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OGH vom 26.06.2014, 8Ob53/14y

OGH vom 26.06.2014, 8Ob53/14y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** K*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Flughafen Wien AG, *****, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 240/13p 19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 6 Cg 173/12i 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.189,44 EUR (darin enthalten 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die 69-jährige Klägerin hatte für den einen Flug der A***** A***** von Wien nach Bukarest gebucht. In der Abfertigungshalle (Terminal 2) im Flughafen Wien Schwechat rutschte sie auf einer durch Kot verunreinigten Stelle aus und kam zu Sturz. Dabei erlitt sie einen Bruch der rechten Speiche und eine knöcherne Absprengung der rechten Elle. Bei der Beklagten handelt es sich um die Flughafenbetreiberin. Zwischen ihr und der Fluglinie bestand zum Unfallszeitpunkt für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten ein Luftverkehrs-Bodenabfertigungsvertrag (Standard Ground Handling Agreement). Darin war eine Haftungsbeschränkung zugunsten der Beklagten normiert. Die Beklagte lässt die gesamte Reinigung des Flughafens durch ein Reinigungsfachunternehmen durchführen, an dem sie über eine Tochtergesellschaft zu 51 % der Geschäftsanteile beteiligt ist. Im Reinigungsvertrag sind unter anderem die einzelnen Reinigungsbereiche beschrieben und die Reinigungsart sowie die Reinigungsintervalle definiert. Die Tätigkeitsbeschreibung umfasst auch die Stiegen und Gangflächen. Ein Weisungsrecht der Beklagten, das über die jederzeitige Anforderung von Reinigungskräften zur Beseitigung plötzlich auftretender Verschmutzungen hinausgeht, ist nicht vereinbart.

Die Klägerin begehrte gegenüber der Flughafenbetreiberin die Feststellung, dass die Beklagte dem Grunde nach für alle Folgen hafte, die die Klägerin aufgrund des Vorfalls vom am Flughafen erlitten habe bzw erleiden werde. Sie sei von einer Rolltreppe gekommen und habe die Verunreinigung im Sturzbereich nicht erkennen können. Die Beklagte habe erst eineinhalb Stunden nach dem Sturz die Entfernung der Verunreinigung veranlasst. Sie sei ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Reinigung der Sturzstelle nicht nachgekommen und hafte, weil der Vertrag der Beklagten mit der Fluglinie, bei der die Klägerin ihren Flug gebucht habe, Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfalte. Darüber hinaus treffe die Beklagte auch eine Haftung nach den Allgemeinen Verkehrssicherungspflichten. Die Bestimmung des § 1319a ABGB sei auf Flächen innerhalb von Gebäuden nicht anwendbar.

