OGH vom 16.05.2000, 14Os30/00
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Redl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl F***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom , GZ 7 Schw Vr 1.601/98-88a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Karl F***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 15 StGB sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 und 2 WaffG und des Diebstahls als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 127 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er
(I) am in O*****
(1) die Erzsebet K***** durch Abgabe von fünf Schüssen aus näherer Distanz aus seiner Pistole der Marke "FEG MAG II Modell AP 22", Kal. 22 l.r., mit Schalldämpfer gegen ihren Oberkörper, wobei die Schüsse zu Mehrfachverletzungen innerer Organe mit Blutungen und zum Tode zufolge des hohen Blutverlustes führten, vorsätzlich getötet;
(2) anderen mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe, indem er Erzsebet K***** durch die Abgabe von fünf Schüssen auf die geschilderte Weise tötete, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (a) weggenommen, und zwar der Erzsebet K***** und dem Joszef R***** ca 20.000 S und zumindest 5.000 HUF, und (b) wegzunehmen versucht, und zwar dem Joszef R***** den Schlüssel für den Tresor des Billard-Cafes in S*****, um in unmittelbarer Folge darin verwahrtes Bargeld in einem erhofften Umfang von 70.000 bis 100.000 S an sich zu bringen;
(II) von ca Mitte September 1998 bis in S***** und O*****, wenn auch nur fahrlässig, die angeführte (I 1 und 2) Selbstladepistole mit Schalldämpfer, mithin eine genehmigungspflichtige bzw verbotene Waffe, unbefugt besessen und geführt und
(III) am in S***** (Ungarn) die abgesonderte verfolgte Katalin F***** durch die Aufforderung, mit der auf Erszebet K***** lautenden Visakarte mit der Nummer ***** von einem Bankomaten Geld zu beheben, dazu bestimmt, fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich insgesamt 15.000 HUF Bargeld der *****Bank mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Die gegen den Schuldspruch vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 5 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde versagt.
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider liegt in der Zurückweisung des am Schluss der Hauptverhandlung gestellten Antrages, "der Schwurgerichtshof wolle entscheiden, dass die Niederschrift des Angeklagten vor der Gendarmerie vom , insbesondere seine Angaben ca. 04,00 Uhr früh und die diesbezüglichen Angaben der heute vernommenen Inspektoren St*****, Sk*****, K***** und H***** weder bei der Findung des Wahrspruchs durch die Geschworenen noch bei der Strafbemessung durch das Geschworenengericht berücksichtigt, das heißt verwendet werden dürfen, da 1) diese Vernehmung nicht in angemessenen Zeiträumen durch Pausen unterbrochen wurde, 2) der Angeklagte jedenfalls am 3. 12. ab 04,00 Uhr früh, also nach einer zumindest 11-stündigen reinen Vernehmungszeit absolut übermüdet war und 3) die Schwere der Verdachtslage die Beistellung bzw. Ermöglichung der Anwesenheit eines Rechtsanwaltes geboten hätte", keine Verletzung von Verteidigungsrechten.
Einen Auftrag an die Geschworenen, ein in der Hauptverhandlung ordnungsgemäß vorgekommenes Beweismittel (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO; hier: die Aussage vernommener Zeugen) bei ihrem Wahrspruch nicht zu verwerten, kennt die StPO nicht (Ratz, Probleme der Aussageentschlagung bei möglicher Selbstbezichtigung, JBl 2000, 291 (302), Pkt VI/3). Das Gesetz fordert von den Geschworenen stattdessen ausdrücklich, alle für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen (§ 325 Abs 1 StPO) und nichts unerwogen zu lassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil des Angeklagten gereichen kann (§ 305 Abs 1 StPO).
Das Vorkommen eines Beweismittels hinwieder kann - abgesehen von den Fällen des § 345 Abs 1 Z 3 und 4 StPO - nur im Fall rechtzeitiger Antragstellung an den Schwurgerichtshof, die Vorführung eines bestimmten Beweismittels zu unterlassen (§ 246 Abs 1 StPO), aus § 345 Abs 1 Z 5 gerügt werden (13 Os 23/00; Ratz, Zweifelsfragen beim (eingeschränkten) Verlesungsverbot nach § 252 StPO, ÖJZ 2000, Pkt II [in Druck]).
Ungeachtet des Umstandes, dass das Gesetz eine Verlesung früherer Aussagen des Angeklagten (hier: der bezeichneten Niederschrift) bei dessen Vernehmung durch den Vorsitzenden nur bei Abweichung und Antwortverweigerung kennt (§ 245 Abs 1 dritter und vierter Satz StPO), kann auch ein derartiger Vorgang nur aufgrund eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages an den Schwurgerichtshof, die Verlesung nicht zuzulassen, aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO gerügt werden (für den Fall behaupteter Folter vgl Ratz, JBl 2000, 291 (299), Pkt IV). Ein gesetzesfremder und zudem vollends unsubstantiierter "Widerspruch" (Seite 495, Bd IV) reicht dafür nicht hin.
Die Sanktionsrüge (Z 13 zweiter und dritter Fall) geht schon deshalb ins Leere, weil das Geschworenengericht bei der Strafbemessung auf die genannten Verfahrensergebnisse nicht Bezug genommen hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.