VfGH vom 12.12.1986, b555/86
Sammlungsnummer
11199
Leitsatz
VereinsG; Untersagung der Umbildung des Vereines "Sozial-kultureller Verein der griechischen Gemeinde Wien und Umgebung", wobei ua. eine Änderung des Vereinsnamens in "Sozial-kulturelle griechische Gemeinde in Wien" vorgesehen war; Beschwerdelegitimation des Vereines selbst im Falle der Untersagung einer Vereinsumbildung; jede entgegen dem G erfolgte Untersagung der beabsichtigten Vereinsumbildung verletzt das Recht auf Vereinsfreiheit iS des Art 12 StGG, Art 11 MRK; Verwechslungsfähigkeit des angestrebten Namens iS des § 4 Abs 3 mit den (Kirchen-)Gemeinden nach dem OrthodoxenG; deutliche Unterscheidung vom bisherigen Namen; unter Berufung auf die Vereinsfreiheit beim VfGH geltend zu machender Verfahrensmangel muß derart bedeutsam sein, daß, wäre er nicht vorgekommen, die Behörde zumindest möglicherweise anders entschieden hätte; keine derartigen Verfahrensmängel; keine Verletzung im Recht auf Vereinsfreiheit
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien (SD Wien) vom wurde die beabsichtigte Bildung des Vereines, "Sozial-kultureller Verein der griechischen Gemeinde Wien und Umgebung" mit dem Sitz in Wien nicht untersagt.
§3 der Vereinsstatuten über die "Zwecke und Ziele" des Vereines lauten:
"a) Die Vereinigung aller in der Stadt Wien und deren Umgebung lebender Personen griechischer Abstammung.
b) Förderung der sozialen und kulturellen Beziehungen zwischen den Griechen untereinander und den Bürgern des Gastlandes.
c) Die Interessensvertretung ihrer Mitglieder im Hinblick auf die durch den Aufenthalt in Österreich entstehenden Probleme auf kollektiver Basis.
d) Schaffung von Voraussetzungen für eine bessere Freizeitgestaltung.
e) Hilfe und Rat für die schulpflichtigen Kinder der Gemeindemitglieder in schulischen Angelegenheiten (Hausarbeitbetreuung, Anschaffung einer Bibliothek usw.).
f) Anhebung des allgemeinen Bildungsniveaus der Erwachsenen und der Kinder.
g) Einnahmen der Gemeinde sind für gemeinnützige Ziele bestimmt, und dürfen nicht für gewinnbringende Zwecke benutzt werden."
b) Am zeigte der Verein eine beabsichtigte Umbildung an. Unter anderem war auch eine Änderung des Vereinsnamens in "Sozial-kulturelle griechische Gemeinde in Wien" vorgesehen.
Die SD Wien untersagte mit Bescheid vom 18. Feber 1985 diese Umbildung.
Mit Bescheid vom gab der Bundesminister für Inneres (BMI) der dagegen vom Verein erhobenen Berufung keine Folge.
Im wesentlichen wird der Berufungsbescheid wie folgt begründet:
"In § 5 des BG vom , BGBl. 229, über äußere Rechtsverhältnisse der griechischorientalischen Kirche in Österreich ist bestimmt: 'Die griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur heiligen Dreifaltigkeit in Wien und die griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum heiligen Georg in Wien, welche als kraft kaiserlicher Privilegien gebildete staatlich anerkannte Einrichtungen der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses BG bestehen und die nach dem kirchlichen Recht der griechisch-orientalischen Kirche der geistlichen Jursidiktion der griechisch-orientalischen Metropolis von Austria (§6) unterstehen, genießen für die Dauer ihres Bestehens die Stellung von Körperschaften des öffentlichen Rechtes.'
Im zitierten Gesetz wird überdies der terminus 'Kirchengemeinde' durchgehend verwendet.
Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung über die Frage der Berechtigung der in Rede stehenden beiden kirchlichen Einrichtungen, sich als 'Kirchengemeinde' zu bezeichnen.
