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OGH vom 24.07.2013, 9ObA51/13k

OGH vom 24.07.2013, 9ObA51/13k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rudolf Gleißner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** G*****, vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, ***** , vertreten durch DLA Piper Weiss Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Revisionsinteresse 6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 11/13h 20, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers nach einem Betriebsübergang im Sinne des § 3 AVRAG kann nicht unbefristet geltend gemacht werden, sondern muss - im Interesse der Rechtssicherheit und des Klarstellungsinteresses des Vertragspartners - ohne unnötigen Aufschub erhoben werden (RIS Justiz RS0112268). Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Das Ausmaß kann unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Dienstgebers und der Schwierigkeiten für den Dienstnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen, aber nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es keine fixen Fristen gibt (9 ObA 12/13z; 8 ObA 190/01a ua).

Mangels einer gesetzlichen Frist ist die zeitliche Grenze unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB zu ziehen und zu beurteilen, ob das Verhalten des Arbeitnehmers als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung bzw als Verzicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Beendigung aufzufassen ist. Die bloße Nichtgeltendmachung durch längere Zeit dokumentiert für sich allein in der Regel noch keinen Verzicht; vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, die die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen (8 ObA 55/12i; 9 ObA 160/99s).

Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen ausgegangen. Deren Anwendung im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, soweit nicht eine Fehlbeurteilung vorliegt, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist (9 ObA 116/11s). Davon ist hier nicht auszugehen:

Die Besonderheit des vorliegenden Falls ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass die Frage, ob das Dienstverhältnis zwischen der Klägerin und der Veräußerin auf die Beklagte als Erwerberin gemäß § 3 AVRAG übergegangen ist, nicht nur für die Klägerin, sondern auch für die Veräußerin und die Erwerberin (!) erst mit Zustellung des im Kündigungsanfechtungsverfahren der Klägerin gegen die Veräußerin ergangenen abweislichen Ersturteils geklärt war. Unmittelbar danach erklärte sich die Klägerin gegenüber der Beklagten arbeitsbereit und brachte unverzüglich die gegenständliche Klage auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ein.

Die Beurteilung, ob überhaupt ein Betriebsübergang stattgefunden hat, ist wie gerade der vorliegende Fall anschaulich aufzeigt besonders für den Arbeitnehmer nicht immer einfach. Zu seinem Schutz besteht deshalb von Gesetzes wegen ua die Informationspflicht des § 3a AVRAG. Darüber hinaus wurde in der Literatur ein Eingreifen des Gesetzgebers verlangt, um eine Feststellungsklage gegen Veräußerer und Erwerber als einheitliche Streitpartei erheben zu können (9 ObA 19/12b unter Hinweis auf Grießer , Zur verfahrenstechnischen Umsetzung des § 3 AVRAG, RdW 1997, 669, 677 f). Solange der Gesetzgeber diese Möglichkeit nicht geschaffen hat, darf dieser Gesichtspunkt bei Beurteilung der Frist zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs im Einzelfall nicht unberücksichtigt bleiben (vgl Weber , Kündigungsverbot bei Betriebsübergang, GeS 2003, 7).

Dazu kommt, dass die Klägerin im erwähnten Kündigungsanfechtungsverfahren nach Zurückweisung ihres gegen die hier Beklagte und dort Zweitbeklagte gerichteten Eventualbegehrens auf Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis infolge des ex lege Betriebsübergangs auf die Zweitbeklagte (hier Beklagte) übergegangen sei der Beklagten den Streit verkündete. Darin stützte sie sich ausdrücklich auf die nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung bestehende Aufgriffsobliegenheit nach § 3 AVRAG und brachte vor, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Dienstverhältnis bestünde, sollte sie im Kündigungsanfechtungsverfahren bezüglich des gegen die (Erst )Beklagte als Veräußerin gerichteten Hauptbegehrens unterliegen. Die Beklagte trat dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin, allerdings auf Seiten der (dort) (Erst )Beklagten bei. Wenn das Berufungsgericht daher die rechtzeitige Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs auch damit begründete, dass für die Beklagte (als Nebenintervenientin im Kündigungsanfechtungsverfahren gegen die Veräußerin) jedenfalls ausreichend erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin nicht auf eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses verzichten wollte, dann ist diese Rechtsansicht aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls vertretbar.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.