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VfGH vom 26.06.2009, B601/07

VfGH vom 26.06.2009, B601/07

Sammlungsnummer

18816

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Inanspruchnahme der Liegenschaftseigentümerin als Haftungspflichtige für Abgabenschulden eines mittlerweile in Konkurs gegangenen Unternehmens infolge Hinfälligkeit einer "Rabatt-Vereinbarung"; Rabattgewährung über das in der Kanalordnung zulässige Ausmaß hinaus als eine im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährte Subvention unter Widerrufsvorbehalt zu deuten; Forderung auf Rückzahlung der tilgungshalber gewährten Subvention keine Abgabe

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin mehrerer

Grundstücke in der Gemeinde Bludesch. Auf einem dieser Grundstücke befand sich der Textilverarbeitungsbetrieb der D GmbH. Mit einer Vereinbarung aus dem Jahr 2002 hat die Gemeinde Bludesch der D GmbH einen 50%igen Mengenrabatt auf die Kanalbenützungsgebühr gewährt.

Am hat die D GmbH beim Landesgericht Feldkirch die Einleitung des Konkursverfahrens und den Abschluss eines Zwangsausgleiches beantragt, am beantragte sie in weiterer Folge die Schließung des Teilunternehmensbereiches "Textilveredelung". Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch wurde zunächst am die Schließung dieses Teilunternehmensbereiches bewilligt und am der Zwangsausgleich bestätigt sowie am der Konkurs aufgehoben.

1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters von Bludesch vom wurde die Beschwerdeführerin für die Kanalbenützungsgebühren des Jahres 2004 der D GmbH im Ausmaß von € 190.908,37 als Haftungspflichtige herangezogen. (Parallel dazu wurden der D GmbH Kanalbenützungsgebühren für das Jahr 2004 in der Höhe von € 312.153,06 [zuzüglich 10 % MwSt.] vorgeschrieben. Die Abgabenkommission der Gemeinde Bludesch als Berufungsbehörde hat diesen Bescheid insoweit abgeändert, als die Kanalbenützungsgebühren für das Jahr 2004 mit € 258.511,59 [zuzüglich 10 % MwSt.] festgesetzt wurden.)

Der der Beschwerdeführerin gegenüber ergangene Bescheid wurde von der Abgabenkommission der Gemeinde Bludesch insoweit abgeändert, als die Beschwerdeführerin nunmehr in der Höhe von € 99.926,33 (zuzüglich 10 % MwSt.) als Haftungspflichtige herangezogen wurde. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gegen die D GmbH das Insolvenzverfahren eingeleitet worden und die Beschwerdeführerin Eigentümerin der Grundstücke sei, auf denen die Abwässer der D GmbH angefallen wären. Die Vereinbarung über die Rabattgewährung zwischen der Gemeinde Bludesch und der D GmbH aus dem Jahr 2002 sei hinfällig, weil die D GmbH entgegen Punkt 6 der zuvor erwähnten Vereinbarung den Betrieb stillgelegt habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung keine Folge gegeben. Begründend wurde darin u.a. ausgeführt, dass gemäß § 23 Abs 2 Vbg. Kanalisationsgesetz, LGBl. 5/1989 idF LGBl. 58/2001, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin erfüllt seien, da sie Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke sei, auf denen die Abwässer der D GmbH angefallen seien und eine Uneinbringlichkeit der Kanalbenützungsgebühren auf Grund des bereits laufenden Insolvenzverfahrens anzunehmen sei. Im Weiteren führte die Vorstellungsbehörde aus:

"Sind die Voraussetzungen für die [Ina]nspruchnahme als Haftender erfüllt, ist überdies die Geltendmachung der Haftung ins Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Ermessensentscheidungen hat die Behörde innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach Billigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Da die [Beschwerdeführerin] zum Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden einziger Grundeigentümer jener Grundstücke war, auf denen das Abwasser anfiel, somit der einzig in Betracht kommende Haftende im Sinne des § 6 des Abgabenverfahrensgesetzes gewesen ist, haben die Abgabenbehörden ihr Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt ( Zl. 2001/14/099).