Die Beklagte entgegnete, dass zwischen ihr und der Klägerin kein Vertragsverhältnis bestehe. Die Klägerin sei auch von den Schutzwirkungen des Vertrags zwischen der Beklagten und der Fluglinie nicht erfasst. Davon abgesehen habe die Klägerin einen deckungsgleichen Anspruch gegen die Fluglinie; Forderungen aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter seien subsidiär. Zudem sei die Haftung aus dem Bodenabfertigungsvertrag auf bewusste grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Auch gegenüber Dritten könne nur dieser Haftungsmaßstab gelten. Die Sturzfläche sei ein Weg im Sinn des § 1319a ABGB; die Voraussetzungen für eine Haftung nach dieser Bestimmung würden ebenfalls nicht vorliegen. Da ein drittes Reinigungsunternehmen tätig geworden sei, hafte die Beklagte nur für Auswahlverschulden; ein solches liege nicht vor. Überhaupt habe die Klägerin das Alleinverschulden am Sturzgeschehen zu verantworten, weil sie die Verunreinigung hätte erkennen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zu den Hauptleistungspflichten des Vertrags zwischen Flughafenbetreiber und Fluglinie gehöre auch das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten und Landflächen, die Flugpassagieren den Zugang zu den gebuchten Flügen ermöglichten. Der Kontakt der Fluggäste mit dieser Leistung sei für alle Beteiligten offensichtlich. Allerdings sei der Vertrag zwischen Flughafenbetreiber und Fluglinie mit einem Vertrag zwischen Mieter und Vermieter vergleichbar. Mietverträge über Geschäfts , Büro oder Ordinationsräumlichkeiten entfalteten nach der Rechtsprechung keine Schutzwirkungen zugunsten der Kunden, Klienten oder Patienten gegenüber dem Vermieter. Die Beklagte hafte den Fluggästen gegenüber daher nicht aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Davon abgesehen würden die vertraglichen Haftungsbeschränkungen auch gegenüber der Klägerin zur Anwendung gelangen. Fußwege innerhalb eines Gebäudes seien ebenfalls Wege im Sinn des § 1319a ABGB. Der Sturzbereich sei auch von jedermann zugänglich. Für die Belange des § 1319a ABGB habe die Beklagte aber ein selbständiges Unternehmen beauftragt. Ein Auswahl und ein Überwachungsverschulden treffe die Beklagte nicht. Für eine Haftung aufgrund allgemeiner Verkehrssicherungspflichten verbleibe im Anwendungsbereich des § 1319a ABGB kein Raum.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin habe in erster Instanz nicht vorgebracht, „konkret wie die Beklagte das von ihr betraute Reinigungsunternehmen hätte auswählen oder überwachen sollen“. Hinsichtlich einer deliktischen Haftung seien die Voraussetzungen für ein Auswahl und Überwachungsverschulden nicht gegeben. Mangels einer unmittelbaren Vertragsbeziehung der Streitteile ließe sich eine vertragliche Haftung nur aus dem Vertrag der Flughafenbetreiberin und der Fluglinie ableiten. Dies habe das Erstgericht aber zutreffend verneint. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Anwendbarkeit der Vertragshaftung anhand der höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht völlig ausgeschlossen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Feststellungsbegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage der Vertragshaftung eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die von der Klägerin geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass die Klägerin kein Vorbringen zum Auswahl und/oder Überwachungsverschulden erstattet habe. Vielmehr war es der Ansicht, dass die Klägerin nicht vorgebracht habe, „ konkret wie die Beklagte das von ihr betraute Reinigungsunternehmen hätte auswählen oder überwachen sollen“.

Das von der Klägerin zur Gründung des Reinigungsunternehmens erstattete Vorbringen ist nicht geeignet, ein Auswahlverschulden der Beklagten zu begründen. Der Umstand, dass gewisse (Dienst-)Leistungen ausgelagert werden, spricht ebenso wenig gegen die fachliche Eignung des Reinigungsunternehmens wie die Behauptung, ein Vergleich mit der Eignung potentieller Konkurrenten sei unterblieben. Aus der allgemeinen Überlegung zum Überwachungsverschulden, wonach die Beklagte einen engmaschigen Kontrolldienst einzurichten habe, dessen Ausgestaltung an den konkreten örtlichen Verhältnissen auszurichten sei, ergibt sich kein ausreichend schlüssiger Vorwurf der schuldhaften Unterlassung einer konkreten Kontrollpflicht. Das Gleiche gilt für den Standpunkt der Klägerin, die Beklagte hätte für die nach der Lage des Falles erforderliche Überwachung des Reinigungsunternehmens durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Vorsorge treffen müssen. Schließlich lässt sich auch aus dem Vorbringen, dass nicht erkennbar, also nicht feststellbar sei, ob bzw in welcher Form die Beklagte das Reinigungsunternehmen überprüft habe, kein schlüssiger Tatbestand für eine deliktische Haftung der Beklagten für das von ihr beauftragte selbständige Reinigungsunternehmen ableiten. Eine Negativfeststellung ginge zu Lasten der Klägerin. Bei einer Schädigung durch Unterlassung ist die Unterlassung nicht kausal, wenn auch das pflichtgemäße Verhalten den Schaden nicht verhindert. Die Beweislast, dass bei gebotenem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RIS Justiz RS0022913 [T9]; RS0022900 [T11]).

