OGH vom 13.09.2016, 23Ns1/16y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Konzett und Mag. Brunar sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, AZ D 1/15, D 11/15, D 12/15, D 16/15, D 18/15, D 1/16 und D 2/16 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg über Anträge des Disziplinarbeschuldigten auf deren Übertragung an die Rechtsanwaltskammer Tirol nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die zu AZ D 1/15 und D 11/15 gestellten Anträge werden zurückgewiesen, den übrigen wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Der Disziplinarbeschuldigte lehnt in allen genannten Verfahren sämtliche Mitglieder der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg ab und beantragt die Übertragung der Disziplinarsache an die Rechtsanwaltskammer Tirol (vgl E Mail vom ), weil er teilweise Vertretungsleistungen in einem gerichtlichen Verfahren (AZ 57 Cg 45/13z des Landesgerichts Feldkirch) erbracht habe, welches gegen die Rechtsanwaltskammer Vorarlberg wegen des Vorwurfs eines schuldhaften Fehlverhaltens geführt worden sei.
Soweit sich die Anträge (laut genannter E Mail vom ) auch auf die Verfahren zu AZ D 1/15 und D 11/15 beziehen, waren sie verspätet, weil die betreffenden Einleitungsbeschlüsse am 11. und an den Disziplinarbeschuldigten zugestellt wurden, seine vorliegenden Anträge aber erst im März und April 2016 einlangten (§ 25 Abs 2 DSt). Hinsichtlich der übrigen Verfahren sind sie zwar rechtzeitig (vgl RIS Justiz RS0119913), aber nicht im Recht:
Die zu AZ 15 Bkd 4/11 und Bk 15/12 der Obersten Berufungs und Disziplinarkommission in früheren gegen den Disziplinarbeschuldigten geführten Verfahren dekretierten Übertragungen an eine andere Rechtsanwaltskammer ergingen zu einem Zeitpunkt, als das zitierte Zivilverfahren noch im Gange war.
Am trat Ruhen in diesem Verfahren ein (ON 70 in AZ 57 Cg 45/13z des Landesgerichts Feldkirch).
Wenngleich zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein genügt, (hier) Organe des Disziplinarrats könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten, so setzt ein solcher Anschein aber nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, die Abgelehnten könnten sich aus persönlichen Gründen bei ihrer Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann eine Ablehnung nicht mit Erfolg gestützt werden (RIS Justiz RS0056962).
Befangenheit ist entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeter Weise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen können.
Die ehemalige Vertretungstätigkeit des Disziplinarbeschuldigten bzw seines damaligen Kanzleikollegen in einem bereits abgeschlossenen Verfahren kann aber einen Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Mitglieder des Disziplinarrats, welche im Übrigen in den vom Obersten Gerichtshof eingeholten Stellungnahmen erklärten, nicht befangen zu sein, nicht begründen.
Die pauschale Behauptung der Befangenheit nicht namentlich genannter Richter stellt keinen Delegierungsgrund dar (RIS Justiz RS0056885, RS0097082, RS0096774, RS0119759).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0230NS00001.16Y.0913.000