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VfGH vom 17.12.1998, B571/96

VfGH vom 17.12.1998, B571/96

Sammlungsnummer

15393

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verneinung der Abzugsfähigkeit eines ausschüttungsbedingten Veräußerungsverlustes im Zusammenhang mit Anteilscheinen eines Kapitalanlagefonds iS einer Befreiungsbestimmung für Investmentfonds; keine Anwendbarkeit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Abschreibung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften; sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Erträgen aus solchen Beteiligungen und Ausschüttungen von Anteilen an Investmentfonds

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine Raiffeisenbank

reg. Gen.m.b.H., hat am Raiffeisen-Kapitalfonds-Anteile um ATS 46.365.630,-- erworben. Dafür hat sie am eine Ausschüttung des Fonds in der Höhe von ATS 10.948.000,-- erhalten. Davon wurden ATS 7.720.562,-- gemäß § 23 Abs 1 Investmentfondsgesetz als steuerfrei behandelt. Am hat die Beschwerdeführerin die Kapitalfonds-Anteile mit einem Verlust von ATS 11.436.410,-- veräußert.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Berufungssenates der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom wird der Beschwerdeführerin die gewinnmindernde Anerkennung dieses Verlustes im Ausmaß der steuerfrei belassenen Ausschüttungsanteile bei Bemessung und Festsetzung der Körperschaftssteuer für 1992 verweigert. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Das Finanzamt erblickte im dargestellten Sachverhalt einen Anwendungsfall des § 12 Abs 2 KStG 1988 bzw. des § 20 Abs 2 EStG 1988.

...

Der Berufungssenat schließt sich der Auffassung des Finanzamtes aus nachstehenden Gründen an:

Dabei verkennt der Berufungssenat nicht die herrschende (wenngleich nicht einheitliche) Lehre und Rechtsprechung zur Frage des Zusammenhanges zwischen nach § 10 KStG 1966 steuerfreien Beteiligungserträgen einerseits und ungeachtet dessen voll gewinnmindernden ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen anderseits (siehe Zl. 89/14/0064, sowie vom , Zl. 90/13/0228; Wundsam, Recht der Wirtschaft 1992, 287; Beiser, Recht der Wirtschaft 1990, 125 sowie 1992, 321; Haunold, Ecolex 1993, 44).

Für den Berufungsfall ist jedoch nach Überzeugung des Berufungssenates zu beachten, daß es gegenständlich um die Beurteilung einer ganz anderen Befreiungsbestimmung (nämlich von § 23 Abs 1 InvFG und nicht von § 10 KStG) geht und daß sich zudem zwischenzeitlich die Gesetzeslage betreffend das in Streit stehende Abzugsverbot formell geändert hat. Während sich die obzitierten Judikate auf § 17 KStG 1966 bezogen, geht es gegenständlich um die Wirkung von § 12 Abs 2 KStG 1988, dem durch das Steuerreformgesetz 1993 ein dritter Absatz angefügt wurde, der ein Abzugsverbot für ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen ausdrücklich normiert. Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 12 Abs 3 KStG 1988 i.d.F. BGBl. 1993/818 stellt die angefügte Bestimmung klar, 'daß sowohl ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen als auch ausschüttungsbedingte Veräußerungsverluste nicht abzugsfähig sind'. Kommt aber demnach der genannten Gesetzesbestimmung keine konstitutive Wirkung zu, dann ist der Gesetzgeber bereits vor dem Veranlagungsjahr 1994 von der Nichtabzugsfähigkeit von ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen ausgegangen. Dies wiederum bedeutet, daß Abs 3 des § 12 KStG 1988 nur ein Unterfall des Abs 2 darstellt (vgl. Kauba, Österreichische Steuerzeitung 1995, 104).

Wenn nun aber das Abzugsverbot für ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen in sachlicher Hinsicht für sämtliche im § 10 KStG genannte Beteiligungen und in zeitlicher Hinsicht auch für die Kalenderjahre vor 1994 als Unterfall des Abs 2 Geltung hat, dann liegt kein den Berufungssenat überzeugender Grund vor, weshalb nicht auch der Fall einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung unter das allgemeine Abzugsverbot des § 12 Abs 2 KStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung fallen sollte.

