OGH vom 27.06.2017, 22Ds1/17t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Mascher und Mag. Brunar sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Sailer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Tirol vom , GZ D 09-24 (2 DV 09-32)-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Dem Verurteilten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Tirol vom (ON 25) wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße verurteilt, weil er von seinen Mandanten Marianne G***** und Raimund S***** am einen mit (vor-)datierten Aktenvermerk unterfertigen ließ, um sich durch diese Urkunde für den Fall der Geltendmachung von Haftungsansprüchen durch diese eine für sich günstigere Rechtsposition zu verschaffen.
In seinem dagegen gerichteten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom (ON 36) brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in dem gegen ihn (wegen der Vordatierung des Aktenvermerks) wegen des Vergehens der Beweismittelfälschung nach § 293 Abs 1 StGB geführten Strafverfahren vom Bezirksgericht Kitzbühel mit – am in Rechtskraft erwachsenem (ON 31 in AZ 3 U 258/12g dieses Gerichts) – Urteil vom (ON 23) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden sei, womit der im Disziplinarverfahren ergangene Schuldspruch „keinesfalls aufrecht zu halten“ wäre.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte der Disziplinarrat die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung ab, dass das genannte Strafverfahren keinen Hinweis dafür gegeben habe, dass der Verurteilte den inkriminierten Aktenvermerk nicht (vorsätzlich) vordatiert habe, sondern dass der Freispruch auf der Annahme des fehlenden Eventualvorsatzes in Bezug auf den Umstand, dass dem Errichtungs bzw Unterfertigungsdatum des Aktenvermerks in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren eine besondere Bedeutung bzw Beweiskraft zukomme, beruhe.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichteten Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 77 Abs 1 DSt iVm § 353 Z 2 StPO kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung zu begründen.
Das vom Beschwerdeführer allein ins Treffen geführte genannte Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel ist als solches weder als neue Tatsache noch als neues Beweismittel anzusehen (RISJustiz RS0124543; 28 Os 5/15t; Lewisch, WKStPO § 353 Rz 43; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 77 DSt, 974). Unter dem Aspekt darin enthaltener neuer Tatsachen oder neuer Beweismittel (vgl Lewisch, aaO iVm Rz 40) benennt der Beschwerdeführer ebenfalls keine dem Entscheidungsorgan des Erstverfahrens unbekannt gewesenen Beweise (vgl ON 23 S 4 ff, 7 ff und 10 ff zur Vernehmung des Verurteilten sowie der Zeugen Raimund S***** und Marianne G*****). Mit dem Hinweis auf die (beweiswürdigenden) Erwägungen des Bezirksgerichts Kitzbühel zur Negativfeststellung in Bezug auf die subjektive Tatseite des Beschwerdeführers (vgl dazu US 6 und 11 f) beschränkt sich das Vorbringen darauf, die Beweiswürdigung des seinerzeit in der Sache erkennenden Disziplinarrats zu kritisieren, ohne aber neue Tatsachen oder Beweismittel zu nennen.
Im Übrigen hat der über den Antrag auf Wiederaufnahme entscheidende Disziplinarrat im angefochtenen Beschluss dargelegt, weshalb den Annahmen des Bezirksgerichts Kitzbühel unter dem Aspekt der hier relevanten Verletzung der in § 10 zweiter Satz RLBA 1977 normierten Berufspflicht die erforderliche Eignung fehlt, zu einer anderen Lösung der Beweisfrage – und damit zu einem Freispruch – zu gelangen (vgl insbesondere BS 3 f). Lässt doch der den Freispruch bedingende fehlende Vorsatz zur Verwendung des gegenständlichen Aktenvermerks in einem Verfahren den Umstand unberührt, dass dieser vom Verurteilten vordatiert wurde, um nachteilige Folgen wegen Fehlberatung von sich abzuwehren.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0220DS00001.17T.0627.000 |
Schlagworte: | Strafrecht,Standes- und Disziplinarrecht |
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