Daß auch deren Bezeichnung als 'Gemeinde' nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt, ergibt sich aus der Tatsache, daß die in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport angeführten Statuten beider Kirchengemeinden, welche durch die gesetzliche Anerkennung der selben sanktioniert wurden, die Benennung 'griechisch-orientalische Gemeinde' enthalten.
Geht man von dieser Rechtslage und der traditionell gewachsenen Funktion der Kirchengemeinden 'zur heiligen 'Dreifaltigkeit' und 'zum heiligen Georg' für die Griechen in Wien - wie sie von Univ.-Prof. Dr. Plöchl und vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport dargestellt wird - aus, so kann kein Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport bestehen, unter 'griechische Gemeinde in Wien' werde allgemein eine Organisation im Rahmen der kirchlichen Einrichtungen im Griechenviertel um den Fleischmarkt verstanden, und eine Organisation mit der Bezeichnung 'griechische Gemeinde in Wien', die mit diesen Einrichtungen nicht in Verbindung steht, würde sicher in diesem Sinne zu Verwechslungen führen.
An der Verwechslungsgefahr vermag auch der der Vereinsbezeichnung 'griechische Gemeinde in Wien' vorangesetzte Namensbestandtei1 'sozial-kulturelle' nichts zu ändern, weil aus den dargelegten Gründen dadurch die Assoziation mit den kirchlichen Griechengemeinden in Wien nicht ausgeschlossen wird.
Die Meinung des Berufungswerbers, durch den Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien sei nachträglich die Führung eines Vereinsnamens untersagt worden, auf den durch den seinerzeitigen Nichtuntersagungsbescheid der Sicherheitsdirektion ein rechtskräftiger Anspruch entstanden sei, ist unzutreffend. Durch den bekämpften Bescheid wird nicht die Führung des Vereinsnamens 'Sozial-kultureller Verein der griechischen Gemeinde Wien und Umgebung' untersagt, obwohl auch dieser Name aufgrund der gegebenen besonderen Umstände in erster Linie so verstanden werden kann, daß es sich um einen Verein mit sozial-kultureller Zielsetzung handle, der innerhalb der Wr. griechisch-orientalischen Kirchengemeinden bestehe. Bezüglich der Berechtigung zur Führung dieses Namens durch den Verein sind die Vereinsbehörden an die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung der Sicherheitsdirektion für Wien, dh. den Nichtuntersagungsbescheid vom gebunden."
2. Gegen diesen Bescheid des BMI wendet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde des Vereines, "Sozial-kultureller Verein der griechischen Gemeinde Wien und Umgebung". Darin wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
3. Der BMI als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift. Er begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Im Fall der Untersagung einer Vereinsumbildung ist es der Verein selbst, der legitimiert ist, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu erheben (s. zB VfSlg. 2568/1953, 9366/1982).
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Sie ist jedoch nicht begründet:
a) Jede entgegen dem Gesetz erfolgte Untersagung der beabsichtigten Umbildung eines Vereines verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit (Art12 StGG, Art 11 MRK).
b) Dem § 10 iVm. § 6 Abs 1 des Vereinsgesetzes 1951 zufolge hat die Behörde die Umbildung eines Vereines ua. zu untersagen, wenn er "nach seinem Zweck oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig ist", also insbesondere auch dann, wenn eine Vorschrift des VereinsG 1951 selbst verletzt wird.
Die Behörde beruft sich für die Untersagung der Umbildung auf § 4 Abs 3 leg. cit. Diese Bestimmung lautet:
"Der Vereinsname bildet einen wesentlichen Bestandteil der Statuten. Der Name muß so beschaffen sein, daß er einen Schluß auf den Vereinszweck zuläßt und Verwechslungen mit anderen Vereinen oder Einrichtungen ausschließt."
c) Zu untersuchen ist also, ob der angestrebte neue Vereinsname tatsächlich - wie die Behörde meint - verwechslungsfähig ist.