Ob im Hinblick auf den Inhalt der prozessualen Erklärungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht oder ein Antrag als gestellt anzusehen ist, und wie ein Vorbringen oder ein Antrag auszulegen ist, sind Fragen des Einzelfalls (vgl RIS Justiz RS0042828; 8 ObA 68/13b). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe kein ausreichend konkretes Vorbringen dazu erstattet, wie die Beklagte das von ihr beauftragte Reinigungsunternehmen hätte auswählen oder überwachen sollen, worin die Klägerin also konkret ein Auswahl oder Überwachungsverschulden der Beklagten erblickt, ist nicht zu beanstanden.

1.2 Die in der Revision geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens liegen ebenfalls nicht vor.

Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass beim Reinigungsunternehmen als Enkelunternehmen der Beklagten die vollständige Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit fehle, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab. Nach den Feststellungen besteht weder ein vertragliches Weisungsrecht noch eine aus der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung resultierende Weisungsbefugnis der Beklagten.

Dafür, dass der beauftragte Dritte nicht mehr zu den „Leuten“ im Sinn des § 1319a ABGB gehört, genügt nach der Rechtsprechung, dass die Aufgaben des Wegehalters durch jemanden besorgt werden, der wie ein selbständiger Unternehmer einen eigenen Organisationsbereich und Verantwortungsbereich begründet. Der Dritte haftet dann nach den Allgemeinen Schadenersatzregeln (RIS Justiz RS0029995 [T6 und T 7]; RS0030159). Dass diese Voraussetzungen im Anlassfall gegeben sind, kann letztlich auch die Klägerin nicht bezweifeln, zumal sie selbst davon ausgeht, dass die Reinigungsarbeiten aus betriebswirtschaftlichen Gründen von der Beklagten an das (selbständige) Reinigungsunternehmen ausgelagert wurden. Weil es nur auf das Vorliegen eines Auswahl oder Überwachungsverschuldens ankommt, muss nicht mehr näher geprüft werden, ob es sich beim Sturzbereich in der Abfertigungshalle (Terminal 2) überhaupt um einen Weg im Sinn des § 1319a ABGB handelt.

Die Ausführungen in der Revision zur Haftung aus dem Ingerenzprinzip beziehen sich auf die Behauptungs- und Beweislast zum Auswahl bzw Überwachungsverschulden. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass sie der Behauptungspflicht entsprochen habe. Soweit sie davon ausgeht, dass sie ein Auswahl- und/oder Überwachungsverschulden bloß (wörtlich) behaupten müsse, ohne der Beklagten konkret Unterlassungen anzulasten, ist sie auf die Ausführungen zur angeblichen Aktenwidrigkeit zu verweisen. Soweit sie aufgrund des Umstands, dass sie in die internen Vorgänge nicht eingebunden gewesen sei, eine Beweislastverschiebung zu Lasten der Beklagten ableitet, vermag sie keinen Beweisnotstand darzulegen. Allein durch die Nähe zum Beweis oder durch, wenn auch erhebliche, Beweisschwierigkeiten ist eine Verschiebung der Beweislast nicht gerechtfertigt. Der Anscheinsbeweis wird nur in jenen Fällen als sachgerecht angesehen, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können und gleichsam ein Beweisnotstand gegeben ist (2 Ob 67/12k; 8 Ob 18/14a).