Jedenfalls gibt es keine dieser Auffassung entgegenstehende Judikatur zum so verstandenen Zusammenspiel der Befreiungsbestimmung des § 23 Abs 1 InvFG und des Abzugsverbotes von § 12 Abs 2 KStG. Die Lehrmeinungen in dieser Frage halten sich die Waage (Bergmann - Mayerhofer, SWK 1992, A 359; Niescher, ÖStZ 1995, 66) oder lassen die Frage offen (Kohler, SWK 1993 A 197; Kohlhauser, SWK 1994 A 194). Die Verwaltungspraxis orientiert sich an der Auffassung des BMfF (Recht der Wirtschaft 1993, 165), wonach eine Teilwertabschreibung bzw. ein bei Veräußerung eines Anteilscheines realisierter Verlust gemäß § 20 Abs 2 EStG bzw. § 12 Abs 2 KStG insoweit steuerlich unwirksam ist, als in der letzten vor einer derartigen Maßnahme erfolgten Ausschüttung Beträge enthalten sind, die nach § 23 Abs 1 InvFG steuerfrei gestellt sind ...

... Für den im Gesetz geforderten unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen nach § 23 Abs 1 InvFG steuerfreien Ausschüttungen einerseits und der vorgenommenen Teilwertabschreibung bzw. dem erlittenen Veräußerungsverlust andererseits sprechen zusätzlich folgende Gründe:

Zum einen kann sachverhaltsmäßig aufgrund der evidenten zeitlichen und betragsmäßigen Zusammenhänge wohl kein Zweifel bestehen, daß der in Rede stehende Veräußerungsverlust im wesentlichen auf den durch die Ausschüttung gesunkenen Kurs zurückzuführen ist. Daß ... der Verlust den Ausschüttungsbetrag übersteigt und folglich ein Teil des Verlustes nicht auf die Ausschüttung zurückgeführt werden kann, vermag daran nichts zu dndern. Denn dies ändert nichts daran, daß der Verlust bei Wegdenken der Ausschüttung entsprechend geringer wäre.

Zum andern folgt der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang aus der besonderen rechtlichen Konstruktion des Investmentfonds, der auch buchhalterisch Rechnung getragen wird (vgl. auch Peterseil, ÖStZ 1995, 64). Nach § 7 InvFG ergibt sich der Wert eines Anteiles aus der Teilung des Gesamtwertes des Kapitalanlagefonds einschließlich der Erträgnisse durch die Zahl der Anteile. Nach § 13 InvFG ist der Jahresertrag eines Kapitalanlagefonds auszuschütten. Gemäß § 23 InvFG sind die Ausschüttungen eines Kapitalanlagenfonds an die Anteilinhaber bei diesen steuerpflichtige Einnahmen, soweit sie nicht Gewinne aus der Veräußerung von Vermögenswerten eines Fonds, einschließlich von Bezugsrechten, enthalten. Aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß Fondserträgnisse zwingend einen Teil des Anteilswertes darstellen bzw. daß der Substanzwert ex lege eine Ertragskomponente enthält und daß daher Ausschüttungen zwingend zu entsprechenden Wertverlusten des Anteiles führen. Während also die Ausschüttung von Beteiligungsertägen nach § 10 KStG den Substanzwert der Beteiligung lediglich berührt und zu einer Teilwertabschreibung führen kann (vgl. Zl. 90/13/0031), führt eine Ausschüttung nach § 23 InvFG immer zwingend zu einer Wertminderung des Anteiles. Damit aber ist der ertragsbezogene unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der steuerfreien Ausschüttung einerseits und der ausschüttungsbedingten Wertminderung andererseits evident. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes, ferner unter Bedachtnahme auf die überzeugende Argumentation Nieschers (Österreichische Steuerzeitung 1995, 66) und des BMfF (SWK 1993 A 198), weiters unter Anerkennung des Grundsatzes der Einmalbesteuerung (vgl. Schneider, RdW 1992, 220ff) bzw. in Ansehung dessen, daß der ausschüttende Investmentfonds selbst nicht steuerpflichtig ist (Bauer-Quantschnigg, Die Körperschaftsteuer, Tz 28 zu § 3 KStG 1988), ist der Berufungssenat davon überzeugt, daß im Berufungsfall ein Anwendungsfall des § 12 Abs 2 KStG 1988 vorliegt."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird. Begründend wird dazu u.a. Folgendes ausgeführt:

"Dem angefochtenen Bescheid ist der Vorwurf denkunmöglicher Gesetzesanwendung (bzw der Gesetzlosigkeit) zu machen.

