OGH vom 24.03.2010, 9ObA52/09a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Thomas Keppert und Wolfgang Birbamer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Christian Slana, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger Partner Rechtsanwälte in Linz, 2. T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.981,39 EUR sA und Feststellung (Streitwert 12.000 EUR; Gesamtstreitwert 22.981,39 EUR) infolge außerordentlicher Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 76/08w 75, in nichtöffenlticher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit ihrer auf §§ 334, 335 und 332 ASVG gestützten Klage begehrt die Klägerin 1. von den (verbliebenen) beklagten Parteien die Zahlung von 10.981,39 EUR sA zur ungeteilten Hand sowie 2. die Feststellung deren Haftung zur ungeteilten Hand für künftige Schäden eines bei einem Arbeitsunfall verletzten Arbeitnehmers der Erstbeklagten aus dem Unfall vom , soweit dessen Ansprüche gemäß §§ 332 f ASVG auf die Klägerin übergegangen sind.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (Leistungs und Feststellungsbegehren) hinsichtlich der Erstbeklagten zur Hälfte statt, hinsichtlich der Zweitbeklagten wies es das Klagebegehren ab. Dagegen erhoben die Klägerin und die Erstbeklagte Berufung.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren hinsichtlich der Erstbeklagten zur Gänze und hinsichtlich der Zweitbeklagten nur im Umfang der Hälfte der begehrten Feststellung statt gab.
Rechtliche Beurteilung
Zur außerordentlichen Revision der Erstbeklagten:
Wenngleich die Ausführungen des Berufungsgerichts im vorletzten Absatz seiner Entscheidung (S 12 in ON 75) etwas missverständlich sind, so ergibt sich doch aus dem Zusammenhang (insbes S 12 Mitte in ON 75), dass das Berufungsgericht von einem grob fahrlässigen Organisationsverschulden der Organe der Erstbeklagten ausgeht, welches diese sich als juristische Person anrechnen lassen muss. Wenn eine Schutzgesetzverletzung vorliegt (s unten), dann wäre es an der Erstbeklagten zu beweisen, dass keines ihrer Organe ein solches Verschulden trifft. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind ausreichend erkennbar dahin aufzufassen, dass dieser Gegenbeweis nicht gelungen ist und es nicht darauf ankommt, welche natürliche Person als Organ verantwortlich ist, weil ein darüber hinausgehender Anspruch nach § 335 ASVG nicht gestellt wurde. Jedenfalls vertretbar ist die Rechtsauffassung, dass allgemeine Sicherheitsschulungen und instruktionen von Organen und Repräsentanten nicht ausreichten, ohne im vorliegenden Fall einer immanenten Gefährdung konkrete Schritte zur Absicherung der Gefahrenquelle zu treffen. Zutreffend verweist das Berufungsgericht auch darauf, dass zweifelhaft sein muss, ob dem erst im zweiten Rechtsgang erstatteten Vorbringen einer Überbindung von Absicherungspflichten auf die Zweitbeklagte nicht die Bestimmung des § 496 Abs 2 ZPO entgegenstand, zumal das Berufungsgericht im Zusammenhang mit Absicherungsmaßnahmen nur mehr weitere Feststellungen über die örtlichen Gegebenheiten und die daraus zu ziehenden Schlüsse für notwendig erachtete. Darüber hinaus gibt aber auch die Auslegung der AKB (Beilage ./3.5.) keinen Grund zu weiterer Überprüfung, weil durchaus vertretbar ist, dass in Punkt 30.9 dieser AKB wohl eine Festlegung von Pflichten eines Auftragnehmers, nicht jedoch eine Überbindung eigener Pflichten der Auftraggeberin erfolgen sollte. Ebenfalls vertretbar ist die Rechtsauffassung, dass die Erstbeklagte als Arbeitgeberin zu Absicherungsmaßnahmen iSd § 11 Abs 1 Arbeitsstättenverordnung verpflichtet gewesen wäre und als geeignete Absicherungsvorrichtung eine stabile, in entsprechendem Abstand aufgestellte Barriere zwischen Türe und der Montagegrube erforderlich gewesen wäre. Auf weitere Erwägungen, ob auch die Bauarbeiterschutzverordnung anzuwenden oder ein Baustellenkoordinator zu bestellen gewesen wäre, kommt es daher nicht mehr an.