2. Die Klägerin macht Schadenersatzansprüche aus einer Körperverletzung nach einem Sturz in der Abfertigungshalle im Flughafen Wien Schwechat geltend. Nach ihrem Vorbringen hat sie beim Vorfall einen doppelten Handgelenksbruch samt knöcherner Absprengung erlitten. Mit ihrer Klage erhob sie ausschließlich ein Feststellungsbegehren . Dazu brachte sie vor, dass bei derart schweren Verletzungen, noch dazu in ihrem Alter, mit Dauer- und Spätfolgen jedenfalls zu rechnen sei. Darüber hinaus bestehe der Schadenersatzanspruch aus einer Vielzahl von Einzelpositionen (Schmerzengeld, Pflegeaufwand, Haushaltshilfe), sodass mit der Feststellung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach auch eine Klärung für diese Einzelpositionen geschaffen werde, die teilweise noch gar nicht fällig bzw beurteilbar seien.

Voraussetzung für die Begründetheit eines geltend gemachten Feststellungsbegehrens ist das Vorliegen eines Feststellungsinteresses (RIS Justiz RS0039177). Nach der Rechtsprechung ist die Einbringung einer schadenersatzrechtlichen Feststellungsklage, die nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Umfang nach dient, zulässig, wenn künftige Ersatzansprüche, insbesondere gesundheitliche Spät oder Dauerfolgen, nicht ausgeschlossen werden können (RIS Justiz RS0038920; RS0038971; RS0039018). Im Allgemeinen ist das Feststellungsbegehren gegenüber einem möglichen Leistungsbegehren subsidiär, weshalb die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens das Feststellungsinteresse ausschließt (vgl 8 Ob 39/12m; 4 Ob 135/13a). Soweit der Schaden schon eingetreten und der Ersatzanspruch bezifferbar ist, scheidet ein Feststellungsbegehren im Allgemeinen aus. Beim Schmerzengeld sind in die vorzunehmende Globalbemessung auch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vorhersehbare künftige Schmerzen einzubeziehen (3 Ob 241/10b). Ausnahmsweise kommt auch eine ergänzende Schmerzengeldbemessung (je nach den Voraussetzungen entweder nach einer Teilbemessung oder einer Globalbemessung) in Betracht (RIS Justiz RS0031405; RS0031082).

Da nach dem Vorbringen der Klägerin das Feststellungsbegehren zumindest hinsichtlich möglicher (noch nicht bekannter) künftiger Schäden und beim Schmerzengeld hinsichtlich nicht vorhersehbarer künftiger Schmerzen in Betracht kommt, kann das Klagebegehren nicht, jedenfalls nicht zur Gänze, schon mangels eines Feststellungsinteresses abgewiesen werden.

3.1 Die Klägerin stützt sich auf eine vertragliche Haftung (§ 1298 ABGB), die sie daraus ableitet, dass die Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und der Fluglinie Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfalte. Dabei beruft sie sich auf die Entscheidungen 7 Ob 730/80 und 6 Ob 131/12a. Das Erstgericht hat die Frage nach dem Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter verneint. Das Berufungsgericht hat sich dieser Beurteilung angeschlossen.

3.2 Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis bestehen nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber dritten Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maß gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Begünstigt sind Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner (des Hauptleistungspflichtigen) entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (RIS Justiz RS0020769; 4 Ob 33/14b mwN). Ein Schuldner haftet bei Verletzung vertraglicher Schutzpflichten, die ihn gegenüber einem Dritten treffen, auch dem Dritten nach § 1313a ABGB für seinen Gehilfen (RIS Justiz RS0017185; 2 Ob 191/12w).

Der Klägerin kann durchaus darin zugestimmt werden, dass bereits bei Abschluss des Vertrags zwischen der Beklagten und der Fluglinie vorhersehbar war, dass ein räumlicher Kontakt zwischen der vertraglichen Hauptleistungspflicht der Beklagten und jenen Personen besteht, die aufgrund einer Buchung Vertragsbeziehungen mit der Fluglinie begründen (RIS Justiz RS0034594; RS0037785). Ebenso zutreffend ist, dass diese Personen der vertraglichen Hauptleistung der Beklagten nahestehen und der Vertragspartner der Beklagten (die Fluglinie) an ihnen ein sichtbares eigenes Interesse hat.

