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OGH vom 25.02.2015, 13Os13/15h

OGH vom 25.02.2015, 13Os13/15h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Jalal J***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, AZ 125 Hv 37/14y des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom , GZ 125 Hv 37/14y 143, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 125 Hv 37/14y 143, verletzt § 7 Abs 2 StPO.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Strafaussprüchen (einschließlich der Anrechnung der jeweiligen Vorhaft) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 125 Hv 37/14y 143, wurden Dr. Jalal J***** und Aiman M***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 „Abs 2 und Abs 3“ (richtig nur Abs 3), 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer jeweils dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Zur Ablehnung der bedingten Nachsicht eines Teils der Strafe nach § 43a Abs 4 StGB zogen die Tatrichter auch die „völlig mangelnde Verantwortungsübernahme der beiden Angeklagten“ heran (US 18).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht diese Vorgangsweise mit dem Gesetz nicht im Einklang (RIS Justiz RS0090897).

Die Heranziehung der leugnenden Verantwortung der Angeklagten Dr. Jalal J***** und Aiman M***** als eine für die Ablehnung der bedingten Nachsicht eines Teils der Strafe mitentscheidende Tatsache widerspricht dem verfassungsrechtlich aus Art 6 Abs 2 MRK und Art 90 Abs 2 B VG abzuleitenden, einfachgesetzlich durch § 7 Abs 2 erster Satz StPO ausdrücklich normierten Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur Prinzip). Das Recht des Beschuldigten, seine Verantwortung frei zu wählen (§§ 49 Z 4, 164 Abs 1 und 4, 245 Abs 2 StPO) und sich nicht selbst zu beschuldigen, ist ein wesentlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens. Dieses Recht darf durch den Vorwurf der leugnenden Verantwortung bei der Sanktionsfindung nicht konterkariert werden (vgl 13 Os 65/14d).

Da eine den Verurteilten nachteilige Wirkung der Gesetzesverletzung nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00013.15H.0225.000