OGH vom 07.06.2001, 9ObA202/00x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Norbert Riedl und Mag. Albert Ullmer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten der K*****-Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer und Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei K*****-Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG (S 300.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 64/00h-29, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 19 Cga 151/97g-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts, das hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens für den Zeitraum ab in Teilrechtskraft erwuchs, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass das Ersturteil für den Zeitraum vom 1. 1. bis mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es zu lauten hat:
Es wird festgestellt, dass die Angestellten der beklagten Partei dieser gegenüber einen Anspruch auf Bezahlung nach dem Mindestlohntarif für Angestellte in Betrieben sozialer Dienste in der ab bzw ab gültigen Fassung für den Fall besitzen, dass das ihnen vertraglich oder auf Grund der ab geltenden Betriebsvereinbarung (Betriebsstandort: H*****) zustehende Entgelt unter jenem liegt, das ihnen auf Grund des genannten Mindestlohntarifes zusteht, wobei sich der vorgenannte Differenzanspruch auf den Zeitraum 1. 1. bis beschränkt.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
13.725 (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bundeseinigungsamt setzte ab einen Mindestlohntarif für Angestellte in Betrieben sozialer Dienste fest. Dieser Mindestlohntarif galt in persönlicher Hinsicht für Angestellte, deren Arbeitgeber weder auf Arbeitgeberseite selbst kollektivvertragsfähig noch Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft waren. In fachlicher Hinsicht galt er für Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen. Mit wurde dieser Mindestlohntarif novelliert, wobei sich jedoch am persönlichen und fachlichen Geltungsbereich, soweit hier relevant, nichts änderte.
Die Beklagte bietet am Betriebsstandort H*****, in zwei Häusern älteren Menschen Appartements und je nach Ausmaß des Bedarfs auch Betreuung und Pflege durch Pflegepersonal an. Im sogenannten A-Haus waren im Jahr 1997 65 bis 88, im sogenannten B-Haus 100 bis 124 Personen untergebracht. Während im A-Haus nur ein Teil der Patienten fremde Hilfe etwa beim An- und Auskleiden, Duschen etc. benötigt, sind im B-Haus ausschließlich solche Personen untergebracht, die der intensiveren Pflege, überwiegend sogar der Vollpflege, bedürfen. Im Durchschnitt beziehen rund 45 Personen Pflegegeld der Stufe 7 nach dem BPGG. In diesem Betrieb der Beklagten sind mehr als 50 Angestellte beschäftigt; davon ist die weit überwiegende Zahl im Krankenpflegedienst tätig. Im Jahr 1997 waren im A-Haus 1 diplomierte Krankenschwester und 3 bzw 4 Pflegehelfer tätig. Im B-Haus, das 4 Pflegestationen umfasst, waren 4 Stationsleiter, 1 Pflegedienstleiter, 7 Abteilungshelfer, 36 Pflegehelfer, 2 Praktikanten, 6 diplomierte Krankenschwestern und 1 Altenfachbetreuerin beschäftigt. In beiden Häusern finden regelmäßig ärztliche Visiten statt.
