OGH vom 16.11.1994, 9ObA210/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Werner W*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 12.484 sA und Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 59/94-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 14 Cga 66/93i-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
7.605 (darin S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit bis zu seiner Pensionierung am - zuletzt als Direktorstellvertreter - beschäftigt. Bei der beklagten Partei war es üblich, daß leitenden Mitarbeitern entweder eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt oder ihnen eine Mietaufwandsentschädigung gezahlt wurde. Mit Dienstvertrag vom erhielt der Kläger für die Dauer des aktiven Dienstverhältnisses eine Mietaufwandsentschädigung in Höhe von monatlich S 2.630 brutto zugesichert, die bei Auflösung des Dienstverhältnisses aufrecht bleiben sollte. Eine Wertsicherung der Aufwandsentschädigung wurde nicht vereinbart.
Im Zuge der Pensionierung des Klägers verpflichtete sich die beklagte Partei mit Schreiben vom , daß die dem Kläger zuerkannte Mietaufwandsentschädigung in Höhe von (damals) S 4.790 brutto monatlich für die Dauer des Ruhestandes aufrecht bleibe. Mit Schreiben der beklagten Partei vom wurde die Entschädigung ab auf S 5.220 erhöht. Von einer Wertsicherung war auch in diesem Zusammenhang nicht die Rede.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 12.484 als Differenz zur valorisierten Mietaufwandsentschädigung und die Feststellung, daß er einen Anspruch auf Valorisierung dieser Entschädigung nach dem Verbraucherpreisindex 1966 habe. In eventu begehrt er die Feststellung, daß er einen Anspruch auf Valorisierung nach dem Teilindex für Miete und Instandhaltung von Wohnungen mit Basis Juni 1983 habe. Die Valorisierung der Mietaufwandsentschädigung stehe im Zusammenhang mit der Wertsicherung seiner Rechtsanspruchspension und habe ebenso wie diese zu erfolgen. Mit Schreiben vom habe die beklagte Partei erstmals mitgeteilt, daß eine allfällige Valorisierung der Mietaufwandsentschädigung nach dem VPI/1976, Teilindex Miete und Instandhaltung von Wohnungen, durchgeführt worden sei, wobei kein Anspruch auf Valorisierung bestehe. Über Vorhalt des Klägers habe die beklagte Partei die Erhöhung am anerkannt und die Mietaufwandsentschädigung per um 7,5 % auf S 6.460 erhöht. Seither habe die beklagte Partei die Valorisierung aber einseitig eingestellt. Ein Gesamtabfindungsangebot für diese Entschädigung in Höhe von S 400.000 habe der Kläger abgelehnt.
Die beklagte Partei, die in erster Instanz durch eine Angestellte Austrian Industries AG vertreten wurde, beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger beziehe derzeit eine Vertragspension von S
32.607 brutto pro Monat zuzüglich einer Mietaufwandsentschädigung von monatlich S 6.460 brutto. Diese Entschädigung sei nicht Bestandteil des Pensionsvertrages und es sei dazu nie eine Valorisierung vereinbart worden. Soferne eine Valorisierung erfolgt sei, sei diese für einzelne Perioden vom Vorstand jeweils gesondert beschlossen und genehmigt worden. In den Jahren zwischen 1985 und 1990 sei keine Erhöhung erfolgt; erst im Jahr 1990, das ein Hochkonjunktursjahr gewesen sei, sei ausnahmsweise eine Anpassung der Entschädigung vorgenommen worden. Seit 1991 gebe es keine Erhöhung mehr. Die beklagte Partei habe den Wunsch des Klägers auf Valorisierung der Entschädigung stets abgelehnt. Das Leistungsbegehren werde der Höhe nach außer Streit gestellt.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren und dem eventualiter gestellten Feststellungsbegehren statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Obwohl in der "Standardvereinbarung" vom keine Wertsicherung der Mietaufwandsentschädigung vereinbart war, wurde die Mietaufwandsentschädigung sowohl für aktive Arbeitnehmer als auch für Pensionisten regelmäßig erhöht. Die Erhöhung orientierte sich am Verbraucherpreisindex, Teilindex für Miete und Instandhaltung von Wohnungen. Der Vorstand der beklagten Partei faßte jährlich Erhöhungsbeschlüsse. Die Erhöhungen wurden bis einschließlich 1985 vorgenommen und die Auszahlung der erhöhten Beträge erfolgte jeweils ohne Kommentar.
