VfGH vom 17.03.1993, b587/92
Sammlungsnummer
13357
Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Versagung der Erteilung eines Sichtvermerks nach dem PaßG 1969
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, beantragte am bei der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien die Erteilung eines Sichtvermerkes.
Mit Bescheid vom gab die BPD Wien diesem Antrag gemäß § 25 Abs 1 iVm Abs 3 litd des Paßgesetzes 1969, BGBl. 422, keine Folge. Es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte, sei dieser doch illegal nach Österreich eingereist und habe er sich doch illegal in Österreich aufgehalten.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der insbesondere die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art 2 und 3 EMRK sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die durch die Finanzprokuratur vertretene belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat am aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs 3 litd PaßG 1969 gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.
Mit Erkenntnis vom , G212-215/92 u.a. Zlen., stellte er fest, daß diese Gesetzesbestimmung nicht verfassungswidrig war. Er legte jedoch dar, daß im Sinne einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung die in dieser Bestimmung enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe vor dem Hintergrund des Art 8 Abs 2 EMRK zu sehen und restriktiv zu interpretieren sind.
2. Die BPD Wien hat sich im gegenständlichen Fall nun zwar nicht damit auseinandergesetzt, ob durch die Weigerung, dem Beschwerdeführer einen Sichtvermerk zu erteilen, in sein durch Art 8 Abs 1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen wird. Dennoch ist der Behörde kein Verstoß gegen Art 8 EMRK anzulasten, weil weder der Sichtvermerkswerber angedeutet hat, noch im Zuge des Verwaltungsverfahrens sonst festgestellt wurde, daß private oder familiäre Interessen an seinem Aufenthalt in Österreich bestünden.
Zur Widerlegung der Behauptung des Beschwerdeführers, dadurch in durch Art 2 und 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein, daß die Sichtvermerksversagung zu einem Aufenthaltsverbot in Österreich und letztlich zu einer menschenrechtswidrigen Behandlung in seinem Heimatstaat führen könne ("Refoulement-Verbot"), ist er auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B1035/92 (betreffend Abweisung eines Asylantrages), zu verweisen.
Der Beschwerdeführer wurde durch den bekämpften Bescheid also weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
3. Der obsiegenden belangten Behörde waren die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil die Vertretung durch die Finanzprokuratur zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung überflüssig war (vgl. zB ; VfSlg. 10338/1985, 11882/1988, 11924/1988).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
VAAAE-04427