, wonach bei Aufhebung des Exekutionstitels unter Einstellung der Exekution "alle bis dahin vollzogenen Vollstreckungsakte" aufzuheben sind und dann, wenn der Einstellungsgrund nur hinsichtlich eines Teiles des vollstreckbaren Anspruchs eintritt, statt der Einstellung eine verhältnismäßige Einschränkung stattzufinden hat (was eine Einschränkung der Pfändungsgebühren in sich schließt).

Auch diese Rechtsprechung (auf die sich die Behörde übrigens weder im angefochtenen Bescheid noch in der Gegenschrift bezieht) zeigt daher kein Hindernis für eine verfassungskonforme Interpretation des Gesetzes auf.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß die Frage, ob nach Wegfall des Titelbescheides noch Pfändungsgebühren und Barauslagen für eine - als verfehlt erwiesene - Abgabenexekution zu zahlen sind, nichts mit der Frage der Gebührenpflicht (auch) erfolgreicher Rechtsmittel zu tun hat, gegen welche der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8105/1978 keine Bedenken geäußert hat, weil es die Bundesverfassung dem Gesetzgeber nicht verbiete, für die Inanspruchnahme behördlicher Tätigkeit Gebühren zu erheben und die Gebührenpflicht bereits an die Eingabe zu knüpfen. Der Unterschied der (erfolgreichen) Inanspruchnahme der Behörde durch die Partei und einer (grundlosen) Abgabenexekution liegt auf der Hand.

4. Daß die Auffassung der belangten Behörde, die Aufhebung des Titelbescheides sei im Rechtsmittelverfahren gegen die Vorschreibung von Pfändungsgebühren und Barauslagen nicht zu beachten, dem Gesetz fälschlich einen Inhalt unterstellt, der es, wenn es ihn hätte, verfassungswidrig machen würde, wird durch grundsätzliche Überlegungen erhärtet. Wie der Verfassungsgerichtshof in dem an seine ständige Rechtsprechung zum rechtsstaatlichen Prinzip anknüpfenden Erkenntnis VfSlg. 11196/1986 ausgesprochen hat und seither festhält, müssen die Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen, womit nicht nur die Erlangung einer Entscheidung rechtsrichtigen Inhalts, sondern auch die Umsetzung einer solchen Entscheidung in den Tatsachenbereich zu verstehen ist. Einschränkungen sind insoweit nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig (vgl. auch VfSlg. 11590/1987

S. 800, G199/80 vom und G293 u.a./91 vom ). Gesetzliche Regelungen, die sachlicherweise dazu führen, daß ein behördliches Fehlverhalten vorläufig hingenommen werden muß, dürfen daher - wenn dies irgendwie vermeidbar ist -, nicht so ausgestaltet werden, daß daraus endgültige Belastungen entstehen. Eine Notwendigkeit, mit den Kosten grundloser oder sich nachträglich als grundlos erweisender Exekutionsverfahren den Betroffenen zu belasten, kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen. Daß die Gesetzeslage zu dieser Annahme auch nicht zwingt, wurde bereits hinreichend dargetan.

Der angefochtene Bescheid verletzt den Beschwerdeführer daher im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und bewirkt dadurch auch eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums. Der Bescheid ist aufzuheben.

Der Kostenspruch stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).