OGH vom 25.06.2015, 8Ob57/15p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers Dr. J***** W*****, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Erlagsgegner 1) Mag. C***** S*****, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in Wien, und 2) W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Gerichtserlags gemäß § 1425 ABGB, über die Revisionsrekurse sowohl der Ersterlagsgegnerin als auch der Zweiterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 43 R 41/15w 13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 9 Nc 71/14h 3, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Ersterlagsgegnerin und die Zweiterlagsgegnerin sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Erleger die mit 2.300,36 EUR (darin enthalten 383,39 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit Kaufvertrag vom erwarb die Ersterlagsgegnerin von einem Bauträger einen Liegenschaftsanteil im Hinblick auf eine zu errichtende Wohnung. Bei der Zweitantragsgegnerin handelt es sich um die Hypothekargläubigerin. Nach der Vereinbarung zwischen dem Bauträger und der Hypothekargläubigerin beläuft sich der Gesamtbetrag für die Lastenfreistellung der in Rede stehenden Wohnung auf 135.397,79 EUR. Der Erleger wurde mit der Treuhandschaft beauftragt. Am stellte die Zweiterlagsgegnerin eine Freistellungserklärung hinsichtlich der in Rede stehenden Wohnung aus. Mit gesondertem Schreiben verfügte sie, dass die Löschungsquittung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 135.397,79 EUR verwendet werden dürfe. Der Kaufpreis für die in Rede stehende Wohnung von 296.500 EUR sollte vom Treuhänder gemäß Ratenplan an den Bauträger und an die Zweitantragsgegnerin überwiesen werden, was teilweise auch geschah. Vom Lastenfreistellungsbetrag erhielt die Hypothekargläubigerin 51.887,50 EUR. Mit Schreiben vom teilte diese dem Erleger mit, dass die Löschungserklärung erst nach Überweisung des Betrags von 83.510,29 EUR verwendet werden dürfe.
Mit Beschluss vom zu AZ ***** des Handelsgerichts Wien wurde über das Vermögen des Bauträgers das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Betrieb wurde geschlossen und das Bauvorhaben nicht mehr fertiggestellt. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung befand sich auf dem Treuhandkonto ein restlicher Kaufpreisbetrag von 148.363,41 EUR. Der Insolvenzverwalter stimmte über Auftrag des Gläubigerausschusses der Aussonderung des Treuhanderlags an die Ersterlagsgegnerin zu. Den unstrittigen Betrag (64.853,12 EUR) hat der Treuhänder an die Ersterlagsgegnerin überwiesen.
Der Erleger stellte den Antrag auf gerichtliche Annahme des Erlags von 83.510,29 EUR sowie auf Annahme der Verwahrung der Löschungsquittung der Zweiterlagsgegnerin vom . Der Lastenfreistellungsbetrag für die in Rede stehende Wohnung hätte analog dem Ratenplan an die Hypothekargläubigerin ausbezahlt werden sollen. Ein Teil der jeweils fälligen Rate sei somit an die Hypothekargläubigerin zu überweisen gewesen. Aufgrund der Aussonderung des auf dem Treuhandkonto erliegenden Restkaufpreises aus der Insolvenzmasse durch die Ersterlagsgegnerin müsse dieser Betrag an sie ausbezahlt und die Löschungserklärung im Sinn des § 9 Abs 3 BTVG verwendet werden. Dies sei ihm allerdings nicht möglich, weil die Zweiterlagsgegnerin der Lastenfreistellung ohne Überweisung des offenen Restbetrags an sie nicht zustimme. Über den Betrag von 83.510,29 EUR sowie über die Löschungserklärung könne er als Erleger daher nicht frei verfügen.
Das Erstgericht wies den Erlagsantrag ab. Aus dem Vorbringen des Erlegers und aus den vorgelegten Urkunden ergebe sich erkennbar, dass der Erleger selbst der Ansicht sei, die Zweiterlagsgegnerin könne nicht Gläubigerin sein. Das Antragsvorbringen sei daher unschlüssig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erlegers Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass der Erlag zu Gericht angenommen wurde. Der Umstand, dass die Zweiterlagsgegnerin ihre Zustimmung zur Verwendung der ausgestellten Löschungsquittung an eine Bedingung knüpfe, stelle kein Verschulden des Erlegers dar. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu einem vergleichbaren Erlagsfall keine Entscheidung des Höchstgerichts vorliege.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse der beiden Erlagsgegner, die auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielen.
Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Erleger, die Revisionsrekurse zurückzuweisen, in eventu, diesen den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil eine Klarstellung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revisionsrekurse sind aber nicht berechtigt.
1. Im Erlagsverfahren hat das Erlagsgericht den Erlagsantrag nur auf seine Schlüssigkeit hin zu prüfen. Bei mehreren Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn für diesen objektive Schwierigkeiten bestehen, in Ansehung seiner Leistung den Berechtigten zu erkennen (RIS Justiz RS0033597). Der Erlag befreit den Schuldner aber nicht, wenn dieser bei zumutbarer Prüfung leicht erkennen kann, wer der richtige Gläubiger ist (vgl RIS Justiz RS0033644). Forderungsprätendent ist derjenige, der Anspruch auf die Leistung, die der Schuldner zu erbringen hat, erhebt (vgl RIS Justiz RS0118340; RS0033610). Auch eine Unklarheit der Rechtslage kann ein Grund zum Erlag sein (RIS Justiz RS0033545; RS0033610). Auch wenn aufgrund verschiedener Ansprüche die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners durch unterschiedliche Prätendenten besteht, kann ein Erlag unter Umständen gerechtfertigt sein (5 Ob 245/11g mwN).