Die Einwendungen der [Beschwerdeführerin] betreffend die Rabattvereinbarungen vom / stellen einen Einspruch gegen die Richtigkeit der Abgabe dar und sind daher nicht in diesem Haftungsverfahren, sondern im Abgabenverfahren zu klären. Auf diese Einwendungen war daher in diesem Verfahren nicht näher einzugehen ( Zl. 2003/14/0095 und Zl. 2003/15/0125)."

2. In der nach Art 144 B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Verletzung in Rechten durch die Anwendung der verfassungswidrigen Norm des § 23 Abs 2 des Vbg. Kanalisationsgesetzes geltend gemacht.

3.1. Die einschlägigen Bestimmungen des Vbg. Gesetzes über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen (im Folgenden: Kanalisationsgesetz), LGBl. 5/1989 idF LGBl. 58/2001, lauten wie folgt:

"5. Abschnitt Kanalbenützungsgebühren

§19 Allgemeines

Sofern Gemeinden aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung durch Verordnung der Gemeindevertretung Gebühren für die Benützung ihrer Abwasserbeseitigungsanlage (Kanalbenützungsgebühren) vorschreiben, gelten hiefür die Bestimmungen dieses Abschnittes.

§20 Bemessung der Gebühren

(1) Der Berechnung der Kanalbenützungsgebühren ist die Menge der Schmutzwässer zugrunde zu legen.

(2) Die Gemeindevertretung kann durch Verordnung bestimmen, dass bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühren

a) neben Schmutzwässern auch Niederschlagswässer, die von angeschlossenen befestigten Flächen anfallen, heranzuziehen sind,

b) die von den nach lita heranzuziehenden befestigten Flächen anfallenden Niederschlagswässer und die nicht reinigungsbedürftigen Abwässer nur zum Teil, mindestens jedoch mit einem Viertel der anfallenden Menge, zu berücksichtigen sind.

(3) Die Menge der Schmutzwässer ist, vorbehaltlich der Bestimmung der Abs 6 und 7 lita, nach dem Wasserverbrauch zu ermitteln.

(4) Wenn andere als häusliche Abwässer der gemeinsamen Abwasserreinigungsanlage zugeführt werden, ist die Abwassermenge, soweit sie nicht nach Abs 7 litb außer Betracht bleibt, mit einem Schmutzbeiwert zu vervielfachen.

(5) Die Behörde kann die Anbringung und Instandhaltung geeichter Geräte zur Messung des Wasserverbrauches vorschreiben. Fehlen geeignete Messgeräte, ist der Wasserverbrauch zu schätzen.

(6) Auf Antrag des Gebührenpflichtigen sind verbrauchte Wassermengen, die nachweisbar nicht der Abwasserbeseitigungsanlage zufließen und mindestens 10 v.H. des Wasserverbrauches ausmachen, bei der Gebührenberechnung zu berücksichtigen. Der Nachweis kann vom Einbau einer geeigneten Abwassermessanlage abhängig gemacht werden.

(7) Die Gemeindevertretung kann durch Verordnung bestimmen, dass

a) die Kanalbenützungsgebühren insbesondere bei Wohnungen unter Annahme eines ortsüblichen Durchschnittsverbrauches pauschaliert werden,

b) bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühren bis zu 50 v.H. der anfallenden Schmutzwassermenge außer Betracht bleiben, wenn diese ein solches Ausmaß erreicht, dass sie geeignet ist, die auf eine Mengeneinheit des Schmutzwassers entfallenden Betriebskosten der bestehenden oder geplanten Abwasserreinigungsanlage zu verringern.

...