Die Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist regelmäßig eine solche des Einzelfalls (RIS Justiz RS0026555) und wurde hier mit jedenfalls vertretbarer Rechtsauffassung zu Lasten der erstbeklagten Partei angenommen.
Die Erwägungen zu einer angeblich unzulänglichen Aufschlüsselung des Klagebetrags sind nicht nachvollziehbar, zumal die Erstbeklagte selbst detallierte Einwendungen zu den einzelnen Punkten erhoben hat (ON 47). Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die durch die Haftpflichtversicherung der Zweitbeklagten erfolgte Teilzahlung anteilig gewidmet wurde, ist zumindest vertretbar.
Zum Verjährungseinwand: Abschließend erledigt hat das Berufungsgericht in seiner Aufhebung (ON 43) seinerzeit nur das Thema einer auf § 1481 ABGB gestützten Verjährung. Zutreffend hat es darauf verwiesen, dass mit § 337 Abs 1 ASVG eine spezielle Verjährungsnorm betreffend Ansprüche nach § 334 ASVG besteht und die Erstbeklagte für eine Verjährung behauptungs- und beweispflichtig wäre (RIS Justiz RS0085010, insbes 8 Ob 79/84). Warum hier eine Ausnahme davon angezeigt sei, dass rechtsvernichtende Tatsachen (hier: Verjährung) durch denjenigen zu behaupten und zu beweisen sind, der sich darauf beruft, ist nicht ersichtlich. Wenn der Erstbeklagten somit im zweiten Rechtsgang die Ergänzung ihres diesbezüglichen Vorbringens möglich gewesen wäre und das Berufungsgericht nunmehr einen diesbezüglichen Anleitungsmangel verneint hat, steht die Revision zur Geltendmachung eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels nicht mehr offen.
Zur Revision der Zweitbeklagten:
Der Einwand, dass Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritten dann nicht zustehen, wenn der Geschädigte einen direkten vertraglichen Anspruch hat, kann hier nicht überzeugen: Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 333 ASVG dem Verletzten sämtliche, dh auch (neben-)vertragliche Ansprüche gegenüber der Erstbeklagten als Arbeitgeberin verschließt (RIS-Justiz RS0028584; RS0085236), nimmt die Rechtsprechung gerade in dem Fall, dass der Arbeitgeber mit einem Dritten einen Werkvertrag eingeht, an, dass infolge der den Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflichten auch dessen Arbeitnehmer in den Kreis der Personen fallen, die von der Schutzpflicht des Dritten umfasst sind (RIS Justiz RS0034594; RS0021557). Vertretbar ist daher die Rechtsauffassung, dass die Zweitbeklagte, in deren Interesse die Gefahrenquelle (Entfernung des Hallenbodens) geschaffen worden war, diese nicht ohne weiters hätte bestehen lassen dürfen (RIS-Justiz RS0023719), sondern entsprechende eigene Sicherungsmaßnahmen hätte treffen müssen. Zutreffend verweist das Berufungsgericht auch darauf, dass auch bei Verletzung vertraglicher Schutzpflichten zugunsten Dritter der Unternehmer für das Gehilfenverschulden gemäß § 1313a ABGB haftet (RIS-Justiz RS0017185 [T8]). Richtig ist ferner, dass ein neben dem Arbeitgeber vorhandener Zweitschädiger, der selbst haftet, kein Mitverschulden des haftungsbefreiten Arbeitgebers einwenden kann (RIS-Justiz RS0017545). Die Frage des im Regress nach § 332 ASVG relevanten Mitverschuldens des Verletzten stellt regelmäßig eine Frage des Einzelfalls dar und wurde im vorliegenden Fall vertretbar gelöst.
Zusammenfassend vermag daher keine der Revisionswerberinnen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.