Da die letzte Erhöhung mit Jänner 1985 vorgenommen worden war, setzte sich der Kläger mit der beklagten Partei in Verbindung. Er vertrat den Standpunkt, daß er einen Rechtsanspruch auf Valorisierung der Mietaufwandsentschädigung erworben habe. Die beklagte Partei vertrat zwar ihrerseits den Standpunkt, daß kein solcher Rechtsanspruch bestehe; sie erhöhte jedoch kommentarlos die Entschädigung per um 7,5 % auf monatlich S 6.460 brutto. Dieser Betrag wird dem Kläger seither unverändert überwiesen. Mit Schreiben vom lehnte die beklagte Partei eine weitere Wertsicherung der Entschädigung endgültig ab.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß durch die jahrelange vorbehaltlose Valorisierung der Mietaufwandsentschädigung ein Rechtsanspruch des Klägers auch für die künftige Wertsicherung entstanden sei. Entsprechend der bisherigen Übung habe die Valorisierung so wie bisher nach dem Teilindex für Miete und Instandhaltung von Wohnungen des VPI zu erfolgen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und billigte dessen Rechtsansicht. Ergänzend führte es aus, daß der Kläger aufgrund der vorbehaltlosen Gewährung der Valorisierung auf einen Verpflichtungswillen der beklagten Partei vertraut habe und auch habe vertrauen dürfen. Die beklagte Partei habe nie auf die Unverbindlichkeit oder Widerrufbarkeit oder zumindest auf die Möglichkeit der Einstellung der Erhöhungen unter gewissen Bedingungen hingewiesen. Auf das in der Berufung enthaltene Neuvorbringen der beklagten Partei ging das Berufungsgericht nur zum Teil ein. Es hielt die im Schreiben vom enthaltene und ohne Präjudiz für den Standpunkt des Klägers erhobene Anfrage, ob von der beklagten Partei ein Vergleichsanbot erstattet werde, für nicht geeignet, die festgestellte Vertrauensposition des Klägers zu erschüttern. Der Kläger habe es auch in diesem Schreiben abgelehnt, ausschließlich von der Benevolenz der beklagten Partei abhängig zu sein, da er es rechtlich für vertretbar gehalten habe, einen Anspruch auf Valorisierung der Entschädigung zu haben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klagebegehren abgewiesen werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung verliert eine vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern regelmäßig gewährte Leistung, mit der die Arbeitnehmer rechnen können, dann den Charakter der Freiwilligkeit und begründet einen Anspruch auf Weiterzahlung, wenn mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerrufbaren Charakters der Zuwendung ein Entgeltanspruch als stillschweigend vereinbart angenommen werden kann. Entscheidend ist, welchen Eindruck die Arbeitnehmer von dem schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mußten, nicht aber das Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers (rechtsgeschäftliche Wirkung). Es kommt lediglich darauf an, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung dem gesamten Erklärungsverhalten des Arbeitgebers entnehmen duften (vgl Arb 6.512, 7.281, 7.534, 8.049, 9.427, 9.430, 9.579, 9.786, 10.493, 10.602, 10.763, 10.980; DRdA 1989/2 [W.Schwarz] uva).
Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen erhöhte die beklagte Partei seit Abschluß der Vereinbarung vom die gewährten Mietaufwandsentschädigungen in nachvollziehbarer Weise kommentarlos bis Jänner 1985, sohin über ein Jahrzehnt. Da der Kläger am in Pension gegangen war, kam er auch noch im Ruhestand - so wie die anderen Pensionisten - in den Genuß der Erhöhungen. Der Vorstand der beklagten Partei faßte alljährlich entsprechende Valorisierungsbeschlüsse, die sich am genannten Teilindex orientierten. Zu Recht sind daher die Vorinstanzen von einer regelmäßigen vorbehaltlosen Leistung der beklagten Partei ausgegangen, obgleich deren Periodizität nicht auf bestimmte Zeitpunkte (Indexsprünge) abgestellt war. Die Arbeitnehmer und sohin auch der Kläger durften die wiederkehrenden Leistungen der beklagten Partei mangels eines unzweifelhaften und eindeutigen Vorbehalts (arg: kommentarlos) als rechtsgeschäftlichen Erklärungswillen der beklagten Partei deuten und konnten dieser Übung durch die Annahme der Erhöhungen schlüssig zustimmen. Die Valorisierung ist zu einem Entgeltbestandteil geworden, mit dem der Kläger rechnen konnte. Der weite Entgeltbegriff, dem jede Art von Leistung des Arbeitgebers zu unterstellen ist, die dem Arbeitnehmer für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird, bestärkt entgegen der Ansicht der Revisionswerberin den Vertrauenstatbestand erheblich, weil es naheliegt, daß der Arbeitnehmer als Gegenleistung mit einer zusätzlichen Vergütung rechnen darf, so daß Arbeitgeber, die wiederkehrende (freiwillige) Leistungen erbringen, sich aber nicht binden wollen, schon nach der Verkehrssitte einen entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalt machen müssen (vgl Bydlinski, Privatautonomie 22; W.Schwarz, DRdA 1989, 38 mwH).