§22 Gebührensatz

(1) Der Gebührensatz ist so festzusetzen, dass das im Rechnungsjahr zu erwartende Aufkommen an Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für

a) den Betrieb und die Instandhaltung der Abwasserbeseitigungsanlage,

b) die Zinsen für Darlehen, die für die Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage aufgenommen worden sind, und für die eingesetzten Eigenmittel,

c) die Tilgung der Errichtungskosten der Abwasserbeseitigungsanlage in jährlichen Teilbeträgen von höchstens 5 v.H. der Errichtungskosten

nicht übersteigt. Ergibt der Rechnungsabschluss, dass die Kanalbenützungsgebühren das doppelte Jahreserfordernis übersteigen, so ist der Überschuss bei der nächsten Festsetzung des Gebührensatzes zu berücksichtigen, sofern er nicht dazu verwendet wird, ein geringeres Aufkommen an Gebühren als das doppelte Jahreserfordernis in vergangenen Rechnungsjahren abzudecken.

(2) - (3) ...

(4) Die Gemeindevertretung kann durch Verordnung für den Zeitraum, in welchem von einem Teil der anschlusspflichtigen Bauwerke und befestigten Flächen lediglich geklärte Abwässer eingeleitet werden dürfen, für diese einen um höchstens ein Drittel ermäßigten Gebührensatz festsetzen.

§23 Gebührenschuldner

(1) Die Kanalbenützungsgebühr ist vom Eigentümer des Bauwerkes oder der befestigten Fläche zu entrichten. Der § 11 Abs 5 gilt sinngemäß.

(2) Ist das Bauwerk oder die befestigte Fläche vermietet, verpachtet oder sonst zum Gebrauch überlassen, so ist die Kanalbenützungsgebühr dem Inhaber (Mieter, Pächter, Fruchtnießer u. dgl.) vorzuschreiben. Der Eigentümer haftet persönlich für die Abgabenschuld."

3.2. Die Kanalordnung der Gemeinde Bludesch vom in der Fassung der Verordnung der Gemeindevertretung vom , in Kraft getreten am , sah in § 16 - entsprechend der Ermächtigung des § 20 Abs 7 litb des Kanalisationsgesetzes - bei der Berechnung von Kanalbenützungsgebühren einen Mengenrabatt vor; diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Die Berechnung der Kanalbenützungsgebühren erfolgt bis zu einer Abwassermenge von 120.000 m³ pro Jahr nach den für alle Benützer geltenden Bestimmungen. Bei einer Abwassermenge ab 120.001 m³ wird auf die Menge ab 120.001 m³ ein Rabattsatz von 48% vom jeweiligen Gebührensatz gewährt."

3.3. Die hier anzuwendenden Bestimmungen des Vbg. Abgabenverfahrensgesetzes (Gesetz über allgemeine Bestimmungen, das Verfahren und das Strafrecht für die von den Behörden des Landes und der Gemeinden verwalteten Abgaben), LGBl. 23/1984 idF LGBl. 6/2004, lauten:

"§8 Ermessen

Ermessensentscheidungen sind innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach Billigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

...

§92 Geltendmachung von Haftungen

(1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Sachliche Haftungen, die nach Abgabenvorschriften an beweglichen Sachen bestehen, sind durch Erlassung eines die Beschlagnahme der haftenden Sachen aussprechenden Bescheides geltend zu machen.

(3) In Abgabenvorschriften vorgesehene sachliche Haftungen unbeweglicher Sachen sind nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung geltend zu machen.

(4) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig."

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie Folgendes ausführt:

"I. Einwendungen der Beschwerdeführerin:

1. § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes gewährt dem haftenden Eigentümer keinerlei Möglichkeit, die Abgabenschuld, für die er haften soll, auf ihre Richtigkeit im Instanzenzug zu überprüfen.

2. § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes begründet eine Haftung des Eigentümers eines Bauwerkes oder einer befestigten Fläche ohne Rücksicht auf die zivilgerichtliche Beziehung zum Inhaber alleine aus dem Gesichtswinkel seiner persönlichen Stellung als Eigentümer.

3. § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes normiert keine Ausfallshaftung im engeren Sinn, die Inanspruchnahme der Haftung liegt daher im Ermessen der Behörde und somit fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung für diese Regelung.

4. Die belangte Behörde hat eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt, indem sie die Frage der Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Haftung verwirft, auf die Einwendungen betreffend die Rabattvereinbarung nicht eingeht und auf das Abgabenverfahren verweist, obwohl die Beschwerdeführerin in diesem nicht einmal Partei war.

II. Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen:

Zu 1.:

Diese Behauptung ist unrichtig. Gemäß § 110 des Abgabenverfahrensgesetzes hat der Haftungspflichtige ein Berufungsrecht. Der nach Abgabevorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch mittels Berufung die Rechte geltend machen, die dem Abgabenpflichtigen zustehen. Die Regelung des § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes ist daher weder unsachlich noch gleichheitswidrig.

Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 110 des Abgabenverfahrensgesetzes Berufung gegen die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühren erhoben. Die Vorstellungsbehörde hat mit Bescheid vom , Zl. IIIa-221.162, die Vorstellung der Vorstellungswerberin als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid ist rechtskräftig.

Zu 2.:

Diese Behauptung trifft nicht zu. Es besteht ein begründeter sachlicher Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und der des Haftungspflichtigen. Der Eigentümer als Haftender muss nicht für Umstände einstehen, die außerhalb seiner Interessens- und Einflusssphäre liegen. Er bestimmt, wem er allenfalls das Bauwerk (Grundstück) zur Nutzung überlässt und inwieweit er sich vertraglich vor einer allfälligen Haftungsinanspruchnahme absichern will (z.B. durch Vorlage einer entsprechenden Bankgarantie oder einer Kaution).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Haftung für Abgaben- und Steuerschulden (VfSlg. 2896/1955, 11.771/1988, 11.921/1988, 13.583/1993 u.a.) ist dem Gesetzgeber bei der Umschreibung der für eine Abgabe haftenden Personen durch Art 7 B-VG insofern eine Grenze gesetzt, als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründbar ist. Die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche ergibt sich dabei einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit der Abgabe und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und der des Haftungspflichtigen (VfSlg. 11.942/1988, 15.784/2000 u.a).

In VfSlg. 11[.]942/1988 hat der Verfassungsgerichtshof die Regelung über die Haftung des Grundeigentümers für Abwassergebühren nach dem Wiener Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz als sachlich gerechtfertigt angesehen und nicht als verfassungswidrig aufgehoben. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes war das Ausmaß der zu erwartenden Abgabenbelastung, welches von der - dem Grundeigentümer bei Vertragsabschluss an sich bekannten - Verwendung abhängt, für den Haftungspflichtigen ausreichend vorherseh- und beeinflussbar. Im Erkenntnis vom , Zl. 2003/17/0334, hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 11[.]942/1988) bestätigt.

Gestattet der Liegenschaftseigentümer einem anderen die Nutzung der Liegenschaft, so gestattet ihm sein Eigentumsrecht (§354 ABGB) die wirtschaftliche Überwälzung der von ihm zu tragenden Abgaben (im Beschwerdefall die Kanalbenützungsgebühren). Siehe dazu das Erkenntnis des Zl 96/17/0002, (...). Die Haftungsregelung nach § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes ist daher sachlich begründet und verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Zu 3.:

Die Haftung nach § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes ist ein Besicherungsinstrument. Daraus ergibt sich eine gewisse Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des Hauptschuldners. Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, werden nach § 6 des Abgabenverfahrensgesetzes erst durch Geltendmachung dieser Haftung (§92) zu Gesamtschuld[n]ern. Die Haftungsinanspruchnahme liegt dabei im Ermessen (Art130 Abs 2 B-VG) der Abgabenbehörde; die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld ist keine Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme. Ermessensentscheidungen sind nach § 8 des Abgabenverfahrensgesetzes innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach Billigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Der Haftende darf daher in der Regel nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet, wesentlich erschwert, rechtlich nicht möglich oder unzulässig wäre.

