TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 02.03.2007, 9ObA52/05w

OGH vom 02.03.2007, 9ObA52/05w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, Deutschmeisterplatz 2, 1013 Wien, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die Antragsgegner 1. Fachverband für Elektro- und Elektronikindustrie, Mariahilfer Straße 37-39, 1060 Wien, 2. Wirtschaftskammer Österreich, Bundessparte Handel, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, beide vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen,

1. dass auch jene Anwartschafts- und Leistungsberechtigten ein Absonderungsrecht betreffend die gemäß § 11 Abs 1 BPG für ihre Leistungsansprüche oder Anwartschaften gebildeten Wertpapierrückstellungen haben, denen bereits vor dem Inkrafttreten des Betriebspensionsgesetzes Leistungen aus ihren Pensionsvereinbarungen zugekommen sind bzw dass sich dieses Absonderungsrecht auch auf jenen Teil der Wertpapierrückstellung bezieht, der sich aus Anwartschaftszeiten, die aus der Zeit vor dem stammen, ergibt;

2. dass im Hinblick auf die Widmung als Rückstellung sämtliche in Beilage ./Q angegebenen Wertpapiere im Gesamtwert von EUR 4,455.111,63, jedenfalls aber die auf dem Wertpapierdepot Nr. 214110090000 erliegenden Wertpapiere in der Höhe von EUR 2,686.800,09 den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten auf Betriebspensionen aus direkten Leistungszusagen gemäß § 11 Abs 1 BPG als Sondermasse zustehen; in eventu

3. dass die Berechnung der Wertpapierrückstellung gemäß den Bestimmungen der §§ 14 Abs 7 iVm 116 Abs 4 EStG 1988 so zu erfolgen hat, dass die über den Basiswert des Jahres 1990 hinausgehende Wertpapierdeckung voll berücksichtigt wird und zusätzlich der über zwanzig Jahre aufzulösende Anteil aus dem Jahr 1990 in die Wertpapierdeckung eingerechnet wird (Variante analog dem Abbau der Unterdeckung),

wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kollektivvertragsfähigkeit des Antragstellers ergibt sich aus § 4 Abs 2 ArbVG. Die Antragsgegner sind zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber berufene Körperschaften iSd § 4 Abs 1 ArbVG. Antragsteller und Antragsgegner sind daher iSd § 54 Abs 2 letzter Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahren legitimiert.

Der Antragsteller beantragt wie im Spruch ersichtlich und bringt dazu im Wesentlichen vor:

Der vorliegende Antrag bezieht sich auf ehemalige Arbeitnehmer der G***** GmbH bzw G***** Vertriebs-GmbH. Diese Gesellschaften bzw deren Rechtsvorgänger versprachen ihren Arbeitnehmern Pensionsleistungen mittels sogenannter „Versorgungszusagen", wovon eine Gruppe von 132 Arbeitnehmern betroffen ist. Der Erstantragsgegner wird als kollektivvertragsfähige Interessenvertretung der G***** GmbH, der Zweitantragsgegner als kollektivvertragsfähige Interessenvertretung der G***** Vertriebs-GmbH in Anspruch genommen.