3.3 In der Entscheidung 2 Ob 70/12a hat der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs die Ansicht bekräftigt, dass nur solche Dritte von den Schutzwirkungen eines Bestandvertrags erfasst sein sollen, die das Bestandobjekt in ähnlicher Intensität und Häufigkeit nutzen, wie der Mieter selbst (vgl auch 7 Ob 151/00g). In ihr kommt ferner zum Ausdruck, dass ein nur kurzfristiger Aufenthalt im Bestandobjekt nicht ausreicht, um die geforderte Nähe zur vertraglich geschuldeten Hauptleistung des Vermieters herzustellen.

Diese Entscheidung ist für den Anlassfall nicht einschlägig, weil es sich beim Vertrag, dessen Schutzwirkungen zu beurteilen sind, nicht um einen Bestandvertrag, sondern um einen Luftverkehrs-Bodenabfertigungsvertrag handelt. Außerdem ist das Flughafengebäude nicht mit einer Arztpraxis vergleichbar. Anders als bei Wohnungen und Geschäftsräumen ist der Betrieb am Flughafen durch ein ständiges Kommen und Gehen immer anderer Personen charakterisiert, weshalb bei jenen Personen, die das Flughafengebäude typischerweise in Anspruch nehmen und sich dort in der Regel nur kurzfristig aufhalten, keine mietertypische Benützung der Räumlichkeiten am Flughafen vorliegt.

3.4 Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Sturzbereich in der Abfertigungshalle (Terminal 2) öffentlich zugänglich ist und von jedermann benützt werden kann, weshalb das räumliche Element der Vertragsnähe fehle. Ob die Vertragsnähe zum Luftverkehrs-Bodenabfertigungsvertrag auch gegenüber Besuchern am Flughafen, Begleitpersonen von Passagieren oder Dienstleistern wie zB Taxi oder Mietwagenfahrern besteht, muss hier nicht geprüft werden. Im Verhältnis zu Passagieren ist die Vertragsnähe aber zu bejahen, weil der Bodenabfertigungsvertrag von der Fluglinie gerade deshalb abgeschlossen wird, um den Fluggästen all jene Leistungen anbieten zu können, die einen reibungslosen und bequemen und den Sicherheitsbestimmungen entsprechenden Antritt des Fluges ermöglichen sollen.

4.1 Allerdings ist in der Rechtsprechung ebenso anerkannt, dass ein schutzwürdiges Interesse des Dritten zu verneinen ist, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger (Hauptleistungspflichtigen aus dem Vertrag mit allfälligen Schutzwirkungen zugunsten Dritter) vertraglich als Erfüllungsgehilfen beigezogen hat, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (RIS Justiz RS0022814; 4 Ob 33/14b mwN).

4.2 Dazu führt die Klägerin in der Revision ohne nähere Begründung aus, dass kein deckungsgleicher Schadenersatzanspruch gegenüber der Fluglinie bestehe. Diese Beurteilung hängt davon ab, ob die Beklagte hier in Bezug auf die Reinigung der Stiegen und Gangflächen im Flughafengebäude als Erfüllungsgehilfin der Fluglinie anzusehen ist.

Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Willen des Schuldners zur Erfüllung der diesem obliegenden Verpflichtungen herangezogen wird (RIS Justiz RS0028729). Die Zurechnung des Fehlverhaltens eines Gehilfen in Bezug auf Erfüllungshandlungen beschränkt sich grundsätzlich nicht nur auf die Hauptleistungspflichten, sondern auch auf Neben , Schutz und Sorgfaltspflichten (RIS Justiz RS0028435). Wesentlich ist die Einbeziehung des Gehilfen in das Interessenverfolgungsprogramm des Geschäftsherrn bei der von diesem veranlassten Erfüllung eigener Vertragspflichten. Entscheidend ist also, welche konkreten Leistungspflichten bzw Schutz und Sorgfaltspflichten der Geschäftsherr gegenüber seinem Vertragspartner übernommen hat (RIS Justiz RS0121745). In diesem Umfang können grundsätzlich auch selbständige Unternehmen Erfüllungsgehilfen sein (RIS Justiz RS0028563). Auf die Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn kommt es nicht an (RIS Justiz RS0121746; RS0121747).

