OGH vom 28.06.1995, 9ObA57/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Julius Schuszter und Dr.Wilhelm Gloss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde M***** Betriebsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Augustin P*****, Gemeindebeamter, ***** vertreten durch Dr.Peter Philipp, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 58.049,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 33 Ra 113/94-57, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 4 Cga 21/93y-50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben; die Arbeitsrechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen wird.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Beklagte ist seit Beamter der Stadtgemeinde M*****. Mit Vereinbarung vom verpflichtete sich die Stadtgemeinde M*****, den Beklagten zu 90 % des Vollbeschäftigungsausmaßes ab der Klägerin als Sachbearbeiter und Stellvertreter des Direktors der Bestattung zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin erklärte dazu, daß sie den zur Verfügung gestellten Bediensteten in demselben Arbeitsgebiet beschäftige, in dem er bisher tätig war. Der Beklagte arbeitete bei der Klägerin in der städtischen Bestattung. In der Zeit vom bis erhielt der Beklagte insgesamt S 58.049,-- an Provisionen für die Vermittlung von Gesangsdarbietungen bei Begräbnissen.
Mit der am eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe der unrechtmäßig empfangenen Provisionen im Sinne der §§ 13 Abs 2 AngG und 1009 ABGB. Der Beklagte habe die Provisionen verlangt und erhalten, obwohl er dazu nicht berechtigt gewesen sei. Davon habe die Klägerin erst Ende des Jahres 1990 Kenntnis erlangt. Diese Vorgangsweise sei von der Klägerin weder geduldet noch gebilligt worden. Soweit sich der Beklagte auf die Zustimmung des Egon M***** als eines der lediglich kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer berufe, sei ihm entgegenzuhalten, daß dieser selbst nur Gewalthaber gewesen sei und unter Vollmachtsmißbrauch gewollt und bewußt daran mitgewirkt habe, die Klägerin um die ihr gemäß § 1009 ABGB zustehenden Provisionsansprüche zu schmälern. Es wäre sittenwidrig, wenn sich die Klägerin das gegen interne Beschränkungen verstoßende Handeln dieses Geschäftsführers zurechnen lassen müßte.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Schon vor etwa 35 bis 40 Jahren sei es zwischen den Beamten der Bestattungsabteilung der Stadtgemeinde M***** und einem Gesangsverein zu einer Vereinbarung gekommen, wonach die Beamten privat Gesangsdarbietungen bei Begräbnissen vermitteln und dafür 20 % des Rechnungsbetrages als Entschädigung für Mühewaltung erhalten. Diese Vorgangsweise sie nie verheimlicht worden und allgemein bekannt gewesen. Der Beklagte sei von seinem Vorgänger in diese Praxis eingeführt worden. Sowohl der nunmehrige Geschäftsführer der Klägerin, Ing.Wilhelm W*****, als auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats hätten von den Provisionen Kenntnis gehabt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Als der Beklagte bei der Stadtgemeinde M***** seine Tätigkeit bei der Bestattung begann, war Egon M***** Bestattungsdirektor und sein Vorgesetzter. Dieser hatte als Bestattungsbeamter selbst Gesangsprovisionen bezogen. Nach seiner Ernennung zum Bestattungsdirektor erklärte er zu den anderen Aufnahmebeamten, daß nun sie seine Provisionen erhalten.
Im Jahr 1981 wurde die Klägerin als selbständige Betriebsgesellschaft mbH gegründet. Ihre kollektivvertretungsberechtigten Geschäftsführer waren Oberamtsrat Egon M***** und Amtsdirektor Ing.Wilhelm W*****. Bis zu seinem Ausscheiden im September 1986 kümmerte sich Egon M***** um die Agenden der Bestattung und Ing.Wilhelm W***** um die anderen angeschlossenen Betriebe. Seit September 1986 ist Ing.Wilhelm W***** alleiniger Geschäftsführer. Die "Gesangsfirma" Rudolf R***** hat mit den Wiener Stadtwerken - Bestattung einen Vertrag, wonach sie für Gesangsdarbietungen bei Begräbnissen zuständig ist. Sie stellt die erforderlichen Sänger bei. Für die Vermittlung der Gesangsdarbietungen steht der Gemeinde Wien eine 20 %ige Provision zu, welche sie sich einbehält. Mit der Stadtgemeinde M***** besteht kein solches Vertragsverhältnis. Rudolf R***** wurde aber auch dort für die Organisation von Gesangsdarbietungen bei Begräbnissen herangezogen. Der Ansprechpartner bei der Klägerin war für Rudolf R***** der Beklagte, der nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers Egon M***** Bestattungsdirektor geworden war. Vereinbarungsgemäß wurden vom einkassierten Betrag für Gesangsdarbietungen an Rudolf R***** nur 80 % weitergegeben. Dieser gestand den mit der Gemeinde Wien vereinbarten Provisionssatz von 20 % auch allen anderen Bestattungsinstituten zu.
