VfGH vom 20.09.2010, B582/09
19134
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Erwerbs eines Waldgrundstücks wegen widmungswidriger Verwendung
Spruch
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 14. bzw. erwarb die
beschwerdeführende Gesellschaft von den Erst- und Zweitbeschwerdeführern als gemeinsamen Verkäufern eine näher bezeichnete Liegenschaft, KG Ehrenthal, im Ausmaß von 3.530 m².
2. Die Grundverkehrskommission Klagenfurt am Wörthersee als Grundverkehrsbehörde I. Instanz versagte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.
Die gegen diesen Bescheid von den Vertragsparteien erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Kärntner Landesregierung (im Folgenden: LGVK) mit Bescheid vom abgewiesen.
Begründend führte die LGVK im Wesentlichen aus, dass bei der Bezifferung der aus ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erzielbaren Erträge bei Waldgrundstücken auf die gesamte Umtriebszeit und nicht auf einen bestimmten, etwa mittelfristigen Zeitraum von 20 - 30 Jahren abzustellen sei. Dadurch solle insbesondere vermieden werden, dass der Erwerb schlecht bestockter bzw. kahl geschlägerter Waldgrundstücke keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung unterliege. Entgegen der Einschätzung des Amtssachverständigen sei daher von einem forstwirtschaftlichen Grundstück iSd § 3 Abs 1 lita Z 2 bzw. Z 3 Kärnter Grundverkehrsgesetz, LGBl. 9/2004 (im Folgenden: K-GVG) auszugehen, womit das vorliegende Rechtsgeschäft einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe.
Aus dem gegenüber dem Verkehrswert etwa 100-fach erhöhten Kaufpreis und der Erklärung des Einschreiters der Kaufwerberin, das Grundstück solle den Mietern des unmittelbar angrenzenden Wohnhauses als Erholungswald dienen, sowie der fehlenden Dartuung seitens der Kaufwerberin, auf welche Art und Weise die weitere forstwirtschaftliche Bewirtschaftung des verfahrensgegenständlichen Waldgrundstückes erfolgen werde, ergebe sich - nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der seitens der nunmehrigen Veräußerer bereits unbefugt vorgenommenen Rodung einer ca. 160 m² großen Teilfläche - einerseits, dass das Rechtsgeschäft offensichtlich zu einer dem Flächenwidmungsplan widersprechenden Verwendung iSd § 10 Abs 2 litj K-GVG führen solle, andererseits sei auch zu besorgen, dass das Waldgrundstück ohne zureichenden Grund der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werde, womit auch die Versagungsbestimmung des § 10 Abs 2 liti K-GVG erfüllt sei.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die maßgeblichen Bestimmungen des Kärntner Grundverkehrsgesetzes 2002, LGBl. 9/2004, lauten wie folgt:
"§1 Ziele
Ziele dieses Gesetzes sind
a) die Sicherung einer den Grundsätzen der Raumordnung entsprechenden Nutzung von Grund und Boden;
b) die Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft entsprechend den natürlichen und strukturellen Gegebenheiten des Landes;
c) die Beschränkung von Rechtserwerben an Grundstücken durch Ausländer.
...
§3 Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke
(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind
a) Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan für die Land- und Forstwirtschaft oder als Grünland - Erholung, ohne dass eine spezifische Erholungsnutzung festgelegt ist (§5 Abs 2 litc Gemeindeplanungsgesetz 1995 - K-GplG 1995), bestimmt sind, sofern diese
1. zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gehören oder
2. land- oder forstwirtschaftlich genutzt sind oder
3. land- oder forstwirtschaftlich genutzt waren und weiterhin land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sind;
b) - c) ...
...
§ 8 Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte, Ausnahmen
(1) Unter Lebenden abgeschlossene Rechtsgeschäfte, die ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück (§3) betreffen, bedürfen - unbeschadet der Bestimmungen des 3. Abschnittes - der Genehmigung der Grundverkehrskommission, wenn sie zum Gegenstand haben:
a) die Übertragung des Eigentums,
b) - d) ...
...
§ 10 Genehmigungsvoraussetzungen, besondere Versagungsgründe
(1) Die Grundverkehrskommission hat das Rechtsgeschäft zu genehmigen, wenn es dem allgemeinen Interesse an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen oder wirtschaftlich leistungsfähiger bäuerlicher Betriebe - und zwar auch in Form wirtschaftlich gesunder mittlerer und kleiner land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe - nicht widerspricht. Ein Widerspruch liegt jedenfalls nicht vor, wenn das Grundstück, auf das sich das Rechtsgeschäft bezieht, nur vorübergehend bergbaulichen Zwecken oder dem Abbau von Sand oder Schotter dienen soll oder für diese Zwecke erforderlich ist.
(2) Ein Rechtsgeschäft widerspricht jedenfalls dem in Abs 1 erster Satz beschriebenen Interesse, wenn
a) - b) ...
c) zu besorgen ist, dass durch den Rechtserwerber eine ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht sichergestellt ist;
d) - h) ...
i) sonst Grundstücke ohne zureichendem Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden;
j) eine Prüfung der in lita bis i und k sonst angeführten Tatbestände ergibt, dass das Rechtsgeschäft offensichtlich zu einer dem Flächenwidmungsplan widersprechenden Verwendung führen soll;
k) das Grundstück offensichtlich nur zur spekulativen Kapitalanlage oder zu dem Zweck erworben wird, um es als Ganzes oder geteilt mit Gewinn weiterzuveräußern;
l) ...
(3) - (4) ..."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die beschwerdeführenden Parteien werfen der belangten Behörde zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor.
