OGH vom 11.10.2016, 11Os62/16a

OGH vom 11.10.2016, 11Os62/16a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel, Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen F***** wegen Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 42 Hv 63/11g 192, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, des Angeklagten und dessen Verteidigers Mag. Vural zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil mit Ausnahme des Freispruchs und der teilweisen Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

F***** wird vom Vorwurf, er habe in W*****

A./ mit einer unmündigen Person, nämlich der am geborenen N***** den außerehelichen Beischlaf unternommen bzw andere dazu bestimmt, und zwar

1.) zu Weihnachten 1982, indem er unter Hinweis darauf, dass so schöne Spiele nur Papas mit Mädchen machen, die sie besonders lieb haben, vaginal in sie eindrang;

2.) zwischen 1982 und 1987 in zahlreichen Angriffen, indem er regelmäßig mehrmals im Monat vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr hatte;

3.) 1987, indem er den am geborenen R***** und den am geborenen G***** anleitete, mit N***** einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, ihnen dabei Tipps gab, „wie man mit Frauen verkehrt“ und die Knaben mit ihrem erregten Glied in die Scheide der N***** eindrangen, diese zur Ausführung der strafbaren Handlung bestimmt;

B./ eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, und zwar

1.) ca 1982, indem er sich von seiner Tochter N***** in der Badewanne manuell befriedigen ließ;

2.) zwischen 1982 und 1987 in zahlreichen Angriffen, indem er sich monatlich mehrfach von ihr oral oder manuell befriedigen ließ;

C./ zur Ausführung der von mehreren unbekannt gebliebenen Tätern begangenen strafbaren Handlungen, nämlich von N***** jeweils an ihnen durchgeführten oralen Befriedigung beigetragen, und zwar

1.) 1983, indem er sie anhielt, eine nicht feststellbare Anzahl von mindestens zwei Männern oral zu befriedigen und zu diesem Zweck mit seinen Händen ihren Kopf fixierte;

2.) ca 1986, indem er an ihre kindliche Hilfsbereitschaft appellierte und erklärte, man müsse dem Unbekannten in seiner „Not“ helfen;

D./ zwischen 1982 und 1987 seine Tochter N***** durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich sich jemandem wegen der unter A./ und B./ genannten Vorfälle anzuvertrauen genötigt, indem er ihr in zahlreichen Angriffen erklärte, er werde sie umbringen, wenn sie jemandem von den Vorfällen erzähle;

E./ zwischen 1982 und 1987 mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, durch die unter A./1.) und 2.) genannten Taten mit seiner Tochter N***** den Beischlaf vollzogen;

F./ unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung, Ausbildung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht missbraucht, und zwar durch die unter A./, B./ und C./ genannten Taten;

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Privatbeteiligten N***** und R***** werden gemäß § 366 Abs 1 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten von weiteren gleichartigen Vorwürfen (Zeitraum 1994 bis 1997) enthält, wurde F***** mehrerer Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 teils als Beteiligter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB (A./) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB (B./ und C./) sowie mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (D./), der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (E./) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (F./) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 1, 4 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, dass die Schuldsprüche mit nicht geltend gemachter, von Amts wegen wahrzunehmender Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet sind.

Nach den Feststellungen verübte der Angeklagte die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten zwischen den Jahren 1982 und 1987 (US 8, 10 f).

Nach § 57 Abs 2 StGB erlischt die Strafbarkeit von Taten, die weder mit lebenslanger Freiheitsstrafe noch mit Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

Für die zur Verurteilung gelangte, mit (der im Gegenstand höchsten) Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohte strafbare Handlung des § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 beträgt die Verjährungsfrist nach § 57 Abs 3 zweiter Fall StGB zehn Jahre. Mit Blick auf das Ende des Tatzeitraums 1987 war die Strafbarkeit der Taten Ende 1997 erloschen. Dem Ablauf der Verjährungsfrist entgegenstehende Konstatierungen sind dem Urteil nicht zu entnehmen (RIS Justiz RS0091794).

Nachdem die Strafbarkeit der Taten vor dem Inkrafttreten der Änderungen durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 bereits erloschen war, kommt die Anwendung des § 58 Abs 3 Z 3 StGB idF BGBl I 1998/153 und der Nachfolgebestimmungen nicht in Betracht (Art V Abs 3 BGBl I 1998/153).

Der Oberste Gerichtshof musste daher den dem Verurteilten zum Nachteil gereichenden Urteilsteil von Amts wegen aufheben.

Da die Frage der Verjährung kein prozessuales Verfolgungshindernis betrifft, sondern einen materiellen Strafaufhebungsgrund (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 619 ff; Marek in WK 2 StGB Vorbem §§ 57–60 Rz 1), schiede eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst bei nicht ausreichender Feststellungsbasis an sich aus. Weil jedoch nach der Aktenlage – mit Blick auf die erstmalige Vernehmung des Angeklagten am (ON 5 S 23) und die leere Strafregisterauskunft (ON 164) – in einem weiteren Rechtsgang der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Erwägungen in der Sache selbst zu entscheiden (vgl Ratz , WK StPO § 288 Rz 24; RIS Justiz RS0118545) und mit Freispruch vorzugehen (vgl RIS Justiz RS0100178).

Die vom Urteil im kassierten Umfang rechtslogisch abhängenden Verfügungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS Justiz RS0100444).

Die Aufhebung des Adhäsionserkenntnisses war zwingende Folge des Freispruchs (§ 366 Abs 1 StPO).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00062.16A.1011.000