...

Die Argumentation, § 12 Abs 3 KStG 1988 enthielte nur eine klarstellende (gemeint: 'nicht konstitutive') Bestimmung, ist im Hinblick auf die ausdrückliche Anordnung, wann diese neue Bestimmung erstmalig anzuwenden ist, denkunmöglich und muß sich den Vorwurf einer bloßen Scheinbegründung gefallen lassen. Bloße Klarstellungen, die den normativen Inhalt einer Bestimmung nicht ändern, können - als gesetzliche Regelung - zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten, stellen sich aber ihrer Rechtsnatur nach außerhalb jede Anordnung einer erstmaligen Anwendung nach ihrem Inkrafttreten. Eine solche gesetzliche Anordnung widerlegt daher die Annahme, es läge eine 'nicht konstitutive' Bestimmung vor.

Den (auch vom angefochtenen Bescheid zitierten) Judikaten (auf die sich auch die Literatur stützt) hält der angefochtene Bescheid entgegen, sie bezögen sich auf § 17 KStG 1966, während es gegenständlich um die Wirkung von § 12 Abs 2 KStG 1988 ginge (und das Hilfsargument, § 12 Abs 3 KStG 1988 sei nur ein 'Unterfall' dieses Abs 2).

Dem sind die Materialien zum KStG 1988 entgegenzuhalten, (denen zufolge § 12 Abs 2 nahezu wörtlich dem § 20 Abs 2 EStG 1988 entspricht und die bisherige Regelung des § 17 KStG 1966 ablöst; eine Änderung des Geltungsumfanges sei damit nicht verbunden.)

...

Solcherart (wenn eine inhaltliche Änderung des Geltungsumfangs nicht vorliegt) ist die Argumentation im angefochtenen Bescheid, 'die Gesetzeslage betreffend das in Streit stehende Abzugsverbot (hätte sich) formell geändert', denkunmöglich.

Der angefochtene Bescheid müßte sich daher, da der hier zu beurteilende Sachverhalt vor 1994 verwirklicht wurde, ausschließlich mit § 12 Abs 2 KStG 1988 auseinandersetzen und berücksichtigen, daß dieser Paragraph lediglich die bis dahin geltende Regelung des § 17 KStG 1966, ohne daß damit eine inhaltliche Änderung (im streitgegenständlichen Bereich) verbunden gewesen wäre, ablöst, die zu § 17 KStG 1966 ergangene - von der Literatur geteilte - Judikatur daher weiterhin anwendbar ist.

Wenn der angefochtene Bescheid dessen ungeachtet behauptet, es läge ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit 'nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen' vor, so setzt er sich nicht nur in Widerspruch zu dieser von ihm selbst zitierten Judikatur (zum KStG 1966), sondern auch zur Absicht des Gesetzgebers des Steuerreformgesetzes 1993, der im Jahr 1993 die Notwendigkeit erkannte, die Abschreibung von Beteiligungen auf den niederen Teilwert oder die Abzugsfähigkeit des Verlustes aus der Veräußerung solcher Beteiligungen durch einen in den § 12 KStG 1988 neu eingefügten Abs 3 neu - im sechsten Geltungsjahr des KStG 1988 - und zwar im einschränkenden Sinn (konstitutiv, erstmalig anwendbar bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1994) zu regeln.

Auch insoweit wiegt der Fehler des angefochtenen Bescheides, der von einem Anwendungsfall des Abs 2 (warum wurde dann für spätere Jahre 'erstmalig' ... anwendbar ein Abs 3 geschaffen?) ausgeht, so schwer, daß er in die Verfassungssphäre reicht."