Die Haftungsregelung des § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes ist daher weder unsachlich noch verfassungswidrig.

Zu 4.:

Die belangte Behörde war an die Bestimmungen des § 23 Abs 2 des Kanalisationsgesetzes gebunden. Die Frage, ob die Abgabenbehörden die Beschwerdeführerin zu Recht zur Haftung herangezogen haben, hat die belangte Behörde im Bescheid vom , Zl. IIIa-221.158, ausführlich beantwortet.

Im letzten Absatz auf Seite 8 des Bescheides vom , Zl. IIIa-221.158, hat die belangte Behörde unter Hinweis auf die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt, dass Einwendungen betreffend die Richtigkeit der Rabattvereinbarung nicht im Haftungsverfahren, sondern im Abgabenverfahren zu klären sind.

Die belangte Behörde ist im Vorstellungsbescheid vom , Zl. IIIa-221.162, der auch der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, auf Seite 7 letzter Absatz und auf Seite 8 erster Absatz auf die Einwendungen betreffend die Rabattvereinbarungen eingegangen. Darüber hinaus wird festgehalten, dass Vereinbarungen über den Inhalt einer Abgabenschuld - soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen sind - im Widerspruch zu dem aus Art 18 B-VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften stehen und daher abgabenrechtlich ohne Bedeutung sind ( Zl. 2003/17/0234). ...

Dass die Beschwerdeführerin im Abgabeverfahren betreffend die Kanalbenützungsgebühren 2004 Partei war, ergibt sich aus dem Bescheid der Vorstellungsbehörde vom , Zl. IIIa-221.162. Auf die Ausführungen in diesem Bescheid wird verwiesen.

Die Behauptung, dass die belangte Behörde eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hat, trifft daher ebenfalls nicht zu."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

1.1. Die belangte Behörde hat § 23 Abs 2 Satz 2 des Kanalisationsgesetzes, womit die Haftung des Grundstückseigentümers für Abgabenschulden seines Pächters oder Mieters normiert wird, im Ergebnis denkunmöglich angewendet:

1.1.1. Nach Lage der Verwaltungsakten hat die Gemeinde mit dem (später) insolventen Unternehmen am 16./ eine "Vereinbarung über Rabattgewährung" geschlossen. In dieser Vereinbarung wurde zunächst der Sache nach auf § 16 der Kanalordnung verwiesen, wonach dem Unternehmen für die Menge Abwasser, welche 120.000 m³ übersteige, ein 48%iger Rabatt gewährt werde.

Punkt 2 dieser Vereinbarung lautet:

"Die Gemeinde Bludesch gewährt nunmehr der Fa. ... auf das

gesamte betriebliche Abwasser, das der ARA-Walgau zugeführt wird[,] einen 50%igen Mengenrabatt".

Neben einer Verpflichtung der Gemeinde, in den Jahren 2003 und 2004 den "Abwassertarif (Kanalgebühr)" nicht zu verändern, es sei denn, der Durchschnitt des Verbraucherpreisindex 2000 steige in dieser Zeit über 10 %, enthielt diese Vereinbarung eine "Absichtserklärung für die Beibehaltung des Betriebsstandortes Gais", worin sich das Unternehmen "verpflichtet", den Standort des Betriebes für die Dauer der auf 10 Jahre abgeschlossenen Vereinbarung aufrecht zu erhalten. Eine Stillegung des Betriebes liege "jedoch dann vor, wenn wesentliche Betriebsteile ausgegliedert werden". Für den Fall einer Stillegung verpflichtete sich das Unternehmen unter Punkt 6 der Vereinbarung mit dem Titel "Förderungsrabattrückzahlung", den zusätzlich gewährten Rabatt für die letzten 12 Monate binnen 14 Tagen nach Aufforderung an die Gemeinde zurückzuzahlen.

