OGH vom 14.12.1999, 10ObS335/99h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Werner Hartmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöcklmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Aleksandar P*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 267/99g-89, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 19 Cgs 229/96x-86, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom auf Zuerkennung der Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Invalidität nicht vorliege.
Das Erstgericht wies das gegen den abweisenden Bescheid der beklagten Partei gerichtete Begehren des Klägers, die beklagte Partei zur Gewährung einer Invaliditätspension zu verpflichten, ab. Der Kläger, der keinen Berufsschutz genieße, müsse sich auf die festgestellten Verweisungstätigkeiten, die seinem Leistungskalkül entsprechen, verweisen lassen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Den Ausführungen des Klägers in der Berufung, er habe während des beim Erstgericht anhängigen Verfahrens das 55. Lebensjahr erreicht, so dass er jedenfalls die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG erfülle, hielt das Berufungsgericht entgegen, dass die Entscheidung eines Versicherungsträgers über einen Antrag auf Invaliditätspension keine Grundlage für die Führung eines gerichtlichen Verfahrens über ein Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension nach § 255 Abs 4 ASVG (wohl richtig 253d ASVG) bilden könne, weil es sich dabei um einen anderen Versicherungsfall handle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne eines Zuspruches einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit zumindest ab dem abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen aus, er habe am das 55. Lebensjahr vollendet und es hätte daher geprüft werden müssen, ob bei ihm die Voraussetzungen für die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im Sinn des § 253d ASVG vorliegen. Es handle sich dabei nicht um einen "anderen" Versicherungsfall, sondern um eine bloß andere Bezeichnung der Pension bei im Wesentlichen gleichen Anspruchsvoraussetzungen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Die Zulässigkeit des Rechtsweges für eine Bescheidklage setzt nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG (und § 69 ASGG) voraus, dass der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. Liegt eine meritorische Entscheidung des Versicherungsträgers über den geltend gemachten Anspruch des Versicherten nicht vor, ist der Rechtsweg - von § 68 ASGG und anderen hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - ausgeschlossen. Auch ein Austausch des Versicherungsfalls oder der Art der begehrten Leistungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht zulässig, weil es für solche Begehren an einer "darüber" ergangenen Entscheidung des Sozialversicherungsträgers fehlt (SSV-NF 12/65 mwN ua).
Im vorliegenden Fall wurde mit dem der Klage zugrunde liegenden Bescheid ausschließlich über den Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer Invaliditätspension abgesprochen. Die Bestimmung des § 253d ASVG über die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurde in ihrer ursprünglichen Form durch die 51. ASVG-Nov BGBl 1993/335 geschaffen und galt seit . Wenn auch die dort normierten Anspruchsvoraussetzungen im Wesentlichen denjenigen entsprachen, die zuvor für den Sonderfall der Invalidität gemäß § 255 Abs 4 ASVG (aF) normiert waren, handelt es sich doch in der novellierten Fassung nicht mehr um eine Invaliditätspension im Sinn des § 254 ASVG, sondern um eine vorzeitige Alterspension gemäß §§ 253 ff ASVG, also um einen anderen Versicherungsfall (vgl Versicherungsfälle des Alters nach § 222 Abs 1 Z 1 im Unterschied zu den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit nach § 222 Abs 1 Z 2 ASVG). Die Einbeziehung eines neuen Versicherungsfalles, der bisher nicht Gegenstand des vor dem Versicherungsträger durchgeführten Verfahrens war und über den mit Bescheid nicht erkannt wurde, ist unzulässig. Es liegt insoweit Unzulässigkeit des Rechtsweges vor (Kuderna, ASGG2 Anm 4 zu § 86 mwN). Es wäre in diesem Fall der Grundsatz der sukzessiven Kompetenz, dass Voraussetzung für das gerichtliche Verfahren die vorherige Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und das Vorliegen eines über den Leistungsanspruch des Versicherten absprechenden Bescheides des Versicherungsträgers ist, verletzt. Voraussetzung für die Führung eines sozialgerichtlichen Verfahrens über ein Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wäre daher, dass der Versicherungsträger über einen diesbezüglichen Antrag des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bereits mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrages erlassen hätte (§ 67 Abs 1 ASGG). Die Entscheidung des Versicherungsträgers über einen Antrag auf Invaliditätspension kann aber nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes keine Grundlage für die Führung eines gerichtlichen Verfahrens über ein Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bilden, weil es sich dabei um einen anderen Versicherungsfall handelt (SSV-NF 12/65; 11/74 mwN ua).
Die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Auch die von Teschner/Widlar, MGA ASVG 64. ErgLfg Anm 1 zu § 254 erwähnte Praxis der beklagten Partei, einen Antrag eines Versicherten auf eine Invaliditätspension nach Vollendung des 55. Lebensjahres als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu werten, vermag daran im vorliegenden Fall nichts zu ändern, weil ein solcher über einen Leistungsantrag des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit absprechender Bescheid des Versicherungsträgers nicht vorliegt und daher insoweit der Rechtsweg unzulässig wäre. Dass der Kläger aber die Voraussetzungen für die Gewährung der den alleinigen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden Invaliditätspension nicht erfüllt, wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Der in der Revision gestellte Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidungen dahin, dass dem Kläger nunmehr zumindest ab dem die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zugesprochen werde, konnte daher schon aus den bereits dargelegten Gründen ebenfalls kein Erfolg beschieden sein. Damit erweist sich die Revision als nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.