OGH vom 04.12.2019, 22Ds3/19i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weiteren Richter sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Waizer als Anwaltsrichter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufungen des Beschuldigten und des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom , GZ D 17-69, 2 DV 18-11-23, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, MMag. Anna Sauter-Longitsch, des Kammeranwalts Dr. Schmidinger und des Beschuldigten ***** zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung des Beschuldigten wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird in Stattgebung der Berufung des Kammeranwalts die über den Beschuldigten verhängte Geldbuße auf 1.500 Euro erhöht.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** jeweils mehrerer Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.
Danach hat er als Vertreter des Sead B***** im Verfahren AZ 48 Cgs 155/15b, des Blagoje D***** im Verfahren AZ 48 Cgs 157/15x und des Mirnes B***** im Verfahren AZ 48 Cgs 156/15z, je des Landesgerichts Innsbruck, in den Berufungsschriften gegen das jeweils klagsabweisende Urteil des Erstgerichts ausgeführt, „nur weil jemand ein 'Jugo' ist, darf er im Rahmen der Beweiswürdigung nicht unsachlich und willkürlich diskriminiert werden“, sowie „diese Argumentation, der sich auch das Erstgericht anschloss, ist deshalb diskriminierend, weil sie willkürlich ist“, und damit dem Erstgericht wiederholt eine willkürliche Diskriminierung seiner Mandanten vorgeworfen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 (richtig) lit a StPO sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Beschuldigten geht fehl.
Das Vorbringen der Rechtsrüge, der Beschuldigte habe mit den inkriminierten Ausführungen nur die Einhaltung des in Art 18 AEUV normierten Diskriminierungsverbots gefordert, orientiert sich nicht an dem im Disziplinarerkenntnis festgestellten Sachverhalt und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiellrechtlicher Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).
Entsprechendes gilt, soweit die Berufung den Begriffen „willkürlich“ und „diskriminierend“ anhand eigener Beweiswerterwägungen einen für den Beschuldigten günstigeren Bedeutungsinhalt zumisst als das angefochtene Erkenntnis.
Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Disziplinarrat nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieser ein Tatbestandsmerkmal oder einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (13 Os 179/03, SSt 2004/13; RISJustiz RS0118580, jüngst 14 Os 54/19a). An diesen Kriterien orientiert sich die Berufung nicht.
Die Forderung nach Anwendung der Bestimmung des § 3 DSt (der Sache nach Z 9 lit b) wird nicht auf der Basis des festgestellten Sachverhalts aus dem Gesetz abgeleitet und entzieht sich solcherart ebenfalls einer meritorischen Erledigung (RISJustiz RS0099810 und RS0116569).
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag weder mit der Überlegung, dass das Landesgericht Innsbruck infolge ungeprüfter Übernahme der Sicht der Beklagten möglicherweise davon ausgegangen sei, dass der Verdacht des Sozialbetrugs vorgelegen sein könnte, noch mit der Behauptung, wonach sich die Mandanten des Beschuldigten „als Jugos“ gegenüber Inländern diskriminiert gefühlt hätten, substantiierte Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken.
Das Landesgericht Innsbruck hat in den gegenständlichen Entscheidungen weder dem angesprochenen Vorbringen der Beklagten noch der Nationalität oder der Herkunft der Kläger Bedeutung beigemessen, womit der Beschuldigte den Vorwurf der unsachlichen und willkürlichen Diskriminierung nach den Verfahrensergebnissen ohne Tatsachensubstrat erhob.
Insgesamt werden durch das Berufungsvorbringen somit weder die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerungen noch jene zur subjektiven Tatseite in Zweifel gesetzt.
Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 300 Euro und wertete dabei die Begehung mehrerer Disziplinarvergehen als erschwerend, den bislang ordentlichen Lebenswandel als mildernd.
Entgegen der Berufung des Beschuldigten vermag ein sogenanntes Tatsachengeständnis, also das Zugeben bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des disziplinarrechtswidrigen Verhaltens, den Milderungsgrund des reumütigen Geständnisses (§ 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB) nicht herzustellen (RISJustiz RS0091585 [insbesondere T 2]). Unter dem Aspekt eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) wäre ein „Tatsachengeständnis“ nur dann bedeutsam, wenn sich dieses maßgeblich auf die Beweisführung ausgewirkt hätte (RISJustiz RS0091460 [T5], Ebner in WK² StGB § 34 Rz 38), was fallbezogen zu verneinen ist.
Der Einwand der „Mehrdeutigkeit“ der inkriminierten Äußerungen erschöpft sich der Sache nach in der Bestreitung des dem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhalts und ist solcherart (auch) unter dem Aspekt der Strafbemessung unbeachtlich.
Demgegenüber weist die Berufung des Kammeranwalts zutreffend darauf hin, dass dem Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 1 StGB hier besonderes Gewicht zukommt, weil dem Beschuldigten sowohl das Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten als auch jenes der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes zur Last liegt und er beide Disziplinarvergehen mehrfach wiederholt hat.
Ebenso im Recht ist das Vorbringen, wonach die gezielte Äußerung in mehreren Schriftsätzen schwerer wiegt als beispielsweise eine spontane Äußerung im Rahmen einer Verhandlung (§ 32 Abs 3 StGB).
Zur Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) sinngemäß heranzuziehen (RISJustiz RS0054839).
Ausgehend von den – wie dargelegt – korrigierten Strafbemessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf der Grundlage des Verschuldensgrades (§ 16 Abs 6 DSt) sowie des Gewichts der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Äußerungen (§ 32 Abs 3 StGB), nämlich des mehrfachen Vorwurfs gezielt unsachlicher und diskriminierender Entscheidung an ein Gericht, unter Berücksichtigung der Einkommens und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt) die aus dem Spruch ersichtliche Geldbuße § 16 Abs 1 Z 2 DSt) als angemessen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0220DS00003.19I.1204.000 |
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