zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 26.06.1996, 9ObA2079/96t

OGH vom 26.06.1996, 9ObA2079/96t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Hötzl und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernst-Karl P*****, Beleuchter, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, Österreichischer *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 142/95-24, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 25 Cga 35/95i-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger gehörte zweimal dem Betriebsrat für das technische Personal bei der Beklagten an. Die beiden Betriebsratsfunktionsperioden zugrunde liegenden Wahlen wurden aufgehoben; die erste vom 4. bis mit Urteil des OLG Wien vom , die zweite vom 13. bis mit Urteil des ASG Wien vom . Das Urteil wurde dem Vertreter des beklagten Betriebsrates am zugestellt und erwuchs am in Rechtskraft. Am wurde der Kläger ohne gerichtliche Zustimmung gekündigt.

Der Kläger begehrt unter Behauptung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung der beklagten Partei infolge des ihm zustehenden Kündigungs- und Entlassungsschutzes gemäß § 120 ArbVG die Feststellung, daß die zum ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam sei, den Bestand des Dienstverhältnisses nicht berührt habe und das Dienstverhältnis über den hinaus aufrecht fortbestehe. Im Schriftsatz vom präzisierte der Kläger das Begehren dahingehend, daß sein Dienstverhältnis ungeachtet der zum ausgesprochenen Kündigung über den hinaus ungelöst aufrecht fortbestehe. Hilfsweise beantragte er gemäß § 105 ArbVG die Aufkündigung für rechtsunwirksam zu erklären.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung weder Wahlwerber noch Betriebsrat gewesen sei und im übrigen gerechtfertigte Kündigungsgründe vorgelegen seien.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Kündigung vom rechtsunwirksam sei. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die im vorbereitendem Schriftsatz beinhaltete Präzisierung keine Klageänderung darstelle. Der Kündigungsschutz hätte gemäß § 120 Abs 3 ArbVG bestanden, weil auch die Beendigung der Tätigkeitsdauer des Betriebsrates wegen gerichtlicher Nichtigerklärung der Wahl zum Betriebsrat der Bestimmung des § 120 Abs 3 ArbVG zu unterstellen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers insofern Folge, als es dem Feststellungsbegehren auf Aufrechtbestehen des Dienstverhältnisses ungeachtet der erfolgten Kündigung stattgab; die Rechtsunwirksamkeitserklärung der Kündigung sei lediglich im Eventualbegehren beantragt worden. Der dreimonatige Kündigungsschutz des § 120 Abs 3 ArbVG sei auch dann gegeben, wenn eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des Betriebsrates durch Ungültigerklärung der Betriebsratswahl eintrete.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kündigungs- und Entlassungsschutz des Betriebsrates nach den §§ 120 bis 122 ArbVG beginnt mit dem Zeitpunkt der Annahme der Wahl durch das Betriebsratsmitglied und endet drei Monate nach Erlöschen der Mitgliedschaft zum Betriebsrat, im Falle der dauernden Einstellung des Betriebes mit Ablauf der Tätigkeitsdauer des Betriebsrats. Die Mitgliedschaft zum Betriebsrat erlischt ua nach § 64 Abs 1 Z 1 ArbVG, wenn die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates endet. Endet diese vorzeitig bei Vorliegen eines in § 62 ArbVG genannten Tatbestandes, wie beispielsweise, wenn das Gericht die Betriebsratswahl für ungültig erklärt (Floretta/Strasser KommzArbVG, 352; Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG I, 311), so erlöschen gleichzeitig auch die einzelnen Betriebsratsmandante (Floretta/Strasser aaO 361).

