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OGH vom 28.06.2016, 8Ob58/16m

OGH vom 28.06.2016, 8Ob58/16m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 8.089,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 11/16y 13, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 34 C 237/15p 9, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin absolvierte eine AMS Schulungsmaßnahme bei der b***** GmbH, in Räumlichkeiten, die diese von der Beklagten angemietet hatte. Im Anschluss daran ging sie über einen ebenfalls im Eigentum der Beklagten stehenden und an einen Dritten vermieteten Parkplatz, um den Weg zu ihrem eigenen Fahrzeug abzukürzen. Dabei stürzte sie über die umgelegte Parkplatzsperre und verletzte sich.

Die Vorinstanzen wiesen das von der Klägerin unter Anerkennung eines 25%igen Mitverschuldens erhobene Schadenersatzbegehren ab. Über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Verkehrssicherungspflichten in Zusammenhang mit Parkbügeln und Parkplatzsperren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist hier nicht der Fall.

2. In der Rechtsprechung ist es grundsätzlich anerkannt, dass unter bestimmten Voraussetzungen Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den Vertragsparteien selbst, sondern auch gegenüber dritten Personen bestehen können, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maß gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Begünstigt sind im Allgemeinen solche Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner (des Hauptleistungspflichtigen) entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (RIS Justiz RS0020769). Ein Schuldner haftet bei Verletzung vertraglicher Schutzpflichten, die ihn gegenüber einem Dritten treffen, auch dem Dritten nach § 1313a ABGB für seinen Gehilfen (RIS Justiz RS0017185).

Entscheidend für die Frage, welche vertragsfremde Dritten in den Schutzbereich eines (Werk )Vertrags einzubeziehen sind, ist immer die Auslegung des Vertrags nach den Umständen des Einzelfalls (RIS Justiz RS0034594 [T17, T 21]; 6 Ob 250/01k; 7 Ob 271/00d mwN).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass, da die Klägerin in keinem Vertragsverhältnis zum Vertragspartner der Beklagten steht und sich der Unfall auch nicht auf den diesem vermieteten Teilen der Liegenschaft oder einem Zugangsweg zu diesen ereignete, die Beklagte gegenüber der Klägerin keine aus dem Mietvertrag zum Veranstalter der Schulung resultierende Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt hat, ist nicht zu beanstanden.

3. Aus § 1319a Abs 2 ABGB folgt, dass der Umfang der Sorgfaltspflicht eines Halters nicht allgemein bestimmt werden kann. Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich gemäß der zitierten Gesetzesstelle danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geographischen Situierung in der Natur und das daraus resultierende Maß seiner vernünftigerweise zu erwartenden Benutzung (Verkehrsbedürfnis) für seine Instandhaltung angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die gefahrlose Benützung dieses Weges zu erreichen (RIS Justiz RS0087605, RS0087607, RS0030202). Das Gleiche gilt für die Frage, ob die Unterlassung einer zumutbaren Maßnahme dem Wegehalter bereits als grobes Verschulden vorgeworfen werden kann (2 Ob 256/09z mwN).

Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (RIS Justiz RS0114360). Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung erkennbar ist.

Auch für die Beurteilung einer Haftung gemäß § 1319a ABGB im Hinblick auf Parkbügel und Parkplatzsperren kommt es auf Einzelfaktoren, wie etwa die örtlichen Gegebenheiten, Kennzeichnung und Erkennbarkeit sowie Sichtverhältnisse an. Diese im jeweiligen Einzelfall zu beurteilenden Umstände entziehen die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine umgelegte Parkplatzsperre eine Haftung gemäß § 1319a ABGB auslösen kann, einer generalisierenden Betrachtungsweise.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es, insbesondere im Hinblick auf die guten Sichtverhältnisse und dem Umstand, dass mit solchen Hindernissen auf Parkplätzen auch von Fußgängern gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit der Beklagten darstellt, dass sie nicht kontrolliert, ob die Parkbügel nach Verlassen des Parkplatzes durch den jeweiligen Mieter umgeklappt liegen bleiben oder aufgestellt werden bzw die Mieter nicht zu einem entsprechenden Verhalten vertraglich verpflichtete, stellt keine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts dar.

4. Auf ein Anerkenntnis hat sich die Klägerin in erster Instanz nicht gestützt. Die entsprechenden Ausführungen in der Revision stellen daher eine unbeachtliche Neuerung dar (§ 504 Abs 2 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00058.16M.0628.000