OGH vom 10.09.1981, 13Os115/81
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Larcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A und Günter B wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten Günter B gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom , GZ. 3 c Vr 3788/81-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten Josef A nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Piffl-Lamberg und Dr. Angerer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den beiden Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Das Erstgericht erkannte die Angeklagten Josef A und Günter B des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB., Günter B überdies des Vergehens nach § 210 StGB., begangen zwischen Dezember 1978 und Ende März 1981 durch gewerbsmäßige gleichgeschlechtliche Unzucht mit einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Personen männlichen Geschlechts, schuldig.
Den letzteren Schuldspruch bekämpft der Angeklagte B mit einer auf die Z. 5, 9 lit c und 10 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5, sachlich jedoch der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO., wendet der Beschwerdeführer ein, daß die Feststellung, er habe seit Ende 1978 'gleichgeschlechtliche Kontakte zu einer Mehrzahl von Personen unterhalten' (S. 101), für die Subsumtion unter § 210 StGB. nicht ausreiche, weil 'jeder Mensch gleichgeschlechtliche Kontakte' (gemeint: Kontakte mit Personen gleichen Geschlechts) habe und nur bestimmte, gleichgeschlechtliche sexuelle Verhaltensweisen dem § 210 StGB. unterlägen, worüber das Urteil aber Konstatierungen nicht enthalte.
Rechtliche Beurteilung
Der gerügte Feststellungsmangel liegt nicht vor.
Richtig ist zwar, daß der Begriff des Treibens gleichgeschlechtlicher Unzucht in den §§ 209 und 210 StGB. eine intensive und unmittelbare, nicht bloß flüchtige körperliche Berührung in der Geschlechtssphäre voraussetzt und daß im Urteil die 'gleichgeschlechtlichen Kontakte' des Beschwerdeführers zu anderen Männern nicht spezifiziert werden. Indes konnte der Sachverhaltsfeststellung die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers zugrundegelegt werden, der sich selbst als 'abnormal veranlagt (bisexuell)' bezeichnet, sich im Sinn der Anklage schuldig bekannt und lediglich mit einer angeblichen Unkenntnis der Strafdrohung gegen gewerbsmäßige Unzucht verantwortet hat (S. 89, 91). Dazu kommt, daß er für seine zum Teil regelmäßigen 'geschlechtlichen Kontakte' zu einer Mehrzahl von Männern ('Männerbekanntschaften') jeweils zwischen 300 S und 500 S erhielt und solcherart durch etwa zweieinviertel Jahre ein wächentliches Durchschnittseinkommen von rund 1.500 S erzielte (S. 27, 29, 91 bis 93). Auf einer derart breiten Tatsachengrundlage bedarf es keiner, nur noch ornamental wirkenden ausdrücklichen Feststellung der Erfüllung der definitorischen Einzelheiten des normativen Tatbestandsmerkmals ('Unzuchttreiben'), einer Feststellung, die sich notwendig abstrakter Formulierungen bedienen müßte und bloß lehrbuchhaften Charakter hätte. Genug daran, daß der Beschwerdeführer selbst, wenn auch ohne überflüssige Ausschmückung mit abstoßenden Details, ein Verhalten schilderte, das eindeutig seine Betätigung als (häufig, etwa von Foregger-Serini, StGB. MTA. 1975 S. 284 unten) sogenannter 'Strichjunge' erkennen läßt. Soweit der Beschwerdeführer, der Sache nach in Ausführung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO., einen Rechtsirrtum (§ 9 StGB.) behauptet, verkennt er, daß die von ihm in der Hauptverhandlung behauptete Unkenntnis der Strafbarkeit gleichgeschlechtlicher gewerbsmäßiger männlicher Unzucht (S. 91) noch nicht den Mangel eines, nach dem § 9 StGB. exkulpierenden, Unrechtsbewußtseins bedeutet (Leukauf-Steininger, Komm.
zum StGB.2, RN. 24 zu § 9). Im übrigen bringt er aber den materiellen Nichtigkeitsgrund, der stets ein Festhalten an dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt voraussetzt, gar nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung; denn das Erstgericht hat die über eine bloße Unkenntnis der Strafbarkeit hinausgehende Reklamierung eines Mangels seines Unrechtsbewußtseins auf Grund der Einschätzung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers als bewußt tatsachenwidrige Behauptung abgelehnt (Seite 102). Der vom Angeklagten im gegebenen Zusammenhang erhobene Einwand eines Begründungsmangels bedeutet in Wahrheit lediglich eine unzulässige Bekämpfung der freien Beweiswürdigung des Schöffengerichts, das für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der einschlägigen Verantwortung mangels anderer Beweisergebnisse ausschließlich die Persönlichkeit des Angeklagten, wie sich ihm darbot, heranziehen konnte.