Laut dem im Zuge des zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahrens eingeholten Sachverständigen-Gutachten sei das verfahrensgegenständliche Grundstück nicht als forstwirtschaftliches Grundstück iSd K-GVG zu qualifizieren, da mittelfristig keine nennenswerten Einnahmen erzielbar seien, eine forstwirtschaftliche Nutzung folglich nicht möglich sei. Es liege damit kein nach dem K-GVG genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft vor, weshalb die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid der Grundverkehrskommission infolge Unzuständigkeit aufzuheben gehabt hätte.
1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
1.3. Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist die belangte Behörde auf Grundlage eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens in nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis gelangt, dass es sich beim Kaufgrundstück um ein forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des § 3 Abs 1 Z 2 bzw. 3 K-GVG handelt.
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei Waldgrundstücken Rückschlüsse aus der Unterlassung einer forstwirtschaftlichen Nutzung nur unter Berücksichtigung des Umstandes gezogen werden können, dass Schlägerungen und Nutzungen anderer Art nur in langfristigen Intervallen vorgenommen werden können (vgl. zB VfSlg. 8718/1979, 9009/1981, 11.412/1987).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die belangte Behörde im Recht, wenn sie trotz der seitens des Amtssachverständigen festgestellten, auf einen mittelfristigen Zeitraum bezogen, geringen Ertragserwartungen von einem forstwirtschaftlichen Grundstück iSd § 3 K-GVG ausgeht und begründend ausführt, dass insbesondere zur Vermeidung von Umgehungen des Grundverkehrsgesetzes auf die gesamte Umtriebszeit abzustellen sei.
1.4. Da die belangte Behörde das vorliegende Rechtsgeschäft in zutreffender Weise einer Genehmigungspflicht des K-GVG unterstellt hat und somit die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig war, wurden die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
2.1. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich weiters in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs verletzt.
Die belangte Behörde habe die Versagung gemäß § 10 Abs 2 litj K-GVG ausschließlich mit dem überhöhten Kaufpreis begründet. Keiner der im § 10 Abs 2 lita bis i und k K-GVG angeführten Tatbestände nenne aber einen überhöhten Kaufpreis als Tatbestand, litk leg.cit. beschreibe sogar den gegenteiligen Sachverhalt.
Die beschwerdeführende Gesellschaft habe durch ihren Vertreter in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar die Verwendung als Erholungsbereich für das im Nahbereich zum Kaufgrundstück situierte Wohnhaus genannt. Dennoch habe die belangte Behörde ohne sachlichen Grund den Verdacht aufrechterhalten, der Grunderwerb führe zu einer flächenwidmungsplanwidrigen Verwendung. Damit habe die belangte Behörde eine mit Gesetzlosigkeit gleichzustellende Fehlbeurteilung vorgenommen, die als Willkür zu werten sei.
Weiters sei die Besorgnis einer nicht ordnungsgemäßen forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung durch die Erwerberin sachlich nicht begründet. Die Frage einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung werde außerdem erst in zwei Generationen schlagend und könne daher nicht als Versagungstatbestand herangezogen werden.
2.2. Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zur Übertragung des Eigentums an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken vom bisherigen Eigentümer an den Erwerber wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber an der Ausübung privater, den Schutz des Art 5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (vgl. etwa VfSlg. 12.697/1991 mwH).
Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2.3. Gegen die zitierten, von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Vorschriften des K-GVG, sind weder aus Sicht des Beschwerdefalles verfassungsrechtliche Bedenken entstanden (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der mit § 10 Abs 2 litj K-GVG weitgehend identen Vorgängerbestimmung des § 5 Abs 1 Z 8 K-GVG 1963, VfSlg. 9074/1981 mwH) noch wurde seitens der beschwerdeführenden Parteien die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen behauptet.
2.4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen, könnte eine Verletzung des Eigentumsrechtes nur durch eine denkunmögliche Anwendung dieser Vorschriften bewirkt worden sein. Dies war hier jedoch nicht der Fall:
Im Hinblick auf die bereits zitierte Judikatur zur Vorgängerbestimmung (§5 Abs 1 Z 8 K-GVG 1963) ist davon auszugehen, dass auch für die Annahme des Tatbestandes der widmungswidrigen Verwendung gemäß § 10 Abs 2 litj K-GVG ein begründeter Verdacht genügt.
Die belangte Behörde stützt ihren Verdacht einer widmungswidrigen Verwendung insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, auf den im Vergleich zum Verkehrswert 100-fach erhöhten Kaufpreis, den die Erwerberin nicht überzeugend zu rechtfertigen vermochte. Weiters weist sie auf die bereits durch die Veräußerer erfolgte widmungswidrige Verwendung, nämlich die unbefugt vorgenommene Rodung einer ca. 160 m² großen Teilfläche zu Gunsten der nunmehrigen Erwerberin und beschwerdeführenden Gesellschaft hin. Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass diese Fläche als Parkplatz für das unmittelbar angrenzende Wohnhaus der beschwerdeführenden Gesellschaft Verwendung findet.
Davon ausgehend konnte die belangte Behörde zumindest denkmöglich annehmen, dass der Erwerb durch die beschwerdeführende Gesellschaft zu einer widmungswidrigen Verwendung des Kaufgrundstückes führen würde und damit der in § 10 Abs 2 litj K-GVG umschriebene Grund für die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung vorliegt. Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch die Heranziehung weiterer Versagungsgründe in denkmöglicher Weise erfolgt ist (vgl. etwa VfSlg. 13.406/1993 mH auf Vorjudikatur).
2.5. Die beschwerdeführenden Parteien wurden somit auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
3. Aus denselben Erwägungen liegt auch keine Verletzung des Rechts auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs vor.
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführenden Parteien in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 16.570/2002, 17.878/2006).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.