Ab galt für alle Angestellten der Beklagten am genannten Betriebsstandort eine Betriebsvereinbarung. Ein bereits vorher bei der Beklagten existierendes Gehaltsschema wurde nicht ausdrücklich in den Text der Betriebsvereinbarung aufgenommen. Bei einem Vergleich zwischen Mindestlohntarif einerseits und Betriebsvereinbarung bzw tatsächlicher Praxis andererseits zeigt sich, dass die Angestellten ab einer bestimmten Gehaltsstufe beim Mindestlohntarif günstiger gestellt sind als nach dem Entlohnungsschema der Beklagten. So werden etwa die Sonderzahlungen beim Mindestlohntarif nach dem Monatsentgelt, bei der Betriebsvereinbarung hingegen nur nach dem Gehalt (ohne Zulagen) berechnet. Die Summe aus Schmutzzulage und Erschwerniszulage laut Betriebsvereinbarung ist niedriger als die Erschwerniszulage nach dem Mindestlohntarif. Unter Berücksichtigung der höheren Sonderzahlungen ergibt sich beispielsweise bei den Pflegehelfern nach dem Mindestlohntarif (K1) in der Gehaltsstufe 4 ein Bruttojahresentgelt von S 259.812, nach den Gehaltsansätzen der Beklagten jedoch lediglich ein Jahresentgelt von S 256.000, wobei die Nachtdienstzulage noch gar nicht berücksichtigt ist. Ähnlich ist die Lage beim Krankenpflegepersonal nach dem Mindestlohntarif (K3); bei diesem tritt die Besserstellung nach dem Mindestlohntarif ab der Gehaltsstufe 5 ein.
Mit Beschluss des Bundeseinigungamtes vom wurde der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt; am wurde dieser Beschluss in der Wiener Zeitung kundgemacht. Am trat die Beklagte der BAGS bei.
Mit dem am zur Post gegebenen Schreiben kündigte die Beklagte die Betriebsvereinbarung zum auf.
Der klagende Betriebsrat begehrt mit der am überreichten, in der Folge mit Schriftsatz vom (ON 14) in zeitlicher Hinsicht präzisierten Klage die Feststellung, "dass neben der Betriebsvereinbarung für alle Angestellten bei der Beklagten, auf die Dienstverhältnisse der Angestellten im Pflegebereich des Betriebes der Beklagten in *****, H*****, ab der Mindestlohntarif für Arbeitnehmer/Innen in Betrieben sozialer Dienste, in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung zu bringen sei". Bei diesem Betrieb handle es sich um ein Wohnheim für ältere Personen, die regelmäßig der Betreuung und Pflege bedürfen. Die Regelungen des Mindestlohntarifes seien teilweise günstiger als die betrieblichen Entlohnungsregelungen der Beklagten, insbesondere hinsichtlich der Vorrückungen, der Höhe des Gehalts bei höherer Zahl von Berufsjahren, der Berechnung der Sonderzahlungen sowie der Art und Höhe der Zulagen. Die Beklagte sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht bereit, die Bezahlung entsprechend dem Mindestlohntarif anzuheben. Die Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG sei zulässig, weil mehr als drei Angestellte weniger erhielten als ihnen nach dem Mindestlohntarif zustehe und sohin von der begehrten Feststellung betroffen seien.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, das der Mindestlohntarif auf die Angestellten der Beklagten nicht anwendbar sei. Die Beklagte biete keine Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art an. Sie vermiete in erster Linie Appartements an Senioren und stelle ein Betreuungsangebot bei. Am habe die BAGS, eine kollektivvertragsfähige Körperschaft auf Arbeitgeberseite, die Kollektivvertragsfähigkeit erhalten; der Mindestlohntarif sei daher zumindest ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden. Im Übrigen sei die Entlohnung durch die Beklagte "großteils" ohnedies günstiger als laut Mindestlohntarif.