Voraussetzung für die Zurechnung als Erfüllungsgehilfe im Sinn des § 1313a ABGB ist somit, dass die Fluglinie sie treffende vertragliche Pflichten (auch Nebenpflichten) auslagert und sich für die Erfüllung eigener Vertragspflichten des Gehilfen bedient. Der Gehilfe muss also im Pflichtenkreis der Fluglinie tätig werden (vgl 8 Ob 106/12i).

4.3 Diese Voraussetzungen sind im Anlassfall in Bezug auf die Reinigung der Stiegen und Gangflächen im Flughafengebäude zu bejahen. Zu den geschuldeten Leistungen im Rahmen eines Beförderungsvertrags mit einer Fluglinie gehört auch die Zurverfügungstellung geeigneter Flächen und Einrichtungen, die zur Vornahme jener Handlungen und Maßnahmen dienen, die in Vorbereitung auf den Flug erforderlich sind. Dazu gehören unter anderem die Ermöglichung von Check In, Kofferaufgabe oder Sicherheitskontrolle. Ebenso müssen jene Flächen zur Verfügung gestellt werden, die es den Passagieren ermöglichen, zum Abflugterminal und in der Folge zum Flugzeug zu gelangen. Zu diesen Flächen und Einrichtungen zählen grundsätzlich auch Rolltreppen im Flughafengebäude und wie hier auch die Abfertigungshalle, selbst wenn der Passagier seine Koffer noch nicht aufgegeben haben sollte.

Die vertraglichen Pflichten der Fluglinie umfassen demnach auch die Ermöglichung der gefahrlosen Benützung der beschriebenen Flächen und Einrichtungen. Diesem Pflichtenkreis wird in erster Linie durch die Einrichtung eines adäquaten Reinigungsdienstes entsprochen. Die ordnungsgemäße Reinigung der Stiegen und Gangflächen in der Abflugshalle zählt daher zu den vertraglichen Pflichten der Fluglinie gegenüber ihren Fluggästen. Die Beklagte und auch das Reinigungsunternehmen im Sinn einer Erfüllungsgehilfenkette ist damit als Erfüllungsgehilfin der Fluglinie zu qualifizieren. Die Klägerin hätte daher grundsätzlich die Möglichkeit, die zugrunde liegenden Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag gegenüber der Fluglinie geltend zu machen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach dem Anhang zum Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz, BGBl I 1998/97, die Fluggastabfertigung als Teil der Bodenabfertigungsdienste die gesamte Fluggastbetreuung beim Abflug, bei der Ankunft, während des Transits oder bei Anschlussflügen, insbesondere die Kontrolle der Flugscheine und der Reiseunterlagen sowie die Registrierung des Gepäcks und dessen Beförderung bis zu den Sortieranlagen, umfasst. Die Bodenabfertigungsdienste (außer den zentralen Infrastruktureinrichtungen wie Gepäcksortier , Enteisungs , Abwasserreinigungs und Treibstoffverteilungsanlagen) werden entweder von der Fluglinie selbst durchgeführt oder sie lässt diese Dienste durch einen Dienstleister ihrer Wahl durchführen (§ 3 leg cit). Diese gesetzlichen Regelungen stehen mit der dargestellten Vertragslage im Einklang.