Dabei wird gemäß § 61 Abs 1 ASGG das der Rechtsgestaltungsklage stattgebende Urteil des Gerichtes erster Instanz, mit dem die Betriebsratswahl für ungültig erklärt wird, wirksam, sodaß nicht die rechtskräftige Beendigung des Anfechtungsverfahrens abgewartet werden muß (Cerny aaO 299, 304; DRdA 1995/22 [Kuderna]). Als rechtsgestaltende Entscheidung wirkt sie nicht auf die Wahl zurück, sondern ex nunc (Floretta/Strasser aaO 342; Cerny aaO 289, 300). Der gewählte Betriebsrat verliert mit Rechtskraft der der Anfechtung stattgebenden Entscheidung seine Funktion, seine Tätigkeitsperiode endet (Cerny aaO 390). Rechtshandlungen, die der Betriebsrat bis zur Entscheidung des Gerichtes gesetzt hat, werden in ihrer Gültigkeit nicht berührt (§ 61 Abs 3 ArbVG).

Daraus läßt sich zwingend entnehmen, daß auch der ungültig gewählte Betriebsrat bis zur Ungültigerklärung (nicht zu verwechseln mit der Nichtigerklärung der Betriebsratswahl wegen Verletzung elementarster Wahlgrundsätze) Betriebsratsfunktionen ausübt und die Betriebsratsmitgliedschaft gegeben ist, sodaß sein sich aus den §§ 120 bis 122 ArbVG ergebender Schutz nach § 120 Abs 3 ArbVG drei Monate nach Erlöschen der Mitgliedschaft zum Betriebsrat endet (Cerny aaO 390).

Umfaßt auch der Wortlaut des § 120 Abs 3 ArbVG nicht den Fall der Ungültigerklärung der Betriebsratswahl, so besteht danach auch gar kein Erfordernis, weil doch der Schutz und die Nachwirkung desselben an den Bestand der Mitgliedschaft des Betriebsrats geknüpft sind, die wieder von der Ungültigerklärung der Betriebsratswahl abhängt. Daß auch bei einer ungültigen Wahl der Schutz des Betriebsrates dem Gesetzeszweck entspricht, ergibt sich schon daraus, daß bis zur Ungültigerklärung der Betriebsrat Funktionen ausübt und Rechtshandlungen setzt, daher in diesem Zeitraum sich von einem gültig gewählten Betriebsrat nicht unterscheidet. Daraus läßt sich auch eine sachliche Rechtfertigung der Gleichbehandlung des gültig oder ungültig gewählten Betriebsrates bis zur Ungültigerklärung der Wahl ableiten.

Soweit die Revisionswerberin die einen nachwirkenden Kündigungsschutz verneinende Judikatur aus der Zeit des Betriebsrätegesetzes zitiert (Arb 3.192, 6.151), ist diese deshalb nicht anwendbar, weil § 18 BRG damals keinen nachwirkenden Kündigungsschutz kannte. Dieser wurde erst durch BGBl 1971/319 eingeführt, um den Kündigungs- und Entlassungsschutz des Betriebsrates wirksamer zu gestalten (428 BlgNR 12. GP, 9).

Der Kläger genoß daher im Zeitpunkt der Kündigung am Kündigungsschutz nach § 120 Abs 3 ArbVG.

Aus dem Schriftsatz der klagenden Partei vom läßt sich eine unzulässige Klageänderung nicht ableiten. Abgesehen davon, daß ein Klagebegehren so zu verstehen ist, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung von der klagenden Partei gemeint ist und ein versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren richtig zu fassen und der Urteilsspruch an den sachlichen Inhalt des Klagebegehrens - auch abweichend von dessen Wortlaut - anzupassen ist (9 ObA 103/93), enthielt bereits das in der Klage formulierte Begehren das Verlangen nach Feststellung, daß abgesehen von der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung das Dienstverhältnis über den hinaus aufrecht bestehe. Das Begehren im zitierten Schriftsatz, daß das Dienstverhältnis ungeachtet der ausgesprochenen Kündigung über den aufrecht bestehe, bedeutet daher keine Erweiterung des ursprünglichen Begehrens im Sinne einer Klageänderung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.