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen vertrat es die Rechtsauffassung, dass die Bestimmungen eines Mindestlohntarifes weder durch Betriebsvereinbarung noch durch Arbeitsvertrag aufgehoben oder beschränkt werden können. Durch die bloße Erlangung der Kollektivvertragsfähigkeit sei der vorher gültig erlassene Mindestlohntarif nicht berührt worden. Da bis Schluss der Verhandlung kein Kollektivvertrag für denselben Geltungsbereich abgeschlossen worden sei, sei der Mindestlohntarif weiter in Kraft geblieben. Die weit überwiegende Zahl der Arbeitnehmer der Beklagten sei im Krankenpflegedienst tätig; die weit überwiegende Zahl der Bewohner werde medizinisch betreut und gepflegt. Die Beklagte falle daher unter den fachlichen Geltungsbereich des Mindestlohntarifes. Bei einem Vergleich zeige sich, dass die Arbeitnehmer ab einer bestimmten Gehaltsstufe beim Mindestlohntarif günstiger gestellt seien als nach dem Entlohnungsschema der Beklagten. Die Sonderzahlungen würden beim Mindestlohntarif nach dem Monatsentgelt, bei der Betriebsvereinbarung hingegen nur nach dem Gehalt (ohne Zulagen) berechnet. Die Summe aus Schmutzzulage und Erschwerniszulage, die die Beklagte gewähre, sei niedriger als die Erschwerniszulage nach dem Mindestlohntarif. Unter Berücksichtigung der höheren Sonderzahlungen ergebe sich beispielsweise bei den Pflegehelfern (K1) ab der Gehaltsstufe 4 bzw beim Krankenpflegepersonal (K3) ab der Gehaltsstufe 5 ein höheres Bruttojahresentgelt nach dem Mindestlohntarif.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Mit dem in das Berufungsurteil aufgenommen Beschluss ließ es die in der Berufungsverhandlung vom Kläger in eventu vorgenommene Klageänderung durch Aufnahme der Formulierung "in der Fassung des Mindestlohntarifes 1997" anstelle von ursprünglich "in der jeweils gültigen Fassung" nicht zu. Ausgehend von den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen vertrat es die Rechtsauffassung, dass bereits der Bestand einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitgeber dafür ausschlaggebend sei, dass eine Anwendung von Mindestlohntarifen nicht mehr erfolgen könne; gleichgültig ob tatsächlich ein Kollektivvertrag abgeschlossen worden sei. Damit scheide eine Anwendung des Mindestlohntarifes ab Erlangung der Kollektivvertragsfähigkeit durch die Beklagte (gemeint: BAGS) jedenfalls aus. Hinsichtlich des Zeitraumes zwischen der Klageeinbringung und der Kollektivvertragsfähigkeit scheitere ein Erfolg des Feststellungsbegehrens an der Unzulässigkeit einer dynamischen Verweisung. Das Feststellungsbegehren ziele auf eine Rechtssetzungsbefugnis ab, die nur den im ArbVG genannten Betriebsparteien bezüglich der dort genannten Angelegenheiten zukomme. Eine Delegation dieser Rechtsetzungsbefugnis im Wege einer dynamischen Verweisung komme nicht in Frage. Da die laut Klage festzustellenden Ansprüche bisher offenkundig nie ausbezahlt worden seien, komme auch keine individiualrechtliche Anspruchsbegründung in Frage und es sei daher auch keine Umdeutung in eine statische Verweisung möglich. Klageveränderungen seien im Berufungsverfahren unzulässig. Es sollte wohl immer die aktuelle Fassung des Mindestlohntarifes einbezogen werden, der Kläger ziele jedoch jetzt auf die "versteinerte" Fassung des Mindestlohntarifs 1997 ab.
Gegen die Berufungsentscheidung - jedoch nur hinsichtlich des Zeitraums vom 1. 1. bis - richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Erkennbar ebenfalls nur hilfsweise ("aus Vorsichtsgründen") erhebt der Kläger auch Rekurs gegen die Nichtzulassung der beantragten "Klageänderung". Es hätte sich bloß um eine zulässige Spezifizierung und Einschränkung des Klagebegehrens gehandelt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Kläger beschränkt sich in der Revisionserklärung und im Revisionsantrag (§ 506 Z 2 ZPO) auf eine Feststellung für den Zeitraum 1. 1. bis . Die Abweisung des Feststellungsbegehrens für den Zeitraum ab durch das Berufungsgericht erwuchs damit in Teilrechtskraft. In den Rechtsmittelschriften ist die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG, die grundsätzliche Anwendbarkeit des Mindestlohntarifes auf den Betrieb der Beklagten für den Zeitraum 1.
