OGH vom 29.09.2015, 8Ob55/15v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Fidi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei 1. W***** Ö*****, vertreten durch Dr. Karin Best, Rechtsanwältin in Wien, 2. F*****, ebendort, vertreten durch Rohregger Scheibner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 100.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 23/15k 24, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei zeigt keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausragender Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Auch wenn eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung nicht besteht, liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft.
Der maßgebliche § 149 Abs 3 ASVG idgF hat folgenden hier relevanten Wortlaut: „Alle Leistungen von bettenführenden Krankenanstalten, die von dem am geltenden Vertrag zwischen Hauptverband und Fachverband der Gesundheitsbetriebe erfasst sind, im stationären und tagesklinischen Bereich einschließlich der aus dem medizinischen Fortschritt resultierenden Leistungen, sind mit einer Zahlung in der Höhe von 76.306.475,88 EUR abgegolten. Dies gilt auch für jene bettenführenden Krankenanstalten, die von einem zwischen Hauptverband und Fachverband der Gesundheitsbetriebe abzuschließenden Zusatzvertrag umfasst sind (…)“
Entgegen den Revisionsausführungen ist der Regelungsgehalt dieser Bestimmung offenkundig und seine Auslegung durch die Vorinstanzen methodisch schlüssig. Gegenstand ist die ziffernmäßige Begrenzung der Höhe des für die Leistungen aller am PRIKRAF teilnehmenden bettenführenden Krankenanstalten zur Verfügung stehenden Betrags und die Klarstellung, dass es sich um eine Gesamtsumme handelt, an der sich durch eine nachträgliche Einbeziehung weiterer Privatkrankenanstalten aufgrund eines Zusatzvertrags nichts ändert. Weder mit wörtlicher noch teleologisch systematischer Auslegung kann dem Gesetzgeber hier die Absicht unterstellt werden, er habe mit dem zweiten Satz des § 149 Abs 3 ASVG darüber hinaus auch die Zugangsvoraussetzungen für die Krankenanstalten regeln wollen. Von einem im Gesetz angeordneten Kontrahierungszwang kann keine Rede sein. Die Voraussetzung eines Zusatzvertrags zwischen Hauptverband und Zweitbeklagter als gesetzlicher Interessenvertretung wäre im Gegenteil überflüssig, wenn jeder interessierten Privatkrankenanstalt ohnehin ein subjektiver Rechtsanspruch auf Einbeziehung in den Fonds eingeräumt wäre.
Mit diesem Ergebnis steht es im Einklang, dass auch der Verfassungsgerichtshof (aus Anlass einer Beschwerde des Trägers der hier betroffenen Privatkrankenanstalt) bereits ausgesprochen hat, dass § 149 Abs 3 ASVG den Abschluss von Zusatzverträgen mit weiteren Krankenanstalten zwar zulässt, jedoch Krankenanstalten keinen Rechtsanspruch auf einen solchen Vertrag haben. Es stehe aufgrund des Erfordernisses eines regional und fachlich ausgewogenen Angebots qualitativ hochwertiger Krankenhausversorgung auch nicht mit dem Gleichheitssatz in Widerspruch, wenn privaten, gewinnorientierten Krankenanstalten kein Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, mit dem die Einbeziehung in das System der Versorgung der sozialversicherten Bevölkerung mit Anstaltspflege im Rahmen des PRIKRAF G erzwungen werden kann (VfGH B 584/11; zust Felix in Sonntag , ASVG 6 § 149 Rz 3c).
2. Ob die Beklagten ihre Mitwirkung an einem möglichen Vertragsabschluss mit dem Hauptverband aus Willkür verweigert oder wovon die Vorinstanzen ausgegangen sind ihrer Entscheidung eine sachlich gerechtfertigte Interessenabwägung zugrundegelegt haben, ist eine Frage des Einzelfalls, für deren Beurteilung die Revision nur dann offen stünde, wenn dem Berufungsgericht eine geradezu unvertretbare Rechtsansicht vorzuwerfen wäre.
Eine solche Fehlbeurteilung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Die Klägerin zieht nicht in Zweifel, dass die Beklagten in erster Linie die Interessen der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu vertreten haben und eine Erweiterung des Kreises der am PRIKRAF teilnehmenden Krankenanstalten trotz gleichbleibender Dotation des Fonds zu einer anteiligen Kürzung der Leistungen führen würde. Auf die weitere Begründung der Vorinstanzen, insbesondere auf das Argument, dass auch eine nicht am PRIKRAF teilnehmende Krankenanstalt keineswegs von Kostenersatzleistungen der Sozialversicherung ausgeschlossen ist (§ 150 ASVG), geht die Revision nicht näher ein.
3. Den Revisionsausführungen ist darin beizupflichten, dass der erstgerichtlichen Entscheidungsbegründung entgegen dem Verständnis des Berufungsgerichts keine (echte) Negativfeststellung dazu entnommen werden kann, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein durch das Verhalten der Beklagten verursachter Schaden entstanden ist. In der Begründung des erstinstanzlichen Urteils kommt nämlich mehrfach zum Ausdruck, dass das Erstgericht die Durchführung eines Beweisverfahrens über diese Themen aus rechtlichen Gründen für überhaupt entbehrlich erachtet habe, also in Wahrheit noch gar nichts feststellen wollte, weil zunächst zu klären gewesen sei, ob überhaupt die notwendigen Zurechnungskriterien eines allfälligen Anspruchs der Klägerin gegen zumindest eine der beklagten Parteien gegeben wären (Urteil ON 19, S 37).
Da die Vorinstanzen diese Vorfrage einer vertretbaren Rechtsansicht folgend verneint haben, spielt es für das Verfahrensergebnis letztlich keine Rolle, ob Negativfeststellungen oder gar keine Feststellungen zum behaupteten Schaden vorliegen.
4. Es ist grundsätzlich Sache eines Schadenersatz begehrenden Klägers, im Bestreitungsfall eine zu seinem Anspruch führende lückenlose hypothetische Kausalkette unter Beweis zu stellen.
Die in der Revision zum Ausdruck gebrachte Ansicht, es genüge, wenn die Klägerin die Weigerung der Beklagten zum Abschluss eines Zusatzvertrags nachweisen könne, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen für den behauptetermaßen von der Beklagten verhinderten Erfolg ankäme, ist rechtsirrig.
Zu diesen Voraussetzungen gehört vor allem die hypothetische Zustimmung des Hauptverbands. Das Verhalten der Beklagten könnte nur dann für den behaupteten Schaden kausal sein, wenn feststünde, dass auch der notwendige Vertragspartner einer Vereinbarung nach § 149 Abs 3 ASVG, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, in diese eingewilligt hätte.
Dieser Nachweis ist der Klägerin nach den Feststellungen misslungen, weil das Erstgericht zu der Frage, ob der damalige Vorsitzende des Verbandsvorstands des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger dem Geschäftsführer der Klägerin (auch nur) Hoffnungen auf eine möglicherweise positive Erledigung seines Ansuchens gemacht hat (ON 19, S 30), eine unbekämpft gebliebene Negativfeststellung getroffen hat.
5. Auf weitere rechtliche Problemkreise des vorliegenden Verfahrens, wie die Frage der Geltendmachung eines bloß mittelbaren Schadens und die Passivlegitimation der Beklagten, ist im Rahmen der Behandlung der außerordentlichen Revision mangels Entscheidungsrelevanz nicht mehr einzugehen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00055.15V.0929.000