Des weiteren setzt sich die Beschwerde ausführlich mit dem Erkenntnis , auseinander. Dabei wird im Schwerpunkt damit argumentiert, dass die vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnte steuerliche Gleichstellung des Investmentzertifikates mit "einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ... eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung und folglich gleichheitswidrig" sei.

Schließlich wird in der Beschwerde ausgeführt:

"Sollte irgend eine gesetzliche Bestimmung der hier vorgetragenen und durch den Gleichheitssatz gebotene Auslegung (auch unter Berücksichtigung der bis zu der äußersten Grenze des Wortsinns gehenden verfassungskonformen Interpretation) entgegenstehen, so wäre diese selbst mit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit behaftet."

4. Der Berufungssenat der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg hat als belangte Behörde - im Wege des Bundesministeriums für Finanzen - die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Darin wird u.a. ausgeführt:

4.1. Soweit die Beschwerde der belangten Behörde denkunmögliche Gesetzesanwendung vorwirft, weil sie im angefochtenen Bescheid § 12 Abs 3 KStG idF BGBl. 818/1993, angewendet habe, obwohl diese Bestimmung in den Streitjahren nicht in Geltung gestanden sei, wird Folgendes bemerkt:

"Dieser Vorwurf ist unzutreffend. Es ist zwar richtig, daß (im) angefochtenen (Bescheid) unter Hinweis auf die erläuternden Bemerkungen zu der besagten Gesetzesstelle die Auffassung vertreten wurde, daß der Gesetzgeber bereits vor der Schaffung des § 12 Abs 3 KStG 1988 von der Nichtabzugsfähigkeit von ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverlusten ausgegangen ist. Aus den den Standpunkt der belangten Behörde am Ende der angefochtenen (Entscheidung) zusammenfassenden Ausführungen geht aber zweifelsfrei hervor, daß (im Beschwerdefall) ein Anwendungsfall des § 12 Abs 2 KStG 1988 erblickt wurde. Der Vorwurf, die angefochtene Entscheidung auf § 12 Abs 3 KStG gestützt zu haben, ist sohin aktenwidrig."

4.2. Zum Beschwerdevorbringen, die Argumentation im angefochtenen Bescheid, die Gesetzeslage betreffend das in Streit stehende Abzugsverbot habe sich formell geändert, sei denkunmöglich, wird Folgendes ausgeführt:

"Auch dieser Vorwurf ist unzutreffend.

Zum einen gibt die Beschwerdeführerin nur einen Teil der diesbezüglichen Argumentationslinie der belangten Behörde wieder. Die belangte Behörde hat nämlich ausgeführt, es sei zu beachten, daß es gegenständlich um die Beurteilung einer ganz anderen Befreiungsbestimmung, nämlich von § 23 Abs 1 InvFG und nicht um § 10 KStG 1966, gehe und daß sich zudem zwischenzeitlich die Gesetzeslage betreffend das in Streit stehende Abzugsverbot formell geändert habe.

Zum anderen belegen die von (der Beschwerdeführerin) selbst zitierten Gesetzesmaterialien, daß § 12 Abs 2 KStG 1988 den § 17 KStG 1966 abgelöst hat, daß sich also die Gesetzeslage formell geändert hat. Es kann doch nicht ernsthaft die Auffassung vertreten werden, KStG 1966 und KStG 1988 seien formell idente Gesetze."

4.3. Dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe die zu § 17 KStG 1966 ergangene, von der Literatur geteilte Judikatur nicht angewendet, wodurch sie einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler begangen habe, wird entgegengehalten:

"Dem Beschwerdefall liegt zum einen nicht jener Sachverhalt zugrunde, der in der von (der Beschwerdeführerin) angesprochenen verwaltungsgerichtlichen Judikatur (bislang) zu beurteilen war. Denn es kann weder die Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft von vornherein mit der eines Kapitalanlagenfonds noch kann die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit dem Anteil an einem Kapitalanlagenfonds gleichgesetzt werden. Zum anderen war in den angefochtenen Entscheidungen eine andere Rechtslage maßgeblich. Denn es ging nicht um die Anwendung der §§10 und 17 KStG 1966, sondern des § 23 Abs 1 InvFG und § 12 Abs 2 KStG 1988.

