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OGH vom 20.05.1981, 11Os62/81

OGH vom 20.05.1981, 11Os62/81

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ruiter-Birnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147

Abs 2, 148, erster Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom , GZ 7 c Vr 11.288/79-90, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Raabe zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Rudolf A wegen der §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall; 88 Abs 1; 136 Abs 1, Abs 3, erster Fall; 228 Abs 2; 15, 108 Abs 1 und 2;

223 Abs 2, 224 StGB, AZ 7 c Vr 11.288/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil dieses Gerichtes vom , GZ 7 c Vr 11.288/79-90, insoweit, als es den Angeklagten zu Punkt II 4 des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, '180 Abs 2' (gemeint: 108 Abs 1 und 2) StGB schuldig erkannte, das Gesetz in der Bestimmung des § 108 Abs 1 und 2 StGB.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Punkt II 4 des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird gemäß den §§ 288 Abs 2 Z 3, 292 StPO im Umfang dieser Aufhebung unter Neufassung der Punkte II 4 und II 5 des Urteilsspruchs in der Sache selbst erkannt:

Robert A hat am in Wien eine verfälschte inländische öffentliche Urkunde, und zwar den durch Austausch des Lichtbildes verfälschten Führerschein Nr. 83/74, der von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf am für Franz B ausgestellt worden war, anläßlich einer Verkehrskontrolle vorgewiesen und damit - um nicht von der Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen zu werden - im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes, nämlich seiner (angeblichen) Berechtigung zum Lenken eines PKWs gebraucht.

Er hat hiedurch das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des erstgerichtlichen Urteils zur Last fallenden strafbaren Handlungen (zu I 1 und 2 das Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall, StGB, zu II 1 das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 StGB, zu II 2 das Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1, Abs 3, erster Fall, StGB und zu II 3 das Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs 2 StGB) unter Anwendung des § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Monaten verurteilt.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft gemäß dem § 38 Abs 1 StGB wird aus dem Ersturteil übernommen.

Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos. Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm die Kosten des durch seine Berufung verursachten Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

A./ Aus den Akten AZ 7 c Vr 11.288/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom , GZ 7 c Vr 11.288/79-90, wurde der am geborene Rudolf A des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2, 148, erster Fall, StGB sowie der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 StGB, des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1, Abs 3, erster Fall, StGB, der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs 2 StGB, der versuchten Täuschung nach den §§ 15, '180 Abs 2' (richtig: 108 Abs 1 und 2) StGB und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB unter Anwendung des § 28

StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Gemäß dem § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde ihm die erlittene Vorhaft in der Zeit vom , 16,50 Uhr, bis zum , 12,15 Uhr, vom , 11,50 Uhr, bis zum , 9,50 Uhr, und vom , 17,30 Uhr, bis zum , 12,00 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Gemäß dem § 263 Abs 2 StPO wurde dem öffentlichen Ankläger wegen eines weiteren Faktums die selbständige Verfolgung vorbehalten.

Der Angeklagte gab am im Gefangenenhaus I des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zu Protokoll (ON 91). Nachdem sein Wahlverteidiger mit dem Schriftsatz vom (eingelangt am ) die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekanntgegeben hatte (ON 92), ersuchte der Angeklagte am um Beigebung eines Verteidigers nach dem § 41 Abs 2

StPO zur Ausführung seiner Rechtsmittel (ON 93); vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland wurde hiezu der Rechtsanwalt Dr.Christoph C bestellt (ON 95). Diesem wurde die Urteilsausfertigung am zugestellt (ON 97); eine Ausführung der Rechtsmittel unterblieb jedoch. Mit dem Beschluß vom (ON 99) wies daraufhin der Vorsitzende des Schöffensenates des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurück und legte die Akten dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die angemeldete (und ebenfalls nicht ausgeführte) Berufung vor (ON 102); hierüber wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

B./ Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt das Gesetz in nachstehender Hinsicht:

Zu Punkt II 4 des Schuldspruches wurde Rudolf A des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, '180 Abs 2' (gemeint: 108 Abs 1 und 2) StGB schuldig erkannt, weil er am in Wien dadurch versuchte, der Republik Österreich in ihrem Recht auf Ausschluß von Personen, welche keine Lenkerberechtigung besitzen, von der Lenkung von Fahrzeugen auf öffentlichen Verkehrsflächen absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß er ohne Lenkerberechtigung anläßlich einer Verkehrskontrolle in Wien einen verfälschten Führerschein Nr. 83/74, der am von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf für Franz B ausgegeben worden war, den Inspektoren D und E vorwies und sie solcherart durch Täuschung über Tatsachen zu einer Duldung, die den Schaden herbeiführen sollte, nämlich zur Gestattung der Weiterfahrt, zu verleiten versuchte. Zu Punkt II 5 des Schuldspruches erkannte das Gericht den Angeklagten schuldig, am genannten Tage dadurch, daß er anläßlich der vorgenannten Verkehrskontrolle den verfälschten Führerschein vorwies, mithin eine inländische öffentliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich seiner Berechtigung zum Lenken eines PKWs, gebrauchte - sohin in Tateinheit mit dem Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs 1 und 2 StGB -

das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB begangen zu haben.

Die Beurteilung des unter Punkt II 4 und 5 des Schuldspruches umschriebenen Sachverhaltes auch als Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs 1

und 2 StGB, welche im Schuldspruch wegen des letztgenannten Vergehens zu Punkt II 4 ihren Niederschlag fand, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 108 Abs 1 und 2 StGB und verwirklicht den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO. Das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs 2 StGB begeht, wer eine falsche oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, wobei unter Gebrauch im Rechtsverkehr jede mit Rücksicht auf den Inhalt der Urkunde rechtserhebliche Verwendung zu verstehen ist, ein Gebrauch also, durch den der zu Täuschende zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt oder durch das eine rechtlich erhebliche Maßnahme vereitelt werden soll. Demnach impliziert der Gebrauch eines Falsifikates - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmsfällen abgesehen - regelmäßig die Täuschung über Tatsachen mit einem daraus resultierenden Schaden an konkreten Rechten. Folgerichtig ist daher zwischen dem Vergehen nach dem § 223 Abs 2 StGB und dem lediglich subsidiären Auffangtatbestand (vgl Foregger-Serini, StGB2, Erl I zu § 108; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 1 zu § 108, Kienapfel, BT I RN 860) des § 108 Abs 1 StGB eine echte Idealkonkurrenz in der Regel nicht möglich; ihre Annahme durch das Erstgericht verletzt daher das Gesetz nach Lage des Falles in den Bestimmungen der §§ 15, 108 Abs 1 und 2 StGB (vgl 13 Os 30/80 = ÖJZ-LSK 1980/155 = ZVR 1981/48 und die dort zitierte Judikatur und Literatur unter ausdrücklicher Ablehnung der älteren Judikatur; vgl jüngst auch 11 Os 134/80).

Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten zum Nachteil. Sie war festzustellen und in der Sache selbst gemäß den §§ 288 Abs 2 Z 3, 292 StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen und die Strafe neu zu bemessen.

C./ Bei der Neubemessung der Strafe übernahm der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe (ausgenommen den Milderungsumstand, daß es beim Vergehen der Täuschung nach den §§ 15, 108

Abs 1 und 2 StGB beim Versuch geblieben sei). Der Oberste Gerichtshof fand bei den gegebenen Strafzumessungsgründen eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten als der Tatschuld und dem Verschulden des Täters angemessen.

Die Berufung des Angeklagten - die nicht ausgeführt worden war und daher an sich gemäß dem § 294 Abs 4 StPO der Zurückweisung hätte verfallen müssen - wurde durch die Neubemessung der Strafe gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Fundstelle(n):
MAAAE-03565