5.1 In der Entscheidung 6 Ob 131/12a hat der Oberste Gerichtshof (obiter) ausgeführt, dass aufgrund des Umstands, dass der Flughafen die Fluggastgebühr kassiert, die der Luftfrachtführer (die Fluglinie) mit dem Flugpreis einhebt und an den Flughafen abführt zwischen dem Flughafenbetreiber und dem Fluggast kein selbständiges Vertragsverhältnis angenommen werden kann, das einem Schadenersatzanspruch infolge Verspätung eines Fluges aufgrund mangelhafter Räumung der Bewegungsflächen für Flugzeuge zugrunde gelegt werden könnte. Um einen solchen Fall geht es hier nicht.

5.2 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 738/80 (SZ 53/169) entschieden hat, dass der Vertrag zwischen Luftfrachtführer und Flugplatzbetreiber auch Schutz und Sorgfaltspflichten gegenüber Vertragspartnern des Luftfrachtführers, also gegenüber den Fluggästen, entfalten kann. Diese Entscheidung bezog sich auf einen Sturzunfall, den ein Fluggast auf dem Weg vom Flughafengebäude zum Flugzeug (Zugangsstreifen zur Maschine) erlitten hatte. Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass die Passagiere der Fluggesellschaft „Dritte“ sind, auf die sich auch die Schutz- und Sorgfaltspflichten der Flughafengesellschaft aus der vertraglichen Beziehung zwischen der Flughafengesellschaft und der Fluggesellschaft über die Zurverfügungstellung des Flughafengeländes zur Abwicklung des Flugverkehrs erstrecken.

Diese Überlegungen stehen mit jenen, die für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung sind, durchaus im Einklang. Im Vergleichsfall ist allerdings eine Prüfung unterblieben, ob die grundsätzliche Erstreckung der vertraglichen Schutzpflichten in bestimmten Konstellationen, nämlich bei einem deckungsgleichen direkten vertraglichen Schadenersatzanspruch, ausscheidet.

6.1 Insgesamt folgt daraus, dass sich die Klägerin auf eine vertragliche Anspruchsgrundlage gegenüber der Beklagten nicht berufen kann. Aus diesem Grund kommt es auf die Fragen, welchen Inhalt die vertragliche Haftungsbeschränkung im Bodenabfertigungsvertrag hat (vgl dazu 2 Ob 212/08b; vgl auch 3 Ob 196/13i) und ob diese Haftungsbeschränkung auch gegenüber einem in den vertraglichen Schutzbereich einbezogenen Dritten gelten würde, nicht mehr an.

6.2 Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Annahme eines Auswahl und/oder Überwachungsverschuldens der Beklagten im Sinn des § 1315 ABGB besteht auch keine Anspruchsgrundlage aus deliktischer Haftung, nämlich nach § 1319a ABGB oder aus dem allgemeinen Ingerenzprinzip. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Solche Mängel kommen nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Dementsprechend kann das Urteil einer Vorinstanz nicht zum Zweck aufgehoben werden, dass Feststellungen nachgeholt werden, die über das Parteivorbringen hinausgehen (RIS Justiz RS0040308).

7.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Bei Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter ist ein schutzwürdiges Interesse des Dritten zu verneinen, wenn dieser kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den den Schaden herbeiführenden Hauptleistungspflichtigen aus dem Vertrag mit allfälligen Schutzwirkungen zugunsten Dritter als Erfüllungsgehilfen beigezogen hat, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat. Die ordnungsgemäße Erbringung der Bodenabfertigungsdienste und daher auch die ordnungsgemäße Reinigung der damit im Zusammenhang stehenden Stiegen und Gangflächen etwa in der Abflugshalle zählen zu den vertraglichen Pflichten der Fluglinie gegenüber ihren Fluggästen. Lagert die Fluglinie diese von ihr geschuldeten Leistungen ganz oder teilweise an ein drittes Unternehmen aus, so wird dieses als Erfüllungsgehilfe der Fluglinie tätig.

7.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Vorinstanzen das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00053.14Y.0626.000