Bei der Erlassung der angefochtenen (Entscheidung) war kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bekannt, das zum streitgegenständlichen Sachverhalt ergangen wäre. Das Erkenntnis vom , Zl. 95/14/0035, das im Ergebnis nicht gegen, sondern für die Denkmöglichkeit der (im angefochtenen Bescheid) vertretenen Meinung spricht, war bei dem Ergehen der angefochtenen (Entscheidung) noch nicht bekannt."

4.4. Im Übrigen tritt die belangte Behörde mit näherer Begründung auch der Kritik der Beschwerdeführerin am Erkenntnis , entgegen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich im Wesentlichen auf § 12 Abs 2 KStG 1988 und § 20 Abs 2 EStG 1988 - jeweils in der Stammfassung - in Verbindung mit § 23 Abs 1 InvestmentfondsG, BGBl. 1963/192.

1.1. § 12 Abs 2 KStG 1988, in der Stammfassung, lautet:

"Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen im unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden."

§ 20 Abs 2 EStG 1988, in der Stammfassung, lautet:

"Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden."

§ 23 Abs 1 InvFG, BGBl. 1963/192, lautet:

"Die Ausschüttung eines Kapitalanlagefonds an die Anteilinhaber sind bei diesen steuerpflichtige Einnahmen, soweit sie nicht Gewinne aus der Veräußerung von Vermögenswerten eines Fonds, einschließlich von Bezugsrechten, enthalten."

1.2.1. Mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818, wurde § 12 Abs 2 KStG 1988 wie folgt neugefasst und durch einen Abs 3 ergänzt:

"(2) Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen oder mit Kapitalerträgen im Sinne des § 97 des Einkommensteuergesetzes 1988 in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.

(3) Die Abschreibung von Beteiligungen im Sinne des § 10 auf den niedrigeren Teilwert (§6 Z 2 lita des Einkommensteuergesetzes 1988) oder ein Verlust aus der Veräußerung solcher Beteiligungen darf nur insoweit abgezogen werden, als nachgewiesen wird, daß die Wertminderung oder der Verlust nicht mit Einkommensverwendungen im Sinne des § 8 Abs 2 und 3 der Körperschaft, an der die Beteiligung besteht, in ursächlichem Zusammenhang steht (ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung und ausschüttungsbedingter Verlust)."

Gemäß dem mit in Kraft getretenen ArtIII Z 13 SteuerreformG sind diese Bestimmungen erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1994 anzuwenden.

1.2.2.Ferner wurde mit diesem Bundesgesetz § 20 Abs 2 EStG 1988 wie folgt neugefasst:

"Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder mit Kapitalerträgen im Sinne des § 97 in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden."

Diese Bestimmung ist mit in Kraft getreten.

1.3. Gemäß ArtIII FinanzmarktanpassungsG 1993, BGBl. 532, ist - mit - an die Stelle des InvFG BGBl. 1963/192 das InvFG 1993 getreten. Dieses enthält in § 40 Abs 1 eine Regelung, die mit dem oben wiedergegebenen § 23 Abs 1 InvFG BGBl. 1963/192 identisch ist.

2. Die belangte Behörde begründet die Nichtabzugsfähigkeit des in Rede stehenden Veräußerungsverlustes - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, dass zwischen den nach § 23 Abs 1 InvFG steuerfreien Ausschüttungen einerseits und dem erlittenen Veräußerungsverlust andererseits ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 12 Abs 2 KStG bzw. des § 20 Abs 2 EStG besteht. Zum einen könne sachverhaltsmäßig auf Grund der evidenten zeitlichen und betragsmäßigen Zusammenhänge kein Zweifel bestehen, dass der in Rede stehende Veräußerungsverlust im Wesentlichen auf den durch die Ausschüttung gesunkenen Kurs zurückzuführen ist. Zum anderen folge dieser unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang aus der besonderen rechtlichen Konstruktion des Investmentfonds. Aus den §§7, 13 und 23 InvFG ergebe sich, dass Fondserträgnisse zwingend einen Teil des Anteilswertes darstellen bzw. dass der Substanzwert ex lege eine Ertragskomponente enthält und daher Ausschüttungen zwingend zu entsprechenden Wertverlusten des Anteiles führen. Während also die Ausschüttung von Beteiligungserträgen nach § 10 KStG den Substanzwert der Beteiligung lediglich berühre und zu einer Teilwertabschreibung führen könne, führe eine Ausschüttung nach § 23 InvFG immer zwingend zu einer Wertminderung des Anteiles. Damit sei aber der ertragsbezogene unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der steuerfreien Ausschüttung einerseits und der ausschüttungsbedingten Wertminderung andererseits evident.

