OGH vom 05.04.2017, 13Os112/16v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Dr. Peter P***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 9 Hv 116/15b-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Peter P***** der Finanzvergehen (zu ergänzen: der Abgabenhinterziehung) nach § 33 Abs 1 FinStrG (a und b) und der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG „idF BGBl 2010/104“ (c bis g) schuldig erkannt.
Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes G***** als steuerlich verantwortlicher Geschäftsführer der Dr. P***** – I***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten durch Nichtentrichtung und Nichtanmeldung der Kapitalertragsteuer binnen einer Woche ab Entnahme der ihm in den nachangeführten Zeiträumen als Gesellschafter zugeflossenen Erträge aus der Gesellschaft eine Verkürzung an Kapitalertragsteuer in nachfolgender Höhe bewirkt, wobei es ihm ab dem Zeitraum April 2008 darauf ankam, sich aus der wiederkehrenden Begehung derartiger Abgabenhinterziehungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar
a/ von April 2006 bis März 2007 um 64.038,80 Euro,
b/ von April 2007 bis März 2008 um 118.851,60 Euro,
c/ von April 2008 bis März 2009 um 91.225,50 Euro,
d/ von April 2009 bis März 2010 um 77.276,60 Euro,
e/ von April 2010 bis März 2011 um 84.627,70 Euro,
f/ von April 2011 bis März 2012 um 57.271,20 Euro sowie
g/ von April 2012 bis März 2013 um 48.037,20 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die pauschale Behauptung, es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen wurden (Z 5 erster Fall, der Sache nach auch vierter Fall), ist mit Blick auf die bezughabenden eingehenden Beweiswerterwägungen der Tatrichter (US 8 ff) unverständlich (vgl RIS-Justiz RS0119370).
Als Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) macht der Beschwerdeführer geltend, es sei nicht klar, warum der Schöffensenat aus den vom Steuerberater Hermann B***** vorgelegten Urkunden aus 2009 und 2010 (siehe dazu US 4 f) und dem im Anhang zur Bilanz 2009 ersichtlichen Vermerk über die Erforderlichkeit von Gewinnausschüttungs-beschlüssen und der Versteuerung des Gewinns den Schluss auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite gezogen habe (US 8 f). Damit wendet er sich jedoch bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Weiters wendet sich die Mängelrüge (Z 5 erster und vierter Fall) gegen die im Rahmen der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite angestellte Erwägung, wonach im Vermögen der GmbH an die Stelle der an den Angeklagten ausgezahlten Beträge keine durchsetzbare Forderung getreten sei (US 9). Insoweit geht sie unter Berücksichtigung der mängelfreien Konstatierung, dass der Angeklagte die jeweiligen Entnahmen mit dem Vorsatz tätigte, dass diese nicht als Darlehen in die GmbH zurückbezahlt werden sollten (US 5), schon mangels Bekämpfung einer für die rechtsrichtige Subsumtion erforderlichen Feststellung ins Leere (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff).
Die Tatrichter setzten sich in diesem Zusammenhang auch ausführlich mit der Verantwortung des Angeklagten, wonach er von der Dr. P***** – I***** GmbH nur Darlehen (und keine verdeckten Gewinnausschüttungen) erhalten habe, auseinander und legten eingehend dar, aus welchen Gründen sie zur gegenteiligen Überzeugung gelangten (insbes US 9 f). Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details der Aussage des Beschwerdeführers ist unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwider laufen (RIS-Justiz RS0106642, RS0098778; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten
Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).
Diesen Anfechtungskriterien wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht, indem sie unter isolierter Anführung einzelner Feststellungen, der Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sowie von Literaturmeinungen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Zahlungen an einen Gesellschafter steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren sind, und daran anknüpfender Vornahme eigener beweiswürdigender Erwägungen behauptet, dass „man bei objektiver Betrachtung des festgestellten Sachverhalts (jedenfalls im Zweifel) zur Annahme eines Darlehens“ hätte gelangen müssen, sodass demnach keine – eine „KESt-Pflicht“ auslösenden – verdeckten Gewinnausschüttungen vorgelegen wären. Sie verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt allein schon deshalb, weil sie prozessordnungswidrig die gerade gegenteiligen Konstatierungen übergeht (RIS-Justiz RS0099724 [T1]), wonach der Angeklagte die jeweiligen Entnahmen mit dem Vorsatz tätigte, dass diese nicht als Darlehen in die GmbH zurückbezahlt werden sollten, sondern es sich dabei um Gewinnausschüttungen handelte (US 5), und weder von einer Darlehensgewährung noch von einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht des Angeklagten auszugehen sei (US 10).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt, dass das Erstgericht hinsichtlich der ab April 2008 gewerbsmäßig begangenen Taten (c bis g) zutreffend nicht Urteilszeitrecht anwendete. Nach den Urteilsfeststellungen verwirklichte der Beschwerdeführer die Tatbestandselemente des § 38 FinStrG nämlich sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage (US 7 iVm 11 f). Hievon ausgehend ist aber – da der Günstigkeitsvergleich nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen vorzunehmen ist (RIS-Justiz RS0119085 [T1]; Lässig in WK² FinStrG § 4 Rz 5) – das zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Beschwerdeführer nicht günstiger als das Tatzeitrecht, aus welchem Grund gemäß § 4 Abs 2 FinStrG eben Letzteres anzuwenden ist (vgl 13 Os 47/16k).
Klargestellt wird, dass Tatzeitrecht nicht nur (wie vom Erstgericht angenommen; US 2) – die Fassung BGBl I 2010/104 war, sondern hinsichtlich der von April 2008 bis begangenen Taten die Fassung BGBl I 2005/103 sowie hinsichtlich der ab dem begangenen Taten die Fassung BGBl I 2012/112. Da die angesprochenen Novellierungen des § 38 FinStrG die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts nicht tangieren, ergibt sich daraus aber kein Anlass zu amtswegigem Vorgehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00112.16V.0405.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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