Diese Gesangsprovisionen erhielten außer dem Beklagten alle Aufnahmebeamten sowie eine mit Büroarbeiten betraute Dienstnehmerin. Mit dem Geschäftsführer der Klägerin hat Rudolf R***** nie gesprochen. Die Tatsache, daß Rudolf R***** den vermittelnden Aufnahmebeamten eine Gesangsprovision zahlt, erfuhr der Geschäftsführer Ing.W***** erst Ende November 1990. Bis dahin hatte er dies weder aus Erzählungen Dritter noch aus eigener Wahrnehmung gewußt. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde M***** und Eigentümervertreter in der Klägerin erlangte erst im Dezember 1990 davon Kenntnis, daß Bedienstete Gesangsprovisionen erhalten.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte als Geschäftsbesorger im Sinne des § 1009 ABGB eine umfassende Treuepflicht gehabt habe ("redlich.... besorgen"). Zu den der Treuepflicht innewohnenden Unterlassungspflichten gehörten ein Geschenkannahmeverbot, Verschwiegenheitspflicht und ähnliches. Die Herausgabepflicht gemäß § 1009 ABGB umfasse auch die Herausgabe der erzielten Provisionen, von denen kein maßgebliches Organ der Klägerin gewußt habe. Das Argument des Beklagten, aus Gründen der Gleichbehandlung könne die Provision von ihm nicht verlangt werden, sei nicht stichhältig, weil die Klägerin auch eine andere Aufnahmebeamtin zur Schadensgutmachung herangezogen habe.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Vorgesetzten des Beklagten, Egon M*****, der später die Funktion eines Geschäftsführers innegehabt habe, die Provisionszahlungen durch Rudolf R***** wohl bekannt gewesen seien, zumal er selbst lange Zeit Empfänger dieser Provisionen gewesen sei. Diese Kenntnis hätte ihn als Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu setzen, wenn er von der bisher geübten Vorgangsweise hätte abgehen wollen. Daß der zweite Geschäftsführer Ing.W*****, davon nichts wußte, sei unerheblich, weil die Kenntnis des Geschäftsführers Egon M***** bereits genügt habe, um die Handlungspflicht der Klägerin zu begründen. Der Beklagte habe daher nach Treu und Glauben davon ausgehen können, daß die Klägerin durch ihr Stillschweigen ihres Geschäftsführers Egon M***** in Kenntnis der Provisionszahlungen diese Zuwendungen konkludent genehmigt habe. Das Ausscheiden Egon M***** aus der Geschäftsführung und die alleinige Geschäftsführung durch Ing.W***** seit 1986 habe keine Änderung der bereits durch mehrere Jahre gegebenen konkludenten Zustimmung bewirkt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits im ersten Rechtsgang ausführte, hindert der Mangel einer direkten Beziehung nicht, daß der Vertrag zwischen der Stadtgemeinde M***** und der Klägerin sowohl für diese als auch für den überlassenen Beklagten zur Grundlage von Schutzpflichten zugunsten des Beschäftigers wurde (§§ 1 bis 4 AÜG). Soweit der Beklagte für die Klägerin Arbeiten zu verrichten hatte, die mit einer Geschäftsbesorgung verbunden waren, seien in sinngemäßer Anwendung des § 1151 Abs 2 ABGB auch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag zu beobachten. Auch der Beklagte sei daher bei Geschäftsbesorgungen verpflichtet gewesen, der Klägerin als Geschäftsherrin allen aus dem Geschäft entspringenden Nutzen zu überlassen (§ 1009 ABGB). Es sei ihm nicht gestattet gewesen, ohne Willen der Klägerin in Rücksicht auf die Geschäftsverwaltung von einem Dritten Geschenke anzunehmen. Einer Provision für den Vertreter, die bei der Preiskalkulation des Dritten nicht berücksichtigt wurde, weil sie vom Dritten unter Verzicht auf einen Teil des Gewinns gewährt wurde, komme die Bedeutung eines versteckten Preisnachlasses zu; sie sei damit ein aus dem Geschäft entspringender Nutzen, auf dessen Herausgabe der Geschäftsherr Anspruch hat. Die Geltendmachung des Herausgabeanspruches durch den Geschäftsherrn in bezug auf die erfolgte Zuwendung sei regelmäßig nicht als Sanierung der Treuepflichtverletzung des Geschäftsbesorgers zu werten. Das Klagebegehren könne daher darin begründet sein, daß der Beklagte der Klägerin nicht allen aus der übertragenen Geschäftsbesorgung entspringenden Nutzen überlassen habe. Da der Beklagte unter anderem eine (konkludente) Zustimmung der Klägerin zum Provisionsabzug behauptet habe, sei die Rechtssache noch nicht spruchreif (Aufhebungsbeschluß vom , 9 Ob A 292/92 mwH).