Den betroffenen Arbeitnehmern wurden direkte Leistungszusagen iSd § 2 Z 2 BPG erteilt. Die Leistungszusagen stammen teilweise aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des BPG, teilweise danach. Mehr als drei Arbeitnehmer beziehen bereits seit dem eine Betriebspension. Anwartschafts- und Leistungsberechtigte hatten bereits einen unwiderruflichen Rechtsanspruch auf Pensionsleistungen. Die G***** GmbH und G***** Vertriebs-GmbH haben Wertpapiere zur Deckung der Pensionsrückstellung und zur Absicherung der Anwartschaften der Berechtigten aus zukünftigen Betriebspensionen angeschafft. Aus den Jahresabschlüssen geht hervor, dass eine ordnungsgemäße (gesetzeskonforme) Wertpapierdeckung gebildet wurde. Über das Vermögen beider Gesellschaften wurde zunächst am das Ausgleichs-, in der Folge am das Konkursverfahren eröffnet. Sämtliche von den späteren Gemeinschuldnerinnen angeschafften Wertpapiere, und zwar sowohl zur Deckung der Abfertigungsrücklage als auch zur Wertpapierdeckung der Pensionsansprüche, wurden auf Depots der Bank ***** AG verwahrt. Diese war Hausbank der beiden Gemeinschuldnerinnen und ist Hauptgläubigerin im Konkurs beider G*****-Gesellschaften. Sie macht geltend, dass die bei ihr erliegenden Wertpapiere gemäß den vereinbarten AGB zu ihren Gunsten verpfändet sind und dass hinsichtlich allfälliger Wertpapiererlöse gemäß der vereinbarten AGB ein Aufrechnungsrecht besteht, und zwar soweit, als die Wertpapiere nicht gemäß § 11 Abs 2 BPG der Verpfändung entzogen sind. Sämtliche Wertpapiere wurden über den Auftrag der Masseverwalter von der B***** AG bereits verkauft, der Verkaufserlös der gemäß § 11 Abs 1 BPG angeschafften Wertpapiere des Depots Nr 214110090000 belief sich auf EUR 2,686.800,09. Die B***** AG war lediglich bereit, einen Betrag von EUR 496.181,02 als den Pensionisten bzw Anwartschaftsberechtigten zustehende Sondermasse herauszugeben, dieser Betrag wird derzeit von den Masseverwaltern auch verteilt. Die Pensionisten verlangen demgegenüber von der B***** AG die Herausgabe des gesamten Verkaufserlöses von EUR 2,686.800,09 und die Verteilung des Gesamtbetrages als Sondermasse an die berechtigten Pensionisten. Die B***** AG ist nach dem Antragsvorbringen der Auffassung, dass sich das Absonderungsrecht iSd § 11 Abs 1 BPG nicht auf sämtliche bei ihr erliegenden Wertpapiere erstreckt. Insbesondere bestreitet sie, dass schon vor dem Inkrafttreten des BPG entstandene Anwartschaften bzw Pensionsansprüche von der Wertpapierdeckung umfasst seien. Diese beziehe sich vielmehr nur auf seit dem Inkrafttreten des BPG anteilsmäßig entstandene Ansprüche. Die B***** AG ist daher trotz eines von den Masseverwaltern in Auftrag gegebenen versicherungsmathematischen Gutachtens nicht bereit, die Variante zu akzeptieren, welche von den Pensionisten als gesetzeskonform angesehen wird.

Der Antragsteller leitet folgende rechtliche Schlussfolgerungen ab:

Zu Punkt 1. des Antrages:

§ 11 Abs 1 BPG sei nicht so auszulegen, dass sich Wertpapierdeckungen für Pensionsrückstellungen nur auf Anwartschaften und Pensionsansprüche aus der Zeit nach Inkrafttreten des BPG beziehen, was sich insbesondere aus der - schon in der Urfassung dieser Bestimmung vorhandenen - Bezugnahme auf die Vorschriften des § 14 Abs 7 EStG 1988 und § 116 Abs 4 EStG 1988 ergebe, welche schon vor dem Betriebspensionsgesetz in Kraft getreten seien. Die Übergangsbestimmung des Art V Abs 3 BPG enthalte keine Einschränkung, wie sie die Depotbank behaupte.

Zu Punkt 2. des Antrages:

Aus der geltenden Fassung des § 11 Abs 1, insbesondere Satz 2 BPG, ergebe sich, dass es für den Umfang des Absonderungsrechts nur auf die Widmung angeschaffter Wertpapiere als Rückstellungsdeckung ankomme, ohne dass hiefür die Höchstgrenze des § 14 Abs 7 Z 7 EStG iVm § 14 Abs 5 EStG maßgeblich sei. Sämtliche (offensichtlich gemeint: auch für Abfertigungsrücklagen) gewidmete Wertpapierdeckungen seien daher vom Absonderungsrecht umfasst, jedenfalls aber jene Wertpapiere, die (auch) zur Deckung von Pensionsrückstellungen angeschafft worden seien.

Zu Punkt 3. des Antrages:

Dieses Eventualbegehren komme nur in dem Fall zum Tragen, dass nicht Punkt 2 des Antrags stattgegeben werde. Die Übergangsbestimmung des § 116 Abs 4 Z 4 EStG 1988 sei unklar. Nach Meinung des Antragstellers sollte diese Bestimmung keine völlige Neuberechnung von Rückstellungen herbeiführen, vielmehr dürfe es zu keiner Reduktion der Pensionsrückstellungen kommen. Sei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Übergangsbestimmung bereits eine Rückstellung gegeben gewesen, solle diese nicht wieder wegfallen und eine völlig neue aufgebaut werden, vielmehr entspreche es dem Willen des Gesetzgebers, dass die bereits vorhandenen Rückstellungen erhalten bleiben sollten und nur der jährliche Neuanfall dazugerechnet werden sollte, mit anderen Worten sollte die Berechnung der Wertpapierrückstellung gemäß § 14 Abs 7 iVm § 116 Abs 4 EStG 1988 so erfolgen, dass die über den Basiswert des Jahres 1990 hinausgehende Wertpapierdeckung voll berücksichtigt wird und zusätzlich der über zwanzig Jahre aufzulösende Anteil aus dem Jahr 1990 in die Wertpapierdeckung eingerechnet wird.

Die Antragsgegner beantragen, den Antrag zurück- bzw abzuweisen. Der Antragsteller behaupte gar nicht, dass die antragsgegenständlichen Ansprüche zwischen den Pensionisten und den Masseverwaltern strittig seien, vielmehr bestehe ein solcher Streit nur zwischen den Pensionisten und der Depotbank B***** AG. Es liege somit kein iSd § 54 Abs 2 ASGG zulässiger Feststellungsantrag vor. Im Übrigen traten die Antragsgegner der Rechtsauffassung des Antragstellers entgegen. Ergänzend wiesen die Antragsgegner darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 46/06-6, § 14 Abs 5 EStG sowie § 14 Abs 7 Z 7 EStG als verfassungswidrig aufgehoben habe und diese Aufhebung mit Ablauf des wirksam geworden sei.

Dem hält der Antragsteller entgegen, dass er einerseits ohnehin das Vorliegen einer Höchstgrenze des Absonderungsrechts bestreite und überdies das Erkenntnis nicht zurückwirke, somit auf bereits entstandene Rechte der Pensionisten, um die es hier gehe, keinen Einfluss nehme.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 54 Abs 2 ASGG können kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§ 4 bis 7 ArbVG) im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muss eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Feststellungsanträge zur Klärung abstrakter Rechtsfragen, welchen bloß theoretische Bedeutung zukommt, erfüllen die Voraussetzungen eines rechtlichen Interesses im Rahmen eines Feststellungsantrages nach § 54 Abs 2 ASGG nicht, weil abstrakte Rechtsfragen grundsätzlich nicht feststellungsfähig sind. Der Antrag dient nämlich der Prävention und der Prozessökonomie (RIS-Justiz RS0109383). Durch § 54 Abs 2 ASGG sollte die Möglichkeit eröffnet werden, abstrakte arbeitsrechtliche Fragen aus privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, die für einen größeren Personenkreis von konkreter Bedeutung sind, in einem außerstreitigen, zwischen den betreffenden Interessenvertretungen geführten Verfahren aufgrund eines behauptete Sachverhalts einer Klärung zuzuführen. Um die Parteienlegitimation (Prozessstandschaft) von Einzelpersonen und Belegschaftsorganen abzugrenzen, wurde sie auf die kollektivvertragsfähigen Körperschaften beschränkt, weil auf diese Weise eine repräsentative Vertretung der beteiligten Personen oder Personengruppen sichergestellt ist (SZ 62/217). Die kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer können den Antrag iSd § 54 Abs 2 ASGG nur im Rahmen ihres Wirkungsbereiches einbringen, also für die von ihnen vertretenen Arbeitnehmer bzw Arbeitgeber. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass jede kollektivvertragsfähige Körperschaft nur antragslegitimiert ist, wenn der von ihr angegebene Sachverhalt Arbeitgeber oder Arbeitnehmer betrifft (betreffen kann), deren Interessen sie vertritt bzw zu vertreten hat (Kuderna ASGG², 353). Der Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitgeber ist gegen eine solche der Arbeitnehmer und der Antrag einer solchen Körperschaft der Arbeitnehmer gegen eine solche der Arbeitgeber zu richten. Als Antragsgegner kommt ebenfalls nur eine derartige Körperschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs in Betracht (Kuderna aaO, 354). Schon nach dem maßgeblichen Vorbringen - ohne dass auf Ergänzungen der Antragsgegner eingegangen werden kann - ergibt sich, dass kein Streit zwischen der (ehemaligen) Belegschaft der beiden Gemeinschuldnerinnen und deren Masseverwaltern, sondern einem Dritten besteht, der seinerseits Absonderungsrechte geltend macht, die in diejenigen der Pensions- bzw Anwartschaftsberechtigten eingreifen würden. Der vorerwähnte Wirkungskreis der Antragsgegner könnte sich aber nur auf den Arbeitgeber (bzw die Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Arbeitgeber) beziehen, nicht aber auf die Depotbank, die einen für die ehemaligen Arbeitnehmer ungünstigen Standpunkt vertritt. Soweit die Antragsgegner als Interessenvertreter der früheren Arbeitgebergesellschaften angesprochen werden, fehlt es aber am konkreten Interesse der Betroffenen. Gerade die die früheren Arbeitgeber repräsentierenden Masseverwalter bestreiten nämlich die Ansprüche der Pensionisten und Anwartschafsberechtigten nicht. Das Fehlen des in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmenden Feststellungsinteresses (Neumayr in ZellKomm § 54 ASGG Rz 6) muss daher zu einer Abweisung des Antrages führen, ohne dass dessen materielle Berechtigung einer weiteren Prüfung zu unterziehen ist.