1.1.2. Weder eine Norm des Kanalisationsgesetzes noch eine andere Rechtsvorschrift ermächtigten die Gemeinde dazu, "Rabatte" von Abwassergebühren über das in § 16 der Kanalordnung normierte Ausmaß hinaus einzuräumen bzw. sich die Rückforderung solcher Rabatte für den Fall des Eintritts oder Nichteintritts bestimmter Bedingungen vorzubehalten, wie die belangte Behörde der Sache nach selbst einräumt.

1.1.3. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die von der Gemeinde mit dem später insolvent gewordenen Unternehmen geschlossene Vereinbarung deshalb schlechthin nichtig wäre. Sie ist vielmehr im Zweifel so auszulegen, dass sie nicht rechtsunwirksam ist (vgl. dazu etwa VfSlg. 13.310/1992 zu einer privatrechtlichen Vereinbarung über besondere Belastungen einer Gemeindeeinrichtung durch einzelne Benützer), zumal der hiefür zuständigen Gemeindevertretung (vgl. § 50 Abs 1 litb Z 5 des Vorarlberger Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung, LGBl. 40/1985 in der zum Zeitpunkt der Genehmigung in Geltung gestandenen Fassung LGBl. 58/2001:

"vertragsmäßige Verfügung über die Gemeindeabgaben") ohne Not auch nicht unterstellt werden darf, bewusst rechtswidrige oder gar amtsmissbräuchliche Handlungen gesetzt zu haben.

1.1.4. Wirtschaftlich betrachtet konnte die Gemeindevertretung dem Unternehmen - wie in der Beschwerde mit Recht vertreten wird - mit der "Rabatt-Vereinbarung" zulässigerweise nur im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde eine Subvention in der Höhe der Hälfte der Abwassergebühren unter einer auflösenden Bedingung gewährt und die Abgabenschuld damit insoweit getilgt haben (vgl. zur Tilgungswirkung einer Subvention im Abgabenrecht VfSlg. 17.607/2005). In diese Richtung deutet auch die Bezeichnung des Nachlasses als ein "Förderungsrabatt" in der Rückzahlungsbestimmung des Punktes 6 der Vereinbarung.

Daher ist die genannte Vereinbarung, soweit darin eine Rabattgewährung über das nach § 16 der Kanalordnung zulässige Ausmaß hinaus gewährt wird, - gesetzeskonform - als Gewährung einer Subvention unter Widerrufsvorbehalt zu deuten.

Für den Fall des vertragsgemäßen Widerrufs dieser Vereinbarung wegen vereinbarungswidriger Werks(teil)schließung konnte daher die Gemeinde nicht mehr die - längst getilgte - Abgabenschuld nach-, sondern nur die zur Tilgung gewährte Subvention zurückfordern, die aber ihrerseits (anders als jene Verbindlichkeit, die mit der Gewährung dieser Subvention bei richtiger rechtlicher Betrachtung getilgt worden ist) keine Abgabe darstellt.

1.1.5. Zu einer solchen Abgabe wird eine Forderung auf Rückzahlung der tilgungshalber gewährten Subvention auch nicht dadurch, dass die Gemeinde die Verbindlichkeit als Abgabe bezeichnet und sich für die Rückforderung eines Abgabenbescheides bedient und sie auf diese Weise in das Kleid einer Abgabenvorschreibung gehüllt hat: Diese Umstände vermögen ungeachtet der Rechtskraft des Abgabenbescheides keine Bindungswirkung für das Haftungsverfahren dahin zu erzeugen, dass in diesem tatsächlich von einer echten Abgabe, für die von der Beschwerdeführerin nach § 23 Abs 2 Kanalisationsgesetz zu haften wäre, ausgegangen werden muss.

1.2. Dadurch, dass die Behörde die beschwerdeführende Partei als Liegenschaftseigentümerin dessen ungeachtet in Anspruch genommen hat, hat sie dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und ihren Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastet.

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

2. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.