Im zweiten Rechtsgang ergänzte das Erstgericht seine Feststellungen dahin, ob die Klägerin als Geschäftsherrin den Provisionsbezug mit der Wirkung genehmigt hat, daß damit die Rechtswidrigkeit (Treuepflichtletzung) entfällt (Strasser in Rummel2, ABGB § 1013 Rz 9). Dabei ist darauf abzustellen, daß die Klägerin im Jahr 1981 als selbständige Betriebsgesellschaft mbH gegründet wurde. Sie bestellte zwei Geschäftsführer, die - im Sinne des § 18 Abs 2 GmbHG - kollektivvertretungsbefugt waren. Soweit keine Ressortverteilung zur Führung der mit der Geschäftsführungsaufgabe gewöhnlich verbundenen Geschäfte im Sinne des § 28 Abs 1 GmbHG bestand, bedurfte es gemäß § 18 Abs 2 GmbHG zu Willenserklärungen der Gesellschaft sohin der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer (vgl Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 383 ff; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 116 f). Eine sogenannte Duldungs- oder Anscheinsvollmacht hätte nur dann vorliegen können, wenn der äußere Tatbestand, auf den sich der Beklagte beruft, von den Kollektivvertretungsberechtigten gemeinsam gesetzt worden wäre, weil sonst die Gesamtvertretungsbefugnis durch das Verhalten eines der Kollektivvertretungsbefugten illusorisch gemacht würde (Straßer in Rummel aaO Rz 49 zu § 1002; HS 10.194 mwH; JBl 1988, 733). Der Beklagte kann sich auch nicht auf eine unter den Bediensteten bestandene Übung berufen, da eine solche Übung im rechtsgeschäftlichen Verkehr keine Rechtfertigung findet (vgl Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 § 13 Erl 1 mwH).
Nach den Feststellungen wußte der bis September 1986 kollektiv und seither allein vertretungsbefugte Geschäftsführer der Klägerin, Ing.Wilhelm W*****, nichts von den sogenannten "Gesangsprovisionen" an die Aufnahmebeamten. Er hat die Zuwendungen daher weder genehmigt, noch einen Tatbestand gesetzt, der die Annahme einer Einzelvertretung durch den zweiten Geschäftsführer Egon M***** gerechtfertigt hätte. Eine konkludente Zustimmung der Klägerin zu den Provisionszahlungen an die Bediensteten ist sohin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht erfolgt. Der Beklagte hätte auch nicht erwarten können, daß Egon M***** die Provisionsabzüge einstellen werde, zumal er selbst Nutznießer dieser Vorgangsweise gewesen ist. Soweit ein Bediensteter bisher nicht zur Rückzahlung der erhaltenen Provisionen aufgefordert wurde (S 256), ist daraus noch keine unsachliche oder willkürliche Umgleichbehandlung abzuleiten. Die vom Beklagten in der Berufung zitierte Entscheidung SZ 52/158 betrifft nicht die Gleichbehandlung von Bediensteten, sondern von Gesellschaftern.
Die Rechtssache ist aber noch nicht spruchreif, weil das Berufungsgericht auf die Beweis- und Tatsachenrüge in der Berufung des Beklagten (S 252 ff) nicht eingegangen ist, so daß die wesentlichen Feststellungen des Erstgerichts noch nicht als gesichert gelten können. Das Berufungsgericht wird daher vorerst seine Entscheidung durch die vollständige Erledigung der Berufung zu ergänzen haben.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.