OGH vom 19.12.2018, 13Os112/18x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Strafsache gegen Filip A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und § 12 zweiter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Filip A***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 162 Hv 42/18m-377, zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Angeklagten Filip A***** wegen Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (C/I), der Annahme, der Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (D/I) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, 224 StGB (E), demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Einziehungserkenntnis, soweit sich dieses auf eine Waffe der Marke Zastava mit 60 Patronen, einen österreichischen Studentenausweis und eine österreichische E-Card bezieht, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen hinsichtlich der über den Angeklagten Filip A***** verhängten Freiheitsstrafe werden dieser und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Filip A***** gegen den ihn betreffenden Verfallsausspruch werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Filip A***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – Filip A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und § 12 zweiter Fall, 15 StGB (A/I/1/a und „II/B“, richtig B) sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (C/I), der Annahme, der Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (D [zu ergänzen] 1, insoweit gemeint: mehrerer Vergehen), der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 223 Abs 2, 224 StGB (E) und der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.
Danach hat er in W*****
A) zwischen (US 12) und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 3.235 Gramm Heroin (US 12) mit einem Wirkstoffgehalt jeweils zwischen 10,79 % und 16,65 % Heroin, 0,3 % und 0,5 % Monoacetylmorphin sowie 0,7 % und 1,0 % Acetylcodein im Urteil bezeichneten Personen in mehrfachen Angriffen überlassen (I/1/a);
B) zwischen (US 12) und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Urteil bezeichnete Personen zur vorschriftswidrigen Überlassung von 2.212 Gramm Heroin mit dem zu A/I/1/a umschriebenen Wirkstoffgehalt an andere bestimmt, wobei es teilweise beim Versuch blieb;
C/I am eine verbotene Waffe (§ 17 WaffG), und zwar eine Pistole der Marke Zastava mit 60 Patronen und einem Schalldämpfer, durch Aufbewahren in einer Wohnung unbefugt besessen;
D/1 am „verfälschte bzw. falsche“ besonders geschützte Urkunden (richtig § 224 StGB), und zwar einen „verfälschten“ österreichischen Studentenausweis der Universität Wien und eine „falsche“ österreichische ECard mit dem Vorsatz besessen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, und zwar einer aufrechten Immatrikulation an der Universität Wien sowie einer aufrechten Krankenversicherung, gebraucht werden;
E) am eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich einer bestimmten Identität, gebraucht, indem er sich bei einer Polizeikontrolle mit einem falschen slowenischen Personalausweis lautend auf Miro P***** und versehen mit seinem Lichtbild auswies;
F) am und am in der Hauptverhandlung des Landesgerichts für Strafsachen Wien zum AZ 64 Hv 4/18b bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache als Zeuge falsch ausgesagt, indem er wahrheitswidrig angab, den Angeklagten Metin K***** nicht zu kennen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Filip A*****, der teilweise Berechtigung zukommt.
Der Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zu A/I/1/a/dd, ee, gg, hh und B (US 12 bis 19) übergeht die Darstellung der Tatrichter, aufgrund welcher Beweismittel und Erwägungen sie die bezughabenden Feststellungen trafen (vgl insbesondere US 22 bis 28). Solcherart ist die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).
Die zum Schuldspruch A/I/1/a den Entfall der Qualifikationen des § 28a Abs 2 Z 2 SMG und des § 28a Abs 4 Z 3 SMG anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) argumentiert nicht auf der Basis der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 12, 18 und 19) und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).
Der in Bezug auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage (F) erhobene Einwand eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen (Z 9 lit a) zur subjektiven Tatseite legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb die Konstatierungen zur wissentlichen Ablegung einer Falschaussage in einem Strafverfahren trotz Belehrung, als Zeuge vor Gericht zur Wahrheit verpflichtet zu sein (US 20), insoweit die Subsumtion nach § 288 Abs 1 StGB nicht tragen sollen. Solcherart entzieht sich die Rechtsrüge einer meritorischen Erwiderung (RISJustiz RS0116569).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zutreffend zeigt hingegen die Rechtsrüge (Z 9 lit a) in Bezug auf den Schuldspruch C/I einen Rechtsfehler auf, weil die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 50 Abs 1 WaffG enthält.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zudem von weiteren, nicht geltend gemachten Rechtsfehlern (Z 9 lit a) zum Nachteil des Angeklagten Filip A*****, die von Amts wegen aufzugreifen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Nach den Feststellungen zu D/1 wurden bei einer Hausdurchsuchung ein „gefälschter“ österreichischer Studentenausweis der Universität Wien und eine „falsche“ österreichische E-Card, jeweils ausgestellt auf die Person Andrea L*****, sichergestellt. Den weiteren Urteilsannahmen zufolge hatte sich Filip A***** die Urkunden besorgt, um bei der Anmietung der Wohnung eine aufrechte Immatrikulation an der Universität Wien sowie im Krankheitsfall eine aufrechte Krankenversicherung im Rechtsverkehr vorzutäuschen (US 16). Da sich die bekämpfte Entscheidung zum Tatbestandselement der fehlenden Echtheit der Urkunden (hiezu eingehend mwN Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 168 f und 196) auf die Wiedergabe der verba legalia beschränkt, ohne einen Sachverhaltsbezug herzustellen, tragen die Urteilskonstatierungen die vorgenommene Subsumtion nach § 224a StGB nicht.
Nach den Feststellungen zu E wies sich Filip A***** gegenüber Polizeibeamten mit einem „gefälschten slowenischen Personalausweis aus, der auf Miro P*****“ lautete (US 15). Das Erstgericht unterließ auch in diesem Zusammenhang das Tatbestandsmerkmal der Fälschung tragende Feststellungen zu treffen. Die Erwähnung im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die Feststellung entscheidender Tatsachen nur zu verdeutlichen, nicht zu ersetzen. Zirkulärer Gebrauch von verba legalia („falsch“, „verfälscht“, „gefälscht“) genügt ebenso wenig (RIS-Justiz RS0114639).
Solcherart fehlt auch dem Einziehungserkenntnis, soweit sich dieses auf die von den Schuldsprüchen umfassten Urkunden bezieht, die Rechtsgrundlage.
Die aufgezeigten Rechtsfehler erfordern die Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich sowie die Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde.
Mit ihren Berufungen hinsichtlich der über Filip A***** verhängten Freiheitsstrafe waren dieser und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Filip A***** gegen das Verfallserkenntnis kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00112.18X.1219.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.