VfGH vom 07.03.1990, b597/89
Sammlungsnummer
12303
Leitsatz
Gesetzmäßigkeit der Übergangsbestimmungen des ArtII Abs 2 NotstandshilfeV-Novelle 1988, BGBl. 319/1988; keine gleichheitswidrige Bestimmung des Zeitpunktes des Wirksamwerdens der Änderung bezüglich bestimmter Ansprüche; Verfassungskonforme Neubemessung der Notstandshilfe
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführerin wurde für die Zeit vom bis Notstandshilfe von täglich 243,90 S (einschließlich einer Familienzulage), also monatlich 7.317 S zuerkannt. Mit Berufung auf § 1 der Notstandshilfeverordnung (NHV) idF der Novelle BGBl. 319/1988, wonach Notstandshilfe in der Höhe von 92 % des in Betracht kommenden Grundbetrages des Arbeitslosengeldes gebühre, setzte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 7. Feber 1989 die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. bis auf täglich 230,70 S, also monatlich 6.921 S herab. Nach Art. II Abs 2 der genannten Novelle sei der Anspruch mit neu zu bemessen gewesen. Die Berufung der Beschwerdeführerin blieb erfolglos.
Die gegen den Berufungsbescheid des Landesarbeitsamts gerichtete Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die in Rede stehende Novelle habe das Ausmaß der Notstandshilfe abgeändert. Die Übergangsbestimmung des Art. II Abs 2 wahre zwar bereits zuerkannte Ansprüche bis zum Ablauf des zuerkannten Höchstausmaßes, aber nur "längstens bis ". Damit greife sie ohne gesetzliche Deckung in laufende Bezüge ein. Denn nach § 24 Abs 1 AlVG sei Arbeitslosengeld (und damit auch Notstandshilfe) nur dann neu zu bemessen, wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert. Darunter seien nur tatsächliche Voraussetzungen, nicht aber die Änderung der Notstandshilfeverordnung zu verstehen.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 36 Abs 1 ArbeitslosenversicherungsG 1977, BGBl. 609, erläßt der Bundesminister für soziale Verwaltung (jetzt für Arbeit und Soziales) nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe. Die Richtlinien haben - ungeachtet ihres Ranges als bloße Verordnung - dieselbe Wirkung wie eine gesetzliche Regelung des Ausmaßes der Notstandshilfe. Nach § 24 Abs 1 AlVG, der nach § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden ist, ist die Leistung neu zu bemessen, wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert. Die bescheidmäßige Zuerkennung einer Leistung wirkt also grundsätzlich nur unter gleichbleibenden Verhältnissen (rebus sic stantibus) weiter. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, daß das Gesetz auch einer Gleichbehandlung der Arbeitslosen unabhängig vom - zufälligen - Zeitpunkt der Zuerkennung einer Leistung nichts in den Weg stellt. Der für § 24 Abs 1 AlVG maßgebliche Grundgedanke läßt sich auf die Änderung der Vorschriften über das Ausmaß der Notstandshilfe übertragen. Auch die Änderung der Notstandshilfeverordnung löst folglich die Neubemessung der Notstandshilfe aus. Daß der Verordnungsgeber die Änderung für Arbeitslose, die schon Notstandshilfe beziehen, nicht sofort wirksam werden läßt, hindert ihn nicht daran, sie gleichwohl spätestens mit Beginn des nächsten Kalenderjahres eintreten zu lassen. Er darf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung zum Zweck einer gewissen Gleichbehandlung auch dann bestimmen, wenn er zunächst auf bereits zuerkannte Ansprüche Bedacht nimmt.
Aus Anlaß der Beschwerde sind daher keine Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides entstanden. Das Verfahren hat auch sonst keine vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtswidrigkeiten ergeben. Ob die Neubemessung der Notstandshilfe trotz der späten Erlassung des Bescheides eine Rückzahlungspflicht im Sinne des § 25 AlVG ausgelöst hat, war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).
Fundstelle(n):
AAAAE-04674