OGH vom 02.10.2002, 9ObA205/02s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Harald R*****, Vertragsbediensteter, *****, vertreten durch Dr. Gert Ragossnig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (EUR 279.063,68), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 271/01d-18, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cga 56/01w-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.410,16 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 401,69 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit Vertragsbediensteter (Vertragslehrer) der beklagten Partei. Er wurde vom Strafgericht wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB 16 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Gemäß § 44 Abs 2 StGB wurde auch die "Rechtsfolge des Amtsverlustes" bedingt nachgesehen. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin schriftlich mit, dass auf Grund dieses Urteils das Dienstverhältnis gemäß § 34 Abs 3 VBG 1948 im Zusammenhalt mit § 27 Abs 1 StGB als aufgelöst gelte. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Dienstverhältnis nach wie vor aufrecht sei, weil die Rechtsfolge des Amtsverlustes vom Strafgericht bedingt nachgesehen worden und eine Kündigungs- oder Entlassungserklärung von der Beklagten nicht abgegeben worden sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:
§ 34 Abs 3 VBG hat folgenden Wortlaut:
"Ist ein strafgerichtliches Urteil gegen einen Vertragsbediensteten ergangen, das nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften den Verlust jedes öffentlichen Amtes unmittelbar zur Folge hat, so gilt das Dienstverhältnis mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils als aufgelöst und jeder Anspruch des Vertragsbediensteten aus dem Dienstvertrag als erloschen."
§ 34 Abs 3 VBG verweist damit auf § 27 Abs 1 StGB (SZ 70/82), nach dem "mit der durch ein inländisches Gericht erfolgten Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbaren Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe ... bei einem Beamten der Verlust des Amtes verbunden" ist. Nach § 44 Abs 2 StGB (idF der Nov BGBl Nr 762/1996) können Nebenstrafen und Rechtsfolgen der Verurteilung unabhängig von der Hauptstrafe "bedingt nachgesehen" werden. Eine Bestimmung des materiellen Rechts, die den Widerruf der bedingten Nachsicht ermöglichen würde, fehlt allerdings. Ebenso wenig ist eine Probezeit vorgesehen, weswegen sich auch ein Beschluss nach § 497 Abs 1 StPO, dass die bedingte Nachsicht endgültig geworden ist, erübrigt. Konnte man bis zum StRÄG 1996 die Meinung vertreten, dass infolge des bis dahin durch § 44 Abs 2 verlangten Zusammenhangs von Hauptstrafe und Rechtsfolge der Widerruf der bedingten Nachsicht der Hauptstrafe auch für die Rechtsfolge gilt, fehlt seither eine materielle Grundlage für den Widerruf der bedingten Nachsicht der Rechtsfolge, der daher nicht in Betracht kommt (Ratz, Wiener Kommentar zum StGB, § 27 Rz 4). Da der Kläger kein Beamter ist, kann das Strafurteil für ihn zwar die durch § 34 Abs 3 VBG normierte Rechtsfolge der Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen, nicht aber die in § 27 Abs 1 StGB normierte Rechtsfolge des "Amtsverlustes", zumal sich § 27 Abs 1 StGB nur auf Beamte bezieht. Insofern war für das Strafgericht die bedingte Nachsicht des "Amtsverlustes" nicht indiziert; der Ausspruch erklärt sich daraus, dass das Strafgericht zu Unrecht davon ausging, dass der Kläger Beamter sei (S 5 des Berufungsurteils). Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, ob bei Vertragsbediensteten des Bundes überhaupt eine bedingte Nachsicht der in § 34 Abs 3 VBG normierten Rechtsfolge durch das Strafgericht möglich ist bzw. ob die hier vom Strafgericht ausgesprochene Nachsicht der Rechtsfolge des Amtsverlustes als eine solche Nachsicht verstanden werden könnte. Nähere Ausführungen dazu sind aber im hier zu beurteilenden Fall nicht erforderlich.
Da das Strafgericht mit seinem (in seiner Gesamtheit zu beurteilenden) rechtskräftigen Urteil die Rechtsfolge des Amtsverlustes bedingt nachgesehen hat, liegt jedenfalls kein Strafurteil vor, "das nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften den Verlust jedes öffentlichen Amtes unmittelbar zur Folge hat". Dies steht - ungeachtet des Umstandes, dass die Nachsicht "bedingt" erfolgte - schon jetzt endgültig fest, weil - wie gezeigt - ein Widerruf der bedingten Nachsicht nicht in Betracht kommt. Damit sind aber die Voraussetzungen des § 34 Abs 3 VBG nicht gegeben, sodass das Dienstverhältnis des Klägers nicht erloschen ist. Von der Möglichkeit, aus Anlass der Verurteilung des Klägers eine Beendigungserklärung abzugeben, hat die Beklagte nicht Gebrauch gemacht.
Der von der Beklagten zitierten Entscheidung 8 ObA 2160/96x = Arb
11.599 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen, weil im dort zu beurteilenden Fall nur ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe, nicht aber die Rechtsfolge des Amtsverlustes bedingt nachgesehen wurde. Auf die Ausführungen der Beklagten, wonach der Kläger wegen seines Verhaltens seinen Aufgaben als Lehrer nicht mehr gerecht werden könnte, kann unter den hier gegebenen Umständen nicht eingegangen werden. Diese Überlegungen wären nur im Zusammenhang mit einer (allerdings nicht abgegeben) Beendigungserklärung durch die Beklagte von Interesse, können aber die nicht gegebenen Voraussetzungen für eine ex-lege-Beendigung nicht ersetzen.
Die Umformulierung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht begründet weder eine Nichtigkeit noch einen Verfahrensmangel. Ist - wie hier - aus der Klageerzählung zu erkennen, dass das Rechtsschutzziel des Klägers tatsächlich die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses - ohne bestimmten Endtermin - ist, dann kann das (in unzulässiger Weise) auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beendigung gerichtete Klagebegehren in ein solches auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses umgedeutet werden (RIS-Justiz RS0039010; zuletzt 8 ObA 11/01b).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.