1. bis sowie das zumindest teilweise Bestehen günstigerer Entgeltbedingungen im Mindestlohntarif nicht mehr strittig. Auf die Frage der weiteren Anwendung des Mindestlohntarifes ab der Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft (hier: BAGS) braucht zufolge zeitlicher Beschränkung der Revision bis zum Zeitpunkt des Beitritts der Beklagten nicht mehr eingegangen werden. Aus den gleichen Erwägungen braucht hier auch nicht mehr auf die Frage der Wirksamkeit der von der Beklagten per ausgesprochenen Aufkündigung der Betriebsvereinbarung eingegangen werden. Strittig sind im Revisionsverfahren nur mehr die Fassung des Begehrens und die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage der Zulässigkeit einer dynamischen (bzw statischen) Verweisung. Voranzustellen ist, dass das Bundeseinigungsamt auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer einen Mindestlohntarif (Mindestentgelte und Mindestbeträge für den Ersatz von Auslagen) festzusetzen hat (§ 22 Abs 1 ArbVG). Dieser darf gemäß § 22 Abs 3 ArbVG nur für Gruppen von Arbeitnehmern festgesetzt werden, für die ein Kollektivvertrag nicht abgeschlossen werden kann, weil kollektivvertragsfähige Körperschaften auf Arbeitgeberseite nicht bestehen (Z 1) und sofern eine Regelung von Mindestentgelten und Mindestbeträgen für den Ersatz von Auslagen durch die Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung nicht erfolgt ist (Z 2). Die Bestimmungen des gehörig kundgemachten Mindestlohntarifes sind innerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereiches unmittelbar rechtsverbindlich (§ 24 Abs 1 ArbVG). Sie können durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Sondervereinbarungen sind nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Ansprüche betreffen, die im Mindestlohntarif nicht geregelt sind. § 3 Abs 2 und § 11 Abs 2 ArbVG sind sinngemäß anzuwenden (§ 24 Abs 2 ArbVG).
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, es liege eine unzulässige Delegation von Regelungsbefugnissen auf nicht beteiligte Dritte in Form einer dynamischen Verweisung vor, ist im vorliegenden Fall nicht einsichtig. Richtig ist, dass eine dynamische Verweisung bei normativen Regelungen (Gesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung) aus dem Grund der unstatthaften Delegation der Normsetzungsbefugnis auf andere Rechtssetzungsautoritäten grundsätzlich unzulässig ist (Mayer, B-VG**2 Art 18 II.3; ). Zu diesen normativen Regelungen ist auch der Mindestlohntarif, bei dem es sich um eine Verordnung handelt (Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht II3 158; RIS-Justiz RS0008777), zu zählen. Den im ArbVG genannten Betriebsparteien kommt eine Rechtssetzungsbefugnis nur bezüglich der dort genannten Angelegenheiten zu; eine Delegation dieser Rechtssetzungsbefugnis im Wege einer dynamischen Verweisung an andere Rechtssubjekte kommt ebensowenig in Frage, wie die Delegation der den Kollektivvertragsparteien für einen räumlichen, fachlichen und persönlichen Zuständigkeitsbereich zugewiesenen Rechtssetzungsbefugnisse an andere auf Grund ihres Zuständigkeitsbereiches nicht zur Rechtssetzung in diesen Angelegenheiten berufene Rechtssubjekte (Strasser in FS-Floretta, Dynamische Verweisungen in Kollektivverträgen, 627 ff;
Floretta/Spielbüchler/Strasser aaO 152; DRdA 1990/40 ((zust Mayer/Maly)) = ZAS 1991/12 ((zust Schnorr)); infas 1990 A 22; ARD 4280/14/91; JBl 1993, 801; ecolex 1996, 35; ;
RIS-Justiz RS0050859, RS0050838).
