OGH vom 09.11.2015, 22Os7/15t

OGH vom 09.11.2015, 22Os7/15t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Dr. Waizer sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Sailer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwältin in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung der Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom , GZ D 13 60 (3 DV 14 09) 37, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, des Kammeranwalts Dr. Schmidinger sowie der Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen Strafe Folge gegeben und die Geldbuße auf 1.000 Euro herabgesetzt.

Der Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch enthaltenden Erkenntnis wurde die Disziplinarbeschuldigte des Disziplinarvergehens der Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil sie mit Honorarnote vom Annemarie R***** für einen Kaufvertragsentwurf vom ungerechtfertigter Weise ein Honorar von 6.554,10 Euro in Rechnung stellte, obwohl ihr zur Errichtung des Kaufvertragsentwurfs kein Auftrag erteilt wurde und sie selbst bereits am „27. Juli“ (richtig Oktober/November) 2012 Rechtsanwalt Dr. T***** um Errichtung des Kaufvertrags ersucht hatte.

Die Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.500 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung der Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO; RIS Justiz RS0128656 [T1]), Schuld und (implizit: § 49 letzter Satz DSt) Strafe.

Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht die Disziplinarbeschuldigte eine nicht ausreichende „Untersuchung“ des Sachverhalts durch den Disziplinarrat geltend, ohne unerörtert gebliebene (iSd Z 5 zweiter Fall), sie entlastende Umstände zu benennen.

Der Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zuwider haftet dem Schuldspruch keine unrichtige rechtliche Beurteilung an. Die prozessordnungskonforme Geltendmachung eines (wie hier) materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im (hier) Erkenntnis festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0099810). Diesen Anforderungen wird die Berufung, indem die Rechtsfolgebehauptung einer Beauftragung durch die Verkäuferin Annemarie R***** zu dem hier in Rede stehenden „Kaufvertragsentwurf vom “ auf erkenntnisfremde eigenständige Sachverhaltsannahmen gestützt wird, nicht gerecht. Denn die nur mit der Tochter der Verkäuferin in Kontakt stehende Disziplinarbeschuldigte teilte Petra S***** mit, den Verkauf der Wohnung ihrer Mutter Annemarie R***** nicht „weiter“ betreuen zu können, vielmehr wurde dies ihrem Rat folgend RA Dr. T***** übertragen und der Vertrag von diesem unterfertigt von der Käuferin am und von der Verkäuferin am (ES 9) erstellt (ES 8). Zudem verneinte der Disziplinarrat sowohl das Verfassen eines Vertrags durch die Disziplinarbeschuldigte als auch dessen Übermittlung an die Vertragsteile (ES 8 Mitte iVm ES 11). Dass Dr. T***** in seiner Stellungnahme ON 22 irrtümlich von ausging, wurde durch ergänzende Befragung der Disziplinarbeschuldigten klargestellt.

Soweit in eigenständiger Auslegung aus der fehlenden Feststellbarkeit eines bestimmten Auftraggebers (ES 8) eine tatsächlich erfolgte Beauftragung abgeleitet wird, missachtet die Berufungswerberin die damit auch konstatierte fehlende Feststellbarkeit der Erteilung eines zivilrechtlich wirksamen Auftrags durch Annemarie R*****. Denn zufolge „atmosphärischer Probleme“ mit RA Dr. Herwig F***** hatte deren Tochter Petra S***** die Disziplinarbeschuldigte mit ihrer Vertretung in einem VwGH Verfahren und „den Agenden“ ihrer Mutter im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Verkauf der Wohnung an Christian K*****, dessen von RA Dr. Sc***** erstellter Vertragsentwurf von RA. Dr. F***** geprüft worden war, beauftragt (ES 7). Dass Petra S***** über eine Vollmacht ihrer Mutter verfügte, hat die Disziplinarbeschuldigte zudem nie behauptet, sondern nur ein Handeln in deren Interesse nach Art einer Geschäftsführung ohne Auftrag.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen. Dass die konstatierten Gespräche der Disziplinarbeschuldigten mit der Tochter der Verkäuferin überhaupt eine rechtswirksame Beauftragung durch diese tragen könnten, sagt die Berufung nicht, wie sie auch zum „Verschulden“ der Verkäuferin an der Nichtverwendung ihres ohnehin nicht erstellten Entwurfs schweigt. Soweit die Disziplinarbeschuldigte einen Verstoß gegen den Aufklärungsgrundsatz (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 2 Abs 2 StPO) behauptet, lässt sie offen, welche Maßnahmen der Disziplinarrat noch ergreifen hätte können, um seine Entscheidungsgrundlage zu verbreitern. Inwieweit die Berufungswerberin gehindert gewesen sein könnte, zielführende Beweisanträge zu stellen, legt sie nicht dar.

In ihrer Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur legte die Disziplinarbeschuldigte erstmals den in Rede stehenden „Kaufvertragsentwurf vom “ vor.

Hieraus ist für ihren Standpunkt indes nichts zu gewinnen:

Abgesehen davon, dass sie sich „nicht einmal die Mühe machte“, einen aktuellen Grundbuchsstand in den ohnehin schon von einem anderen Rechtsanwalt konzipierten Kaufvertragsentwurf zu integrieren (vgl am abgelaufene Rangordnung für die Veräußerung) enthält dieser zwar ansatzweise einige „Stehsätze“, endet aber inhaltslos bei dem Passus der Kostentragung. Dass hiefür das verzeichnete Honorar von 6.554,10 Euro ganz unabhängig von der Frage expliziter, schlüssiger oder gar nicht erteilter Beauftragung krass überhöht und somit Ansehen oder Ehre des Standes abträglich ist, bedarf keiner näheren Erörterung.

Was die gleichfalls der genannten Äußerung angeschlossene per Mail versendete Bitte R*****s um Übersendung des Miet vertrags mit der vorliegenden Errichtung eines Wohnungskaufvertrags zu tun haben soll, bleibt unerfindlich.

Der Disziplinarrat wertete bei der Strafbemessung keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen die bisherige disziplinäre Unbescholtenheit der Berufungswerberin.

Mit Blick auf diese zutreffend angeführten Gründe, den im Rahmen des Gerichtstags gewonnenen persönlichen Eindruck von der Disziplinarbeschuldigten, die ersichtlich viele Energien in die vorliegende, sich durchaus schwierig gestaltende Vertragssache investiert hatte, welche letztlich auch zum erfolgreichen Abschluss beigetragen haben mögen, und die durchschnittliche Einkommens und Vermögenssituation einer Rechtsanwältin konnte in Stattgebung der implizierten Strafberufung die Geldbuße auf 1.000 Euro reduziert werden.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

Der unter einem für den Fall mangelnden Erfolgs der Berufung ausgeführten Kostenbeschwerde genügt zu erwidern, dass der Strafprozessordnung derart bedingt erhobene Rechtsmittel fremd sind und die konkrete zahlenmäßige Bestimmung und Aufgliederung der Kosten bei hier nur grundsätzlichem Ausspruch über deren Ersatzpflicht einem Beschluss des Disziplinarrats vorbehalten ist, der hiebei die Teilfreisprüche zu berücksichtigen haben wird.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0220OS00007.15T.1109.000