Hinzugefügt sei, daß der bloße Irrtum über die Strafdrohung als gedankliche Grundlage jedenfalls ein der Möglichkeit eines Rechtsirrtums seinem Wesen nach entgegenstehendes aktuelles Unrechtsbewußtsein voraussetzt (vgl. SSt 47/39). Außerdem wäre, dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider, dem Nichtigkeitswerber selbst ein allfälliger, im Mangel eines Unrechtsbewußtseins gelegener, Rechtsirrtum vorzuwerfen und es bliebe auch deshalb bei seiner strafrechtlichen Haftung für die Vorsatztat des § 210 StGB. (§ 9 Abs 2 und 3 StGB.): Der am
geborene Beschwerdeführer hat die gewerbsmäßige gleichgeschlechtliche Unzucht ja größtenteils schon nach der Vollendung seines 18. Lebensjahrs begangen, demnach zu einer Zeit, als sein intellektueller Reifungsprozeß bereits weitgehend abgeschlossen war. Die Pönalisierung männlicher homosexueller Prostitution bildet aber unbestreitbar einen Bestandteil des allgemeinen Rechtsbewußtseins in Österreich und war sonach beim Beschwerdeführer wie bei jedem erwachsenen und schuldfähigen österreichischen Staatsbürger Verbotskenntnis vorauszusetzen (vgl. neuerlich SSt 47/39).
Der Einwand, die Kriminalisierung bloß männlicher gewerbsmäßiger gleichgeschlechtlicher Unzucht verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 7 Abs 1 BVG., Art. 1 StGG.; Art. 66, 67 StV. v. S. Germain), releviert keinen der in den §§ 281 und 281 a StPO. taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe, ist aber als Anregung einer Antragstellung des Obersten Gerichtshofs gemäß Artikel 89 Abs 2 BVG. aufzufassen. Dazu ist jedoch kein Anlaß vorhanden: In der Strafbarkeit bloß männlicher gleichgeschlechtlicher Prostitution ist nämlich keine gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende, sachlich ungerechtfertigte Differenzierung zu erblicken, denn für die strafgerichtliche Verfolgung desselben Verhaltens von Frauen besteht keine kriminalpolitische Notwendigkeit (Foregge-Serini, StGB. MTA. 1975 S. 285).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte die beiden Angeklagten jeweils nach § 129 StGB. zu Freiheitsstrafen, und zwar Josef A zu acht Monaten und Günter B zu zehn Monaten, in deren Bemessung es als erschwerend bei A den Umstand, daß die Initiative zum Diebstahl von ihm ausging und den raschen Rückfall, bei B das Zusammentreffen von Delikten und die lange Fortsetzung der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht, als mildernd bei beiden Angeklagten das Geständnis und die Sicherstellung der Diebsbeute, bei B überdies den bisher untadeligen Wandel und das Alter unter 21 Jahren, erachtete.
Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten jeweils eine Strafminderung, Günter B überdies die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.
Die Berufungen sind nicht berechtigt.
Die über Josef A verhängte Freiheitsstrafe wird bei sachgemäßer Abwägung der gegebenen Strafzumessungsgründe, im Hinblick auf die Vorstrafen und die offenbare Erfolglosigkeit der vorangegangenen Abstrafungen seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) durchaus gerecht.
Die Tatsache, daß Günter B es während längerer Zeit vermieden hat, seinem erlernten Beruf nachzugehen, vielmehr Männerbekanntschaften suchte und daraus seinen Lebensunterhalt bestritt, bei deren Ausbleiben aber einen Einbruchsdiebstahl beging, um zu Geld zu gelangen (vgl. S. 29), weist auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten in hohem Maß gleichgültige Einstellung des Angeklagten hin und spricht auch gegen die Annahme einer günstigen Zukunftsprognose. Es war daher weder eine Strafermäßigung noch - namentlich bei Bedacht auf die im § 43 Abs 1 StGB. ausdrücklich verankerten Belange der Spezialprävention - die Anwendung der bedingten Strafnachsicht vertretbar.