3. Diese Auffassung der belangten Behörde ist zumindest vertretbar.

3.1. In der Beschwerde wird unmittelbar dagegen auch gar nichts ins Treffen geführt. Auf das Wesentliche zusammengefasst wird vielmehr damit argumentiert, dass die im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, der in Rede stehende Veräußerungsverlust stehe in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (damit ist in erster Linie das Erkenntnis VwGH Slg. 6637 (F)/1991 gemeint) sowie der Absicht des Gesetzgebers des Steuerreformgesetzes 1993 widerspreche, der die Abzugsfähigkeit eines derartigen Veräußerungsverlustes durch einen in den § 12 KStG neu eingefügten Abs 3 erstmalig für das Veranlagerungsjahr 1994 regeln wollte.

3.2. Diese Beschwerdebehauptungen treffen jedoch nicht zu.

3.2.1. Dies allein deshalb, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die die Beschwerdeführerin damit abzielt, keinen Fall wie den hier vorliegenden betrifft. Hier geht es um die Frage der Abzugsfähigkeit eines ausschüttungsbedingten Veräußerungsverlustes (§12 Abs 2 KStG 1988) im Zusammenhang mit Anteilscheinen eines Kapitalanlagefonds, dort um die Frage der Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert (§6 Z 2 EStG 1972;§ 17 KStG 1966) im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (Gesellschaft mit beschränkter Haftung); somit hier um die Befreiungsbestimmung des § 23 Abs 1 InvFG, dort um die des § 10 KStG 1966. Auf diesen Unterschied wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides daher zu Recht hingewiesen.

Das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen ist aber auch deshalb unzutreffend, weil es sehr wohl denkmöglich ist, den ganz allgemein gefassten (Wortlaut des) § 12 Abs 2 KStG 1988, in der Stammfassung, in dem Sinne zu verstehen wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Der Umstand, dass diese Bestimmung - mit erstmaliger Wirkung bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1994 - mit dem Steuerreformgesetz 1993 neu gefasst und durch einen Abs 3 ergänzt wurde, ändert daran nichts, zumal diese (Neu)Regelungen auf den hier nicht vorliegenden Fall ausschüttungsbedingter Teilwertabschreibungen bzw. Verluste im Zusammenhang mit Beteiligungen gemäß § 10 KStG abstellen.

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch nicht das Bedenken, dass die belangte Behörde dem § 12 Abs 2 KStG deshalb einen verfassungswidrigen - nämlich gegen den Gleichheitssatz verstoßenden - Inhalt beigelegt hätte, weil ihre Auslegung dieser Bestimmung für Anteile an einem Kapitalanlagefonds einerseits und für Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft andererseits zu einer unterschiedlichen körperschaftssteuerlichen Behandlung von Veräußerungsverlusten führt. (Dagegen wendet sich im Wesentlichen die in der Beschwerde geübte Kritik am Erkenntnis .)

Der Verfassungsgerichtshof hält vielmehr eine solche differenzierende Auslegung aus der Sicht des Gleichheitssatzes für vertretbar.

Selbst wenn man nämlich, etwa im Sinne des Erkenntnisses VwSlg. 6637 (F)/1991, davon ausgeht, dass bei Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Beteiligungsertrag und dem Wert der Beteiligung besteht (und daher - im Sinne des zitierten Erkenntnisses - das Abzugsverbot des § 17 KStG 1966 (der im Wesentlichen dem § 12 Abs 2 KStG 1988 entspricht) der Abschreibung einer Beteiligung auf ihren niedrigeren Teilwert auch bei Vorliegen einer (Schachtel)Beteiligung, bei der die Beteiligungserträge bei der empfangenden Gesellschaft gemäß § 10 KStG steuerfrei sind, nicht entgegensteht), bedeutet das nicht, dass für Erträge eines Kapitalanlagefonds (die gemäß § 23 Abs 1 InvFG beim Anteilinhaber insoweit nicht steuerpflichtig sind, als sie Gewinne aus der Veräußerung von Vermögenswerten des Fonds, einschließlich von Bezugsrechten, enthalten) im Verhältnis zum Wert dieses Anteiles (nach einer Ausschüttung) - aus der Sicht des Gleichheitssatzes - das Gleiche gelten müsste.