Im vorliegenden Fall stellt sich allerdings das Problem einer Delegation von Regelungsbefugnissen auf nicht beteiligte Dritte in Form einer dynamischen Verweisung gar nicht. Es will nämlich weder der klagende Betriebsrat ihm zustehende Regelungsbefugnisse delegieren, noch verweist der gegenständliche Mindestlohntarif auf Regelungsbefugnisse Dritter. Es braucht daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes auch keine Umdeutung in eine statische Verweisung geprüft werden. In Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG können die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereiches auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebes oder Unternehmens betreffen, klagen (§ 54 Abs 1 ZPO). Von dieser Klagemöglichkeit macht der Angestelltenbetriebsrat der Beklagten Gebrauch. Er will mit seiner Feststellungsklage nichts delegieren, sondern lediglich festgestellt wissen, dass die Angestellten der Beklagten am genannten Betriebsstandort Anspruch auf Entgelt nach dem Mindestlohntarif für Betriebe sozialer Dienste haben, soweit die Entgeltansprüche nach der Betriebsvereinbarung oder nach den Einzelarbeitsverträgen unter jenen des Mindestlohntarifes liegen.
Richtig wies das Berufungsgericht darauf hin, dass in der mündlichen Berufungsverhandlung eine Klageänderung (bzw Klageveränderung) selbst mit Einwilligung des Gegners nicht mehr zulässig ist (§ 483 Abs 4 ZPO; Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 6 zu § 483). Davon zu unterscheiden ist jedoch der in der mündlichen Berufungsverhandlung zunächst noch misslungene Versuch des Klägers, dem Begehren eine deutlichere Fassung zu geben. Im Übrigen erkannte auch das Berufungsgericht, dass es dem Kläger nicht um das Abstellen auf eine "versteinerte" Fassung des Mindestlohntarifes, sondern um die Bezugnahme auf die jeweils aktuelle Fassung ging (S 20 u. 21 d. BE). Es entspricht der Lehre und ständigen Rechtsprechung, dass das Gericht - auch noch in höherer Instanz - befugt und sogar verpflichtet ist, dem Urteilsspruch - abweichend vom gestellten Begehren - eine klarere und deutlichere Fassung zu geben, sofern diese in den Sachbehauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und inhaltlich nicht über das hinausgeht, was der Kläger tatsächlich gewollt hat. Das Begehren ist immer so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit dem Vorbringen tatsächlicher Art von der Partei gemeint war. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann kann und muss das Gericht einem nur versehentlich unrichtig oder zu weit formulierten Begehren die richtige Fassung geben; es darf dabei aber weder ein Plus noch ein Aliud zusprechen (Rechberger in Rechberger, ZPO**2 Rz 2 zu § 405;4 Ob 51/88; RIS-Justiz RS0037440, RS0039357, RS0041207; RS0041254).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die in Form eines Revisionsantrages gekleidete Anregung des Revisionswerbers war daher (großteils) aufzugreifen. Mit seinem Ausführungen zum Eventualrekurs wird der Kläger auf die Erledigung der Revision verwiesen. Eine Klageänderung ist mit dieser Verdeutlichung des Begehrens entgegen der Befürchtung der Revisionsgegnerin auch nicht durch die Bezugnahme auf das vertraglich zustehenden Entgelt verbunden. Wie bereits erwähnt sind die Bestimmungen des gehörig kundgemachten Mindestlohntarifes innerhalb seines Geltungsbereiches unmittelbar rechtsverbindlich (§ 24 Abs 1 ArbVG) und können durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Sondervereinbarungen sind nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Ansprüche betreffen, die im Mindestlohntarif nicht geregelt sind (§ 24 Abs 2 ArbVG).
Die gegenseitige Kostenaufhebung beruht hinsichtlich der ersten und zweiten Instanz auf den §§ 43 Abs 1,§ 50 Abs 1 ZPO (vgl DRdA 1995/11 ((Burgstaller)); hinsichtlich des Revisionsverfahrens beruht die Kostenentscheidung auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.