Der BMI ist im Recht, wenn er - gestützt auf ein von em.O. Univ.-Prof. Dr. Willibald Plöchl erstattetes Gutachten - davon ausgeht, daß seit Jahrhunderten in Wien griechisch-orientalische (orthodoxe) Glaubensgemeinschaften bestehen, die neben den eigentlichen kirchlichen auch soziale und caritative Angelegenheiten besorgen und die darüber hinaus auch das nationale Brauchtum pflegen. Sie sind daher nicht nur Kirchengemeinden, sondern auch nationale Gemeinden und auch nationale (Kirchen-)gemeinden und treten seit jeher unter der Bezeichnung - "Griechisch-orientalische (Kirchen-)Gemeinden" - auf. Dies in Übereinstimmung mit dem Gesetz:
Der im angefochtenen Bescheid des BMI (s. oben I.1.b) richtig wiedergegebene § 5 des BG vom , BGBl. 229, über die äußeren Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich (OrthodoxenG) erkennt beiden damals bestehenden "griechisch-orientalischen Kirchengemeinden" den Charakter von Körperschaften des öffentlichen Rechtes zu; das Gesetz ermöglicht die Errichtung weiterer Kirchengemeinden.
Unter diesen Umständen läßt der Name "Sozial-kulturelle griechische Gemeinde Wien und Umgebung" geradezu erwarten, es handle sich bei der Einrichtung um eine (Kirchen-)Gemeinde iS des OrthodoxenG. Ein solcher Name ist also verwechslungsfähig in der Bedeutung des § 4 Abs 3 VereinsG.
Der rechtskräftige Bescheid der SD Wien vom , mit dem die Bildung des Vereines mit dem Namen, "Sozial-kultureller Verein der griechischen Gemeinde Wien und Umgebung" nicht untersagt wurde, gibt dem Verein schon deshalb kein Recht auf den angestrebten neuen Vereinsnamen, weil sich dieser essentiell vom bisherigen Namen unterscheidet; der alte Name enthält nämlich noch die Bezeichnung "Verein", wodurch der Rechtscharakter der Vereinigung deklariert und die Möglichkeit der Verwechslung mit einer Kirchengemeinde iS des OrthodoxenG zumindest verringert wird.
c) Zwar ist dem bf. Verein beizupflichten, daß auch auf die Einhaltung des im VereinsG (insbesondere im § 10 iVm. § 6) und in den entsprechenden Normen des AVG 1950 geregelten Verfahrens ein verfassungsgesetzlich gewährleisteter Anspruch besteht, der unter Berufung auf die Vereinsfreiheit beim VfGH geltend gemacht werden kann (s. zB VfSlg. 1532/1947, 7007/1973, 9366/1982).
Ein solcher Verfahrensmangel muß aber für die bekämpfte Entscheidung derart bedeutsam sein, daß, wäre er nicht vorgekommen, die Behörde zumindest möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. VfSlg. 6883/1972).
Die vom bf. Verein gerügten Verfahrensfehler sind nicht dieser Art:
Wenn das Parteiengehör im Verfahren vor der SD Wien tatsächlich - wie in der Beschwerde geltend gemacht wird - nicht voll gewahrt worden sein sollte, so ist dieser allfällige Mangel für die angefochtene Entscheidung des BMI deshalb nicht relevant, weil der Bf. Gelegenheit hatte, nach Akteneinsicht in der Berufung seinen Standpunkt umfassend darzulegen.
Was das in der Beschwerde beanstandete Unterlassen anlangt, dem Verein die Stellungnahme des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport vom zur Kenntnis zu bringen, so ist auch darin kein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel zu erblicken; diese Stellungnahme enthält nämlich keine neuen Sachverhaltselemente und beleuchtet auch die rechtliche Seite nicht anders als das - dem bf. Verein bekannte - Gutachten des em.O.Univ.Prof. Dr. Willibald Plöchl.
d) Die Entscheidung des BMI, die beabsichtigte Umbildung des bf. Vereines zu untersagen, entsprach sohin dem Gesetz.
Der Verein wurde also weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Vereinsfreiheit noch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt.
Da auch die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht stattfand, war die Beschwerde abzuweisen.