Dem Einwand der Revisionswerberin, daß der Kläger nach der letzten Erhöhung im Jahre 1985 erst wieder im Jahre 1989 an die beklagte Partei herangetreten sei, wodurch sein Vertrauen auf den Verpflichtungswillen der beklagten Partei in Zweifel gezogen werden müsse, ist entgegenzuhalten, daß er einerseits nicht auf seinen Anspruch verzichten wollte (Verjährung, S 35 dA) und die beklagte Partei seinen Vorhaltungen ohnehin dadurch Rechnung trug, daß sie die Mietaufwandsentschädigung per kommentarlos um 7,5 % valorisierte. Der Kläger hatte somit keine Veranlassung, schon früher auf die Zuhaltung der Wertsicherung zu klagen. Daß die Erhöhungen - wie festgestellt - indexorientiert waren und zumindest bestimmbar sind, ergibt sich schon daraus, daß die beklagte Partei das Leistungsbegehren der Höhe nach außer Streit stellen konnte (S 15 dA).
Die Frage, ob die von der beklagten Partei im Berufungsverfahren vorgebrachten Neuerungen im Sinne des § 63 Abs 1 ASGG zulässig waren, kann dahingestellt bleiben, weil es auf diese Neuerungen nicht ankommt. Mit ihrem Einwand, das Vertrauen des Klägers und die Verpflichtung der beklagten Partei zur Valorisierung habe sich einschränkend nur auf Zeiten wirtschaftlicher Prosperität beziehen können, übersieht die Revisionswerberin, daß eine Bedachtnahme auf die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse einen entsprechenden Vorbehalt erfordert hätte. Der Kläger hat aber durch die ein Jahrzehnt lang vorbehaltlos gewährte Wertsicherung bereits einen uneingeschränkten vertraglichen Anspruch auf die Valorisierung seiner Mietaufwandsentschädigung erworben, der ihm nicht mehr im nachhinein wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse einseitig entzogen werden konnte. Wie der Oberste Gerichtshof bereits eingehend dargelegt hat, trifft es nämlich entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht zu, daß es unausgesprochene und typische Grundlage einer entgeltwerten Leistung des Arbeitgebers sei, daß das Unternehmen in der Lage ist, diese Leistungen auch zu erwirtschaften oder wie die Revisionswerberin meint, daß jedem Arbeitnehmer bewußt sein müsse, daß freiwillige Leistungen nur aufgrund eines wirtschaftlichen Kalküls gewährt würden. Abgesehen davon, daß eine bereits ein Jahrzehnt gewährte Leistung den Charakter der Freiwilligkeit schon verloren hat, haben Beweggrund oder Endzweck des Rechtsgeschäfts auf die Gültigkeit entgeltlicher Verträge grundsätzlich keinen Einfluß, es sei denn, die Parteien hätten den Beweggrund oder den Endzweck ausdrücklich zur Bedingung gemacht (vgl DRdA 1989/30 mwH; auch Rummel, Betriebspension in der Krise - Widerruf wegen Dürftigkeit? DRdA 1989, 366 ff). Es bedarf daher aufgrund des bereits vorher entstandenen Valorisierungsanspruches keiner Feststellung, ob sich die wirtschaftliche Lage der beklagten Partei im Jahre 1985 so dramatisch verschlechert habe, daß ihr die Aufrechterhaltung der Wertsicherung, die im übrigen nachgeholt wurde, unzumutbar geworden sei. Eine einseitige Rechtsgestaltung steht auch im Arbeitsrecht einem Vertragspartner nur dort zu, wo sie ihm vom Gesetz oder vom Vertrag (im Rahmen des Gesetzes und den guten Sitten) eigens eingeräumt ist (vgl Rummel aaO 366).
Die Kostenentscheidung ist den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.