OGH vom 16.10.2002, 13Os113/02
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den
Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr.
Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten
Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz
als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar
als Schriftführer, im Verfahren über Ersatzansprüche von Fadil M*****
und Arben S***** nach § 2 Abs 1 lit b StEG über die vom
Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des
Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen
Graz vom , GZ 14 Vr 1317/98- 32, und des
Oberlandesgerichtes Graz vom , AZ 11 Bs 200/98 (GZ
14 Vr 1317/98-36) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des
Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bielein, des
Anspruchswerbers Fadil M***** seines Vertreters Mag. Bürstmayer,
jedoch in Abwesenheit des Anspruchswerbers Arben S*****, zu Recht
erkannt:
Spruch
Im Verfahren über Ersatzansprüche von Fadil M***** und Arben S*****
nach § 2 Abs 1 lit b StEG, AZ 14 Vr 1317/98 des Landesgerichtes für
Strafsachen Graz, verletzen die Beschlüsse des Landesgerichtes für
Strafsachen Graz vom , GZ 14 Vr 1317/98-32, und des
Oberlandesgerichtes Graz vom , AZ 11 Bs 200/98 (GZ 14 Vr 1317/98-36) das Gesetz in den Bestimmungen der Abs 3 und 4 des § 6 StEG iVm Art 6 Abs 1 EMRK.
Die genannten Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgetragen, erneut zu entscheiden.
Text
Gründe:
Fadil M***** und Arben S*****, die sich in dem zum AZ 14 Vr 1317/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz geführten Strafverfahren vom
12. bis in Untersuchungshaft befanden, wurden mit Beschluss des Untersuchungsrichters vom nach § 109 Abs 1 StPO außer Verfolgung gesetzt (Seite 3d des Antrags- und Verfügungsbogens).
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom , GZ 14 Vr 1317/98-32, und des Oberlandesgerichtes Graz vom , AZ 11 Bs 200/98 (GZ 14 Vr 1317/98-36), wurden die im § 2 Abs 1 lit b StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen verneint. Beiden Entscheidungen ging keine öffentliche Verhandlung voraus; auch wurden sie nicht öffentlich verkündet.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend zeigt der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde eine in dieser Vorgangsweise gelegene Verletzung des mit Blick auf Art 6 Abs 1 EMRK verfassungskonform interpretierten § 6 Abs 3 StEG und des mit Rücksicht auf diese Vorschrift um die Worte "nicht kundzumachende" teleologisch reduzierten § 6 Abs 4 StEG auf (13 Os 54, 55/00; vgl auch EvBl 1999/217, EvBl 2001/36, RZ 2002/6; zum Problem instruktiv:
Pilnacek, Strafrechtliches Entschädigungsgesetz im Spannungsverhältnis zu Art 6 MRK, ÖJZ 2001, 546). Konkret wurde durch das Landesgericht für Strafsachen Graz, durch die Unterlassung einer öffentlichen Verhandlung über die von den Genannten nach § 2 Abs 1 lit b StEG geltend gemachten Ersatzansprüche und durch die Unterlassung der öffentlichen Verkündung des Beschlusses vom (ON 32) sowie dadurch, dass diese Mängel vom Oberlandesgericht Graz anlässlich der Beschlussfassung vom , AZ 11 Bs 200/98 (ON 36), über die Beschwerde des Fadil M***** und des Arben S***** nicht wahrgenommen wurden, das Gesetz in den vorhin bezeichneten Bestimmungen verletzt, was zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse Anlass gibt (§ 292 letzter Satz StPO).
Fundstelle(n):
DAAAE-03717