OGH vom 08.03.2005, 11Os7/05x

OGH vom 08.03.2005, 11Os7/05x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz G***** wegen des Verbrechens nach § 31 Abs 2 SMG und anderer strafbarer Handlungen, AZ 043 S Hv 29/04d des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , AZ 17 Bs 285/04 (ON 64 des Strafaktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 043 S Hv 29/04d des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , AZ 17 Bs 285/04 (ON 64), insofern, als damit eine Bindungswirkung der nicht subsumtionsrelevanten Menge der psychotropen Stoffe angenommen wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 295 Abs 1 StPO.

Diese Entscheidung wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Franz G***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 043 S Hv 29/04d-45, des als Beitragstäter nach § 12 zweiter Fall StGB begangenen Verbrechens nach § 31 Abs 2 (zweiter und dritter Fall) SMG (A I) und des Verbrechens nach § 31 Abs 2 vierter Fall SMG (A II) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 (erster Fall) SMG (B) und nach § 30 Abs 1 (sechster Fall) SMG (C) schuldig erkannt. Seine gegen Punkt A des bezeichneten Schuldspruchs sowie gegen den Strafausspruch gerichtete, auf Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , GZ 11 Os 89/04-7 (ON 58), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Beratung zurückgewiesen (§ 285d StPO). Der Oberste Gerichtshof vertrat in seiner Entscheidung (S 5) die Auffassung, dass die im Rechtsmittel relevierte, jedoch nicht subsumtionsrelevante Anzahl der Tabletten lediglich mit Strafberufung angefochten werden kann.

Das zur Entscheidung über die Berufung zuständige Oberlandesgericht Wien (§ 285i StPO) gab der Berufung des Angeklagten mit Urteil vom , AZ 17 Bs 285/04 (ON 64), nicht Folge. Ein Eingehen auf die Ausführungen des Angeklagten zur tatverfangenen Menge der psychotropen Stoffe lehnte es mit der Begründung ab, der Berufungswerber entferne sich mit seiner „Problematisierung der festgestellten Stückzahlen hinsichtlich Rohypnol-Tabletten ... in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt" (S 165).

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht, wie der Generalprokurator mit seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

§ 260 Abs 1 Z 1 StPO verlangt die Bezeichnung (nur) jener als verwirklicht angesehenen entscheidenden Tatsachen, auf welche die gesetzliche Deliktsbeschreibung der strafbaren Handlung - zum Zwecke der Subsumtion des so bezeichneten historischen Geschehens nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO - abstellt. Urteilsfeststellungen sind demzufolge im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde nur insoweit bekämpfbar, als hievon der Schuldspruch oder die Unterstellung unter einen bestimmten Strafsatz abhängt. Soweit ein darüber hinausgehender, nicht mehr subsumtionsrelevanter Schaden festgestellt wurde, kann er in diesem Umfang als Strafzumessungstatsache (§ 32 Abs 2 StGB) in der Strafberufung angefochten werden (vgl Ratz, WK-StPO § 295 Rz 16). Das Berufungsgericht geht daher im vorliegenden Fall zu Unrecht von einer Bindung an den „festgestellten Sachverhalt" (§ 295 Abs 1 StPO) in Bezug auf die die Grenzmenge des § 31 Abs 3 SMG übersteigende Psychotropenstoffmenge aus.

Im Übrigen ist zur Vermeidung von Mißverständnissen darauf hinzuweisen, dass die zu § 28 SMG mit Blick auf die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG entwickelte Judikatur (Verwirklichung des Tatbestandes nach § 28 Abs 2 SMG bereits bei Erreichen der großen Menge und demzufolge Annahme mehrerer Verbrechen auch bei einer einzigen Tat nach Maßgabe der Anzahl der durch diese Tat erfassten, gedanklich zu trennenden, jeweils großen Mengen) bei § 31 SMG mangels einer dort bestehenden Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nicht anzuwenden ist. Da nicht auszuschließen ist, dass die aufgezeigte Gesetzesverletzung dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, war das Urteil des Berufungsgerichtes gemäß dem letzten Satz des § 292 StPO aufzuheben und dem Oberlandesgericht Wien die Verfahrenserneuerung aufzutragen.