Dies vor allem deshalb, weil (abgesehen von der spezifischen rechtlichen Konstruktion eines Kapitalanlagenfonds als eines aus Wertpapieren bestehenden Sondervermögens, das im Miteigentum der Anteilinhaber steht) der - jeweils anteilige - Jahresertrag eines Kapitalanlagefonds schon von Gesetzes wegen (§7 InvFG) einen notwendigen Bestandteil des Wertes des einzelnen Anteiles darstellt und daher die - gleichfalls von Gesetzes wegen vorgeschriebene (§13 InvFG) - Ausschüttung des anteiligen Jahresertrages an den jeweiligen Anteilinhaber notwendiger Weise zu einer Verringerung des Anteilswertes führt. Dagegen besteht bei Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft ein vergleichbarer, auf gesetzliche Regelungen zurückzuführender - notwendiger - Zusammenhang zwischen dem - anteiligen - Beteiligungsertrag und dem Wert der jeweiligen Beteiligung nicht. (An diesem typischer Weise bestehenden Unterschied ändert auch der Umstand nichts, dass einerseits - die Fondsbestimmungen eines Kapitalanlagenfonds vorsehen können (§21 Abs 2 litg InvFG), dass Veräußerungsgewinne nicht den Erträgen, sondern dem Anlagevermögen zuzuschreiben sind (vgl. 171 BlgNR, 10. GP, 9), und andererseits auch bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. § 35 Abs 1 Z 1 iVm § 82 Abs 2 GmbHG) oder bei einer Aktiengesellschaft (vgl. § 126 AktG) gesetzliche Gewinnverteilungsregelungen zum Tragen kommen können.)

Dieser Unterschied lässt es aber auch gerechtfertigt erscheinen, bei Anwendung des § 12 Abs 2 KStG in der Weise zu differenzieren, dass bei Anteilen an einem Kapitalanlagefonds ein "unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang" zwischen der - teilweise steuerbefreiten - Ausschüttung und einem - eben "ausschüttungsbedingten" - Wertverlust des Anteiles als bestehend angenommen wird, zwischen - allenfalls körperschaftssteuerbefreiten - Erträgen aus Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft und einem Verlust bei der Veräußerung der Beteiligung nach erfolgter Gewinnverteilung dagegen nicht. (Im Hinblick auf den im vorliegenden Fall nicht anwendbaren § 12 Abs 3 KStG weist der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass eine solche Differenzierung - aus der Sicht des Gleichheitssatzes - freilich nicht geboten, sondern bloß zulässig erscheint.)

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aus der Sicht des vorliegenden Falles nicht veranlasst, auf das ausführliche Beschwerdevorbringen zum Erkenntnis Zl. 95/14/0035, auf das der angefochtene Bescheid - wie bereits erwähnt - auch gar keinen Bezug nimmt, näher einzugehen. Er hält es weiters für entbehrlich, der in der Beschwerde gleichfalls aufgeworfenen Frage nachzugehen, wie der hier nicht vorliegende Fall, dass Anteilscheine nach dem InvFG nicht vom Investmentfonds (von der Depotbank), sondern von Dritten erworben werden, im Lichte des § 12 Abs 2 KStG zu beurteilen wäre.

4. Der Vollständigkeit wegen ist festzuhalten, dass auch im übrigen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des bekämpften Bescheides nicht entstanden sind.

5. Schließlich sei noch angemerkt, dass der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob das Gesetz richtig angewendet wurde, sondern bloß, ob der angefochtene Bescheid an einem in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsmangel leidet oder auf Grund einer rechtswidrigen generellen Norm ergangen ist.

6. Die Beschwerde war sohin aus den dargelegten Gründen abzuweisen.

Diese Entscheidung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.