2.1 Der zu beurteilende Erlagsantrag geht von zwei Forderungsprätendenten, nämlich den beiden Erlagsgegnern, aus. Der Erleger weist dazu auf die Rechtslage nach § 9 Abs 3 BTVG hin, wonach zu Gunsten des Erwerbers der Liegenschaftsanteile aufgrund der Vereinbarung zwischen dem Hypothekargläubiger und dem Bauträger die Lastenfreistellung des erworbenen Liegenschaftsanteils gesichert sein muss. Dazu muss bei rechtskonformer Vorgangsweise bereits bei Vornahme der grundbücherlichen Sicherstellung eine geeignete Freistellungsverpflichtung des Hypothekargläubigers vorhanden sein. Die Freistellungsverpflichtung muss tauglich und durchsetzbar sein und darf nicht etwa an weitere Bedingungen geknüpft werden (vgl 5 Ob 193/10h). Letztlich muss eine grundbuchsfähige Freistellungserklärung vorliegen. Nach § 12 Abs 4 BTVG hat der Treuhänder das Vorliegen einer geeigneten Freistellungsverpflichtung zu prüfen.
2.2 Im Anlassfall bestreitet der Erleger nicht, sondern geht vielmehr selbst davon aus, dass der erworbene Liegenschaftsanteil jedenfalls dann freizustellen ist, wenn vom Erwerber alle fälligen Raten gezahlt wurden und der Bauträger gegen den Erwerber keinen Anspruch mehr hat. Der Treuhänder hat dann für die Freistellung zu sorgen. Die Auszahlung der ersten Rate an den Bauträger darf vom Treuhänder erst dann vorgenommen werden, wenn sich dieser bereits im Besitz der geeigneten Löschungsquittung befindet ( Würth in Rummel ³ § 9 BTVG Rz 2; Aufner/S. Bydlinski , BTVG § 9 Rz 6).
Ob dem Hypothekargläubiger die vom Erwerber an den Bauträger zeitgerecht entrichteten Zahlungen auch zugekommen sind, ist für den Anspruch des Erwerbers auf die (zwischen Bauträger und Hypothekargläubiger) vereinbarte Freistellung (vgl RV 432 BlgNR 23. GP 10 f) irrelevant. Der Hypothekargläubiger hat im Rahmen der Vereinbarung mit dem Bauträger selbst dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Zahlungen auf die pfandrechtlich gesicherte Forderung (durch den Bauträger) auch zukommen. Der Hypothekargläubiger kann in dieser Hinsicht aber den Treuhänder mit zusätzlichen Aufgaben betrauen ( Würth in Rummel 3 § 9 BTVG Rz 2), diesem also einen entsprechenden Treuhandauftrag erteilen.
3. Nach der dargelegten Konzeption erhält der Hypothekargläubiger die Zahlungen im Regelfall vom Bauträger. Im Anlassfall sind die Erlagsvoraussetzungen somit keineswegs evident. Diese Einschätzung wird durch den Standpunkt der Zweiterlagsgegnerin bekräftigt, wonach diese keinen Auszahlungsanspruch hinsichtlich des treuhändig erlegten Kaufpreisrests habe. Vom Erleger muss daher im Hinblick auf die Schlüssigkeit des Erlagsantrags plausibel dargelegt werden, dass der Hypothekargläubiger ihm gegenüber einen (nicht erkennbar unberechtigten) Anspruch (zumindest als Zahlstelle) auf die von ihm als Treuhänder zu erbringende Leistung, hier also auf die Zahlung der Erwerberin, aus der Abwicklung des Bauträgermodells erhebt. Dazu hat der Erleger im Erlagsantrag vorgebracht, dass der Lastenfreistellungsbetrag für den Anteil der Erwerberin (135.397,79 EUR) analog dem Ratenplan (mit einem bestimmten Teil der Kaufpreiszahlung) von ihm an die Hypothekargläubigerin ausgezahlt werden sollte. Das Erstgericht hat dazu korrespondierend die (als bescheinigt angenommene) Feststellung getroffen, dass der beim Erleger erliegende Kaufpreis entsprechend dem jeweiligen Bauabschnitt an den Bauträger und an die Hypothekargläubigerin überwiesen werden sollte und dies gemäß der Vereinbarung (teilweise) auch so geschehen ist. Diese Feststellung ist unbekämpft geblieben.
Ob eine Zahlungsverpflichtung des Treuhänders gegenüber der Zweiterlagsgegnerin aufgrund der Vertragslage materiell tatsächlich besteht, und gegebenenfalls, ob diese Verpflichtung trotz Insolvenzeröffnung aufrecht geblieben ist, muss hier nicht geklärt werden. In dieser Hinsicht kann jedenfalls nicht von einer klaren Rechtslage und davon ausgegangen werden, dass für den Erleger der tatsächlich Forderungsberechtigte leicht erkannt werden kann. Der Erleger kann daher durchaus von zwei Forderungsprätendenten ausgehen, die Anspruch auf die von ihm als Treuhänder zu erbringende Leistung erheben. Die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Erlegers kann demnach nicht verneint werden.
4. Auf die gerichtliche Verwahrung der Löschungsquittung vom nehmen die Revisionsrekurse nicht Bezug, obwohl weder die Ersterlagsgegnerin noch die Zweiterlagsgegnerin die Herausgabe der Löschungsquittung beanspruchen.
Die Kostenentscheidung der Vorinstanzen kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht angefochten werden (RIS Justiz RS0111498; RS0007695).
5. Auch wenn das Rekursgericht auf die Bestimmungen des BTVG nicht Bedacht genommen hat, wurde dem Erlagsantrag im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Den Revisionsrekursen war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00057.15P.0625.000