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VfGH vom 02.10.1998, B553/98

VfGH vom 02.10.1998, B553/98

Sammlungsnummer

15270

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Nichtanerkennung eines Verlustes aus einer Beteiligung an einer Wertpapierhandelsgesellschaft; gewerblich betriebener Wertpapierhandel keine Form der Vermögensverwaltung; gesetzliche Deckung der hiezu ergangenen Verordnung des BMF BGBl 734/1996

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem sonstigen Recht verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Seit dem AbgabenänderungsG 1989, BGBl. 660, sind gemäß § 2 Abs 2 EStG 1988 "Verluste aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter gelegen ist, ... weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs 6 und 7 vortragsfähig. Solche Verluste sind mit Gewinnen (Gewinnanteilen) aus diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen" (Satz 2 und 3; die Neufassung des zweiten Satzes durch das StrukturanpassungsG 1996 fügte dem Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter noch die hier nicht einschlägige gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern hinzu). Die Regelung soll einem neuen Typ von Verlustzuweisungsgesellschaften - Unternehmen, die praktisch nur zum Zweck von Verlustzuweisungen ins Leben gerufen werden - entgegenwirken (Ausschußbericht 1162 BlgNR 17.GP, 2 f.).

1. Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid wurde der vom Beschwerdeführer, einem Zivilingenieur für Bauwesen mit Einkünften aus selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit sowie aus Gewerbebetrieb, für 1986 geltend gemachte Verlust von 2,358.118 S aus einer - über eine Treuhandgesellschaft mbH - als Mitunternehmer gehaltenen Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz in Deutschland nicht anerkannt, weil Gegenstand des Unternehmens dieser Gesellschaft der Handel mit Wertpapieren sei. Als Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter sei aufgrund der zu § 2 Abs 2 EStG ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. 734/1996, sowohl die Verwaltung von Anlagevermögen als auch die Verwaltung von Umlaufvermögen zu verstehen; darunter falle insbesondere auch der gewerbliche Handel mit unkörperlichen Wirtschaftsgütern.

2. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde rügt die Verletzung des Art 18 Abs 2 B-VG, weil die angewendete Verordnung keine ausreichende gesetzliche Grundlage habe und überdies dem Gesetz widerspreche. Die Verordnung stelle den Handel dem im Gesetz genannten Verwalten gleich. Der Begriff der Verwaltung sei im Steuerrecht insofern von allgemeiner Bedeutung, als eine Tätigkeit erst dann zu einer gewerblichen werde, wenn sie den Rahmen der (privaten) Vermögensverwaltung überschreite. Auch in § 18 Abs 3 Z 4 litc EStG (im Zusammenhang mit der Begünstigung der Erstanschaffung junger Aktien bestimmter Gesellschaften) werde der Begriff im Sinne des bloßen Haltens von Beteiligungen und der Ausübung der damit verbundenen Rechte verstanden und § 8 Z 1 GewStG habe das Verwalten (von Grundstücken oder Kapitalvermögen) dem "Nutzen" gegenübergestellt, das - umfassend - auch betriebliche Aktivitäten miteinbeziehe. § 32 BAO schließlich definiere den Begriff der Vermögensverwaltung im Sinne der Abgabenvorschriften als Nutzung von Vermögen (verzinsliche Anlegung von Kapitalvermögen, Vermietung oder Verpachtung unbeweglichen Vermögens), wobei die Grenze zur betrieblichen Tätigkeit bei Vorliegen der sonstigen Merkmale (§28 BAO) dann überschritten sei, wenn das Tätigwerden des Steuerpflichtigen deutlich jenes Maß überschreitet, das üblicherweise mit der Verwaltung eigenen Vermögens verbunden ist. Die bloße Vermögensverwaltung sei damit eine

"auf eine Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz gerichtete Tätigkeit, während eine im Vermögen begründete gewerbliche Tätigkeit durch Ausnutzung substantieller Vermögenswertunterschiede mittels Umschichtung oder durch zusätzliche, über die Aufgaben einer Verwaltung hinausgehende, Leistungen und Tätigkeiten gekennzeichnet ist (BFH , BStBl II 726 unter Berufung auf das Urteil BStBl 1972 II 360). Damit bestimmen Art und Ausmaß der Tätigkeit, ob man noch davon sprechen kann, ob Vermögen verwaltet wird oder nicht".

Gehe man von diesem Verwaltungsbegriff aus, dann könne der Begriff der Verwaltung nicht danach bestimmt werden, ob sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf Anlage- oder Umlaufvermögen bezieht, sondern nach Art und Umfang des Tätigwerdens des Steuerpflichtigen. Sei der Arbeitseinsatz des Steuerpflichtigen die Ursache für seinen Erfolg, könne nicht mehr von einer Verwaltungstätigkeit gesprochen werden. Verwaltungstätigkeit in diesem Sinne bedeute nur Tätigwerden im Zusammenhang mit der üblichen Realisierung des vorhandenen Nutzungspotentials von Vermögensgegenständen. Im übrigen seien die vom Wertpapierhändler angeschafften Wirtschaftsgüter Teil seines Umlaufvermögens und als solche

"dazu bestimmt, als Verbrauchsgüter im betrieblichen Leistungserstellungsprozeß eingesetzt oder verkauft zu werden, was eine aktive Tätigkeit des Steuerpflichtigen bedingt, um den Erfolg zu realisieren. Eine Verwaltung von Umlaufvermögen iSd § 32 BAO ist daher nicht möglich".

Schließlich faßt die Beschwerde den Vorwurf der Gesetzwidrigkeit der Verordnung so zusammen:

"Die Verordnung bezeichnet als Verwaltung von Umlaufvermögen insb auch den gewerblichen Handel mit unkörperlichen Wirtschaftsgütern. Damit geht die Verordnung aber über den Begriff der Verwaltung sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als auch iSd § 32 BAO hinaus. Die Begriffsbestimmung des § 32 stellt aber die Anknüpfung für andere abgabenrechtliche Bestimmungen dar. Die Vermögensverwaltung und die betrieblichen vermögensbezogenen Tätigkeiten unterscheiden sich insb dadurch, daß im einen Fall eine reine Vermögensnutzung durch Fruchtziehung vorliegt, während im anderen Fall eine Vermögensnutzung durch revolvierende Anschaffungen und Verkäufe gegeben ist. Eine über die Vermögensverwaltung hinausgehende Tätigkeit ist nicht allein darauf gerichtet, die Nutzung und den Gebrauch von Vermögen möglich zu machen, sondern darauf, mit Hilfe zusätzlicher besonderer Leistungen zusätzliche Erträge zu erzielen. Vermögensverwaltung wäre daher Wertpapierbesitz, der feste Verzinsungen gewährt, Veranlagungen in Darlehen, Sparbüchern und Kapitalforderungen jeder Art Damit zusammenhängende Veräußerungen, Neuanschaffungen und Wiederveräußerungen von Kapitalanlagen gehen dann nicht über die Vermögensverwaltung hinaus, wenn nicht das Berufsbild eines gewerblichen Wertpapierhandels erfüllt ist, wenn also Umschichtungsgeschäfte nicht im Vordergrund stehen, sondern nur gelegentlich durchgeführt werden."

3. Die belangte Behörde verteidigt die Gesetzmäßigkeit der Verordnung. "Verwalten" setze nach dem Sprachgebrauch

"den subjektiven Willen voraus, eine Sache über einen längeren Zeitraum zu besitzen und auf eigene oder fremde Rechnung zu nutzen. Aus welchen konkreten Gründen die Tätigkeit des 'Verwaltens' der Tätigkeit des 'Handelns' zwingend entgegenstehen soll, ist für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, zumal die Nutzung von Vermögen sich sowohl als Vermögensverwaltung als auch als gewerbliche (vermögensverwaltende) Tätigkeit darstellen kann. In diesem Sinne spricht auch der allgemeine Sprachgebrauch nicht gegen eine Subsumtion des Wertpapierhandels unter den Begriff der Vermögensverwaltung, weil letztendlich auch der Handel mit Wertpapieren eine Form der Verwaltung von Vermögen darstellt".

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Sie erweckt keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angewendeten Verordnung.

1. § 2 Abs 2 Satz 2 EStG 1988 beschränkt unter anderem die Möglichkeit der Geltendmachung von Verlusten aus "Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter gelegen ist". Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. 734/1996, bestimmt in Abkehr von der in einem Erlaß vom (Z H 1860/13/1-IV/6/91, ÖStZ 1991, 130) vertretenen Rechtsauffassung des Bundesministers (nach der diese Bestimmung nur das Anlagevermögen betreffe und daher nicht auf gewerbliche Wertpapierhändler Anwendung finde, bei denen Wertpapiere in der Regel zum Umlaufvermögen gehörten):

"Als Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter ist sowohl die Verwaltung von Anlagevermögen als auch die Verwaltung von Umlaufvermögen zu verstehen. Darunter fällt insbesondere auch der gewerbliche Handel mit unkörperlichen Wirtschaftsgütern."

Geht man mit der Beschwerde von einer gesetzlichen Bestimmung aus, nach der unter Vermögensverwaltung das Gegenstück zum Gewerbebetrieb oder zur Land- und Forstwirtschaft zu verstehen ist (§32 BAO), kann in der Tat der Wertpapierhandel nicht unter den Begriff der Vermögensverwaltung fallen. Indessen spricht § 2 Abs 2 EStG von der Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter als Unternehmensschwerpunkt, hat also die Verwaltung solchen Vermögens gerade in der Form eines Gewerbebetriebes im Auge. Zieht man dazu in Betracht, daß es der - verfassungsrechtlich unbedenkliche, auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogene - Zweck des Gesetzes ist, zu vermeiden, daß Vermögensverwaltung durch die Schaffung eines betrieblichen Rahmens zur Herbeiführung steuerlich verwertbarer Verluste verwendet wird, läßt sich unter diesem Blickwinkel - wie gerade der Wertpapierhandel zeigt - der Handel mit unkörperlichen Wirtschaftsgütern von einer gewerblich betriebenen Vermögensverwaltung, die immer auch Handel mit umfaßt, nicht unterscheiden. Auch die gewinngerichtete Fruchtziehung aus solchen Wirtschaftsgütern in Form einer Vermögensverwaltung setzt nämlich die laufende Umschichtung solcher Wirtschaftsgüter (VwGH 96/14/0115 vom ), also - mit der Beschwerde zu sprechen - die Nutzung durch revolvierende Anschaffung und Verkäufe voraus. Der Verfassungsgerichtshof hat daher keine Bedenken, daß die Verordnung nicht durch Wortlaut und Sinn des Gesetzes gedeckt wäre.

2. Die Beschwerde führt der Sache nach nicht die behauptete Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aus - Art 18 B-VG begründet keine subjektiven Rechte -, sondern macht im Ergebnis ausschließlich die Rechtsverletzung wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend. Dieser Vorwurf trifft nach dem Gesagten nicht zu. Selbst wenn man aber die abschließend unter der Überschrift "Verfahrensmängel" vorgebrachte Rüge, die Behörde sei ohne zureichende Feststellungen davon ausgegangen, daß die Tätigkeit der vom Beschwerdeführer mit betriebenen Gesellschaft inhaltlich eine Vermögensverwaltung darstelle, nicht nur die Darlegung der Folgen der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung sehe, sondern auch die Behauptung der Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (etwa auf Unversehrtheit des Eigentums oder Gleichheit vor dem Gesetz), könnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn es ist insbesondere bei Zugrundelegen der Verordnung weder denkunmöglich noch ein Willkürakt, den geltend gemachten Verlust dem § 2 Abs 2 EStG zu unterstellen. Ob es auch richtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel der in Betracht kommenden Grundrechte nicht zu prüfen.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.