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OGH vom 22.02.2011, 8Ob58/10b

OGH vom 22.02.2011, 8Ob58/10b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Saxinger Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei DI Dr. S*****GmbH, *****, vertreten durch Kaan Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 224.319,18 EUR sA (Revisionsinteresse 6.666,67 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 159/09s 105, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 23 Cg 219/02s 101, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 524,40 EUR (darin enthalten 87,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Bergwerksbetreiberin beauftragte die Beklagte basierend auf der Expertise eines Dritten mit der Einreich und Detailplanung neuer Fluter (Gerinne). Die notwendige Ausführungsqualität umfasste die Dichte sowie weiters die Erosions und Sohlstabilität. Mit der zugrunde liegenden Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten den Vertrauensschaden im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Werk für sie wertlos sei.

Mit Teil- und Zwischenurteil vom (ON 70) wies das Erstgericht (im zweiten Rechtsgang) einen Teilbetrag von 112.159,59 EUR ab und sprach zudem aus, dass die Beklagte der Klägerin für die Schäden aus dem Auftragsverhältnis vom dem Grunde nach zu zwei Dritteln hafte. Mit gesondertem Beschluss ebenfalls vom (ON 71) sprach das Erstgericht aus, dass das vorliegende Verfahren bis zum Eintritt der Rechtskraft des Teil und Zwischenurteils vom unterbrochen sei und nur über Parteienantrag fortgesetzt werde. Beide Entscheidungen (sowie weiters ein Protokoll) wurden den Parteienvertretern gemeinsam zugestellt. In der Kanzlei des Klagsvertreters wurde der Unterbrechungsbeschluss übersehen.

Das Teil- und Zwischenurteil vom wurde vom Berufungsgericht bestätigt. Mit Beschluss vom , GZ 8 Ob 18/07s 83, wies der Oberste Gerichtshof die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision zurück. Dieser Beschluss wurde den Parteienvertretern am zugestellt. Aufgrund des Unterbrechungsbeschlusses setzte das Erstgericht das Verfahren nicht fort.

Mit Schriftsatz vom (ON 85) beantragte die Klägerin die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung. Im Zuge des Verbesserungsverfahrens nahm der Klagsvertreter anlässlich einer Akteneinsicht vom Unterbrechungsbeschluss Kenntnis. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom (ON 87) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen den Unterbrechungsbeschluss. Mit Beschluss vom , GZ 3 R 120/08d 93, bewilligte das Rekursgericht der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung.

Mit weiterem Beschluss vom , GZ 3 R 160/08m 96, hob das Rekursgericht über den Rekurs der Klägerin den Unterbrechungsbeschluss vom (ON 71) auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Nach Erlassung des Zwischenurteils sei die weitere Verhandlung bis zur Rechtskraft dieses Urteils ex lege gehemmt gewesen. Mit Rechtskraft der Entscheidung sei das Prozessgericht gemäß § 393 Abs 3 ZPO in einem solchen Fall zur amtswegigen Fortsetzung des Verfahrens verpflichtet.

Im fortgesetzten Verfahren erhob die Beklagte den Einwand der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens. Sie begründete dies damit, dass die Klägerin nach dem Zurückweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs (ON 83) elf Monate lang untätig geblieben sei. Weiters stellte die Beklagte den von der Klägerin aus dem zugrunde liegenden Auftragsverhältnis erlittenen Schaden mit zumindest 10.000 EUR der Höhe nach außer Streit.

Im fortgesetzten Verfahren erkannte das Erstgericht die Beklagte mit Teilurteil schuldig, der Klägerin 6.666,67 EUR (zwei Drittel des der Höhe nach außer Streit gestellten Betrags) zu zahlen. Für den Standpunkt der Klägerin spreche, dass der Unterbrechungsbeschluss aufgehoben worden sei. Bezogen auf den nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt bedeute dies, dass der Unterbrechungsbeschluss nicht existiert habe. Die Klägerin hätte daher berechtigt von der amtswegigen Fortsetzung des Verfahrens ausgehen dürfen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte müsse gegen sich gelten lassen, dass der Unterbrechungsbeschluss des Erstgerichts nicht der Gesetzeslage entsprochen habe und dessen Aufhebung auch für sie Wirkung entfalte. Sie könne sich daher nicht darauf berufen, dass der Grund für die von ihr behauptete Untätigkeit der Klägerin ausschließlich dieser zuzurechnen sei. Aufgrund der Aufhebung des Unterbrechungsbeschlusses hätte das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden müssen. Da die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, von sich aus das säumige Gericht zu betreiben, sei ein Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung bis April/Mai 2008 nicht als ungebührliche Untätigkeit anzusehen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob die Beseitigung eines gesetzwidrigen Unterbrechungsbeschlusses nach Bewilligung einer Wiedereinsetzung eine rund elfmonatige Untätigkeit des Klägers rechtfertige, keine Judikatur bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in der Weise abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS Justiz RS0102181).

Auch nach Rechtskraft eines Zwischenurteils kann bei nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens durch den Kläger iSd § 1497 ABGB Verjährung eintreten. Die Frage der gehörigen Prozessfortsetzung, die den Eintritt der Verjährung verhindert, kann aber nur für den Einzelfall beantwortet werden (RIS Justiz RS0034765; RS0034805).

2.1 Die Vorinstanzen haben die Grundsätze für die Beurteilung der Frage, ob das Verfahren iSd § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt wurde, zutreffend dargelegt.

Grundsätzlich kommt es in dieser Hinsicht nicht auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auf den Umstand an, ob diese gerechtfertigt war (RIS Justiz RS0034710; RS0034704). Dies hängt wieder von der Frage ab, ob für die Partei eine prozessuale Handlungspflicht bestand (vgl RIS Justiz RS0034722; RS0034746). Maßgeblich ist, ob der Kläger mit seiner (ungewöhnlichen) Untätigkeit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS Justiz RS0034849; RS0034765; vgl auch RIS Justiz RS0034672; RS0034681).

2.2 Der Unterbrechungsbeschluss des Erstgerichts, der die Fortsetzung des Verfahrens nur über Antrag vorsah, war nach der (zutreffenden) Beurteilung des Rekursgerichts rechtswidrig, weshalb er ersatzlos aufgehoben wurde. Mit dieser Entscheidung wurde die Unterbrechungswirkung ex tunc beseitigt. Das Verfahren ist daher als nicht unterbrochen anzusehen. Dementsprechend hätte das Verfahren nach Eintritt der Rechtskraft des Teil und Zwischenurteils mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom (ON 83), die dem Klagsvertreter am zugestellt wurde, von Amts wegen fortgesetzt werden müssen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Grund für die Verfahrensverzögerung nicht ausschließlich die Sphäre der Klägerin betreffe (vgl RIS Justiz RS0034867), weil die Aufhebung des rechtswidrigen Unterbrechungsbeschlusses auch im Verhältnis zwischen den Parteien Wirkungen entfalte, und dass das Zuwarten der Klägerin mit einer Prozesshandlung bis April/Mai 2008 nicht als ungebührliche Untätigkeit gewertet werden könne, erweist sich jedenfalls als vertretbar. Nach objektivem Verständnis und bei redlicher Betrachtung kann der Klägerin angesichts der konkreten Umstände die Aufgabe ihrer Schadenersatzansprüche nicht unterstellt werden.

3. Insgesamt gelingt es